
Wenn sogar «The Rock» schrumpft: Muss man(n) für Oscar-Rollen dünn sein?
Verändere dein Aussehen für einen Film und du gewinnst einen Oscar. So oder so ähnlich lautet scheinbar die Hollywood-Formel. Frauen schneiden sich die Haare kurz, klatschen sich eine grosse Nasenprothese ins Gesicht oder werden dick. Oder so «dick» wie durchschnittliche Frauen in der richtigen Welt. Und fertig ist die «ernstzunehmende Schauspielerin».
Auch für Männer ist der erste Schritt zum Star zwar oft, trainiert, muskulös und übermenschlich perfekt auszusehen. Doch wenn sie Anerkennung für ihr schauspielerisches Können wollen, heisst es: Werde dünn – und zwar schnell. Je extremer die Veränderung, desto mehr Aufmerksamkeit und Lob für die «Hingabe zur Rolle». Jetzt ist Dwayne «The Rock» Johnson offenbar bei diesem Schritt angekommen.
Der Ex-Wrestler und Actionstar ist eigentlich für seine riesigen Muskeln bekannt und futterte laut eigener Aussage auch mal 8000 Kalorien am Tag. Doch an den Filmfestspielen von Venedig tauchte er (immer noch sehr muskulös, aber) deutlich «schmaler» auf. Das Internet zeigte sogleich seinen Hang zum Dramatischen und ein Fan twitterte: «The Rock has turned into a pebble.» Übersetzt: Der Fels ist zum Kieselstein geworden.
Online wird gemunkelt, sein Arzt habe ihm wohl geraten, dass er mit seinen 53 Jahren langsam die Finger von Steroiden lassen sollte. Johnson selbst hat sich noch nicht zu seiner neuen Figur geäussert, doch kürzlich erzählte er in einem Interview, dass er sich für seine neue Rolle verändern wolle: «Was wäre, wenn ich mehr tun könnte – ich möchte mehr tun, und wie könnte das aussehen?» Falls das stimmt, ist es eine gute Ausrede.
Christian Bale ist mit seinen wilden Schwankungen zwischen abgemagert, aufgedunsen und Superhelden-Muskeln wohl das berüchtigtste Beispiel für extreme körperliche Veränderungen. Doch sogar er sieht die Sache heute anders: «Ich mache mir Sorgen, dass das zur Normalität wird, es ist nicht gesund», sagte er in einem Interview. Es werde zu einer Art Zeichen der Hingabe zum Handwerk: «‹Und? Wie sehr bist du der Rolle verschrieben? Wie viel hast du abgenommen?› und irgendwann endet das in einer Tragödie.» Trotzdem gilt es in Hollywood immer noch als bewundernswert, seinen Körper zu bestrafen, um ernst genommen zu werden.
Schon Oscargewinnerin Hellen Mirren wurde 1975 gefragt, ob ihr Körper sie davon abhalte, als «seriöse Schauspielerin» zu gelten. «Weil seriöse Schauspielerinnen keine grossen Brüste haben können?», fragte die damals 30-Jährige zurück und fuhr fort: «Was für eine miese Leistung, wenn die Leute von der Grösse ihres Busens oder sonst etwas besessen sind.»
Dasselbe Vorurteil gilt auch Männer mit Muskeln. Und es nimmt sie genauso mit, wenn sie abnehmen müssen. Auch mental. «Magic Mike»-Star Channing Tatum hat schon früher gesagt, er wolle sich nicht mehr für Rollen aufpumpen. Doch diese Woche sprach er darüber, dass es ebenso einen Preis hatte, sich für seinen kommenden Film «Roofman» auf 78 kg runterzuhungern: «Es war eine Art Leere und Traurigkeit. Ich sah nur mich selbst und wirkte einfach hohl.» Er habe sich die ganze zeit über elend gefühlt.
Orlando Bloom sprach diese Woche ebenfalls darüber, wie er für seinen kommenden Film «The Cut»23 kg Kilo verlor und «praktisch nur Thunfisch und Gurken gegessen» hat: «Ich war einfach erschöpft. Ich hatte keine Energie und keine Gehirnleistung.» Er sei geistig und körperlich hungrig gewesen, weshalb er ein «schrecklicher Mensch» gewesen sei.
Dieses extreme Hin und Her mag irgendwie bewundernswert sein, doch es macht etwas mit uns als Zuschauer. Sei es in Form von ungesunder «Motivation» zum Abnehmen, ungesunder Bewunderung oder ungesunder Wahrnehmung. Nebenher wird uns «Body Positivity» vorgebetet: «Liebe deinen Körper!» Schön und gut, aber welchen bitte? Denn – und hier schliesse ich wieder mal von mir auf andere – unser Sinn für die eigentlich sehr weite Spannbreite von Normalität ist für viele komplett futsch.
Ein Beispiel: Chris Hemsworth wurde als superstarker Marvel-Held «Thor» berühmt. Als er sich für «Im Herzen der See» abgemagert zeigte, machten wir grosse Augen. Dabei sah er eigentlich nicht viel anders aus, als vor seiner Verwandlung zum Superhelden. Ähnlich wie jetzt bei Dwayne «The Rock» Johnson: Selbst in seiner «schmalen» Version ist er immer noch doppelt so breit wie die meisten Typen, die praktisch im Gym wohnen. Doch Promikörper bleiben eine Schlagzeile und wir fressen sie geradezu auf.