
Skandinavisches Wetterkarussell
Vor zwei Wochen stand ich im schwedischen Jämtland am Ufer eines Sees, die Sonne glitzerte über dem Wasser, und ich dachte: Auch im hohen Norden kann man sehr gut Sonne tanken. Doch ich hatte mich zu früh gefreut. Keine 15 Minuten später zerrte der Wind an meiner Kapuze, Regen peitschte über die Wasseroberfläche, und die Idylle war verflogen. Wieder 15 Minuten später: erneut blauer Himmel, als wäre nichts gewesen. Das Wetter wechselte seine Rollen schneller als ein Kind in einem Kostümfundus.
Zwar war ich schon öfter im hohen Norden unterwegs, und trotzdem gelingt es dem Wetter, mich dort oben immer wieder zu überraschen. Bei uns in Mitteleuropa kennt man wechselhafte Tage auch, aber so ein atemloses Hin und Her erlebt man selten. In der Schweiz kann man sich in der Regel darauf verlassen, dass sich ein Tief oder ein Hoch wenigstens für ein paar Stunden behauptet.
Die Erklärung liegt in der Geografie. Von Westen drängen kontinuierlich Tiefdruckgebiete über die Nordsee, vollgesogen mit feuchter Luft. Es gibt keine Alpen, die wie ein Bollwerk den Wetterzug bremsen könnten. Hierzulande stoppen, stauen oder lenken diese Luftströmungen ab, wodurch sich Wetterlagen bei uns oft stabilisieren. Wenn die Sonne dann auch noch kurzfristig durchbricht und den Boden erwärmt, entstehen durch die aufsteigende feuchtwarme Luft Quellwolken im Zeitraffer. Diese wachsen, regnen ab und lösen sich auf. Das Ganze geschieht im Norden besonders schnell, weil die Luftmassen dort oft labil geschichtet sind: In der Höhe ist es ungewöhnlich kalt, unten durch die Sonne relativ warm. Dadurch steigt die Luft nicht gemächlich, sondern sie schiesst regelrecht in die Höhe. So wächst eine Quellwolke in Minuten zu einer stattlichen Wolke an.
Ein zweiter Motor ist das Islandtief, ein fast ständiger Bewohner des Nordatlantiks. Es sorgt dafür, dass warme und kalte Luftmassen ununterbrochen aneinandergeraten. Das Ergebnis ist eine Abfolge von Schauern, Sonnenschein, Wolkenfetzen. Es ist ein Durcheinander, das zugleich chaotisch wirkt und doch ein eigenes Muster hat.
Die vermeintliche Laune der Natur hat also System. Und sie zeigt, wie sehr wir uns in der Schweiz an eine gewisse Trägheit der Witterung gewöhnt haben. Unsere Alpen sind nicht nur Postkartenmotiv, sondern auch Wetterschutzschild. Sie bremsen das Tempo, dämpfen Extreme und geben uns Zeit, den Regenschirm rechtzeitig zu suchen. In Skandinavien erlebt man hingegen die ultimative Wundertüte. Manchmal sitzt man im Regen, der gleich wieder aufhört. Manchmal wird man klatschnass und geniesst die Schönheiten der Natur trotzdem. Und manchmal erlebt man Sonnenstrahlen, die nur deshalb so leuchten, weil der Regen kurz zuvor den Himmel blank geputzt hat.