
Zu teures Handyabo verkauft oder falsche Haarfarbe aufgetragen – müssen Lernende ihre Schäden tatsächlich selbst bezahlen?
Das Gefühl vor dem allerersten Zahltag vergisst man nicht. Die Freude über das eigene Geld, der Stolz, es selbst verdient zu haben. Einige wissen sogar Jahre später noch, was sie damit gekauft haben. Umso grösser dürfte die Enttäuschung sein, wenn die Chefin oder der Chef entscheidet, einen Teil des Lohnes zu streichen.
Immer wieder kommt es vor, dass Berufsbildnerinnen und Berufsbildner ihren Auszubildenden für Fehler Geld vom Lohn abziehen. Kürzlich wurde der AZ eine Geschichte anonym von einem Kunden eines Fachgeschäfts zugetragen. Zum Schutz des Auszubildenden hat die AZ weder ihn noch die Firma befragt und nennt die Namen nicht.
Die Geschichte steht aber stellvertretend für viele Jugendliche, die während ihrer Ausbildung in eine ähnliche Situation kommen könnten. Die AZ hat sie zum Anlass genommen, der Frage nachzugehen, ob es zulässig ist, Lernenden nach Fehlern den Lohn zu kürzen.
Lernender soll Handyabo des Kunden bezahlen
Besagter Aargauer Kunde hat jüngst in einem Fachgeschäft ein neues Abo für sein Mobiltelefon abgeschlossen. Der Lernende vor Ort riet ihm zu einem Aktionsangebot, hat aber vergessen, den Rabatt schlussendlich auch abzuziehen. Als dem Kunden später der volle Betrag verrechnet wird, beschwerte sich dieser. Kurz darauf erhält er einen Anruf des Lernenden.
Dieser entschuldigt sich für den Fehler, der Rabatt werde in Zukunft berücksichtigt. Die aktuelle Rechnung soll er einbezahlen, die Differenz bekäme er zurück. Wahrscheinlich müsse er den Betrag aus eigener Tasche bezahlen, es sei sein Fehler gewesen, sagt der Jugendliche. Da er etwas knapp bei Kasse sei, wolle er anfragen, ob es in Ordnung wäre, wenn er dem Kunden das Geld erst Ende Monat überweist.
Ob der Lernende die Differenz von rund 65 Franken am Ende tatsächlich selbst bezahlen musste, ist nicht bekannt. Dem Kunden wurde schlussendlich vom Fachgeschäft mitgeteilt, dass ihm der Betrag für die nächste Rechnung gutgeschrieben wird.
Falls der Auszubildende intern dafür aufkommen musste, könnte er sich beschweren. Und zwar bei der Lehraufsicht des Kantonalen Departements Bildung, Kultur und Sport. Denn dieses Vorgehen wäre nicht rechtens.
Berufe mit Kundenkontakt sind am ehesten betroffen
Die speziell ausgebildeten Berufsinspektorinnen und -inspektoren des Kantons sind eine Anlaufstelle für grundsätzliche Probleme im Betrieb, die nicht mit der Berufsbildnerin oder dem Berufsbildner besprochen werden können. Daneben führen sie auch regelmässige Kontrollen bei Ausbildungsbetrieben durch oder gehen Hinweisen auf unfaire Behandlungen nach.
Fälle wie der beschriebene seien nicht die Regel, sie kommen aber immer mal wieder vor, schreibt das Inspektorat auf Anfrage. «Am ehesten in Berufen mit direktem Kundenkontakt wie Detailhandel, Coiffeur oder Gastronomie», schreiben die Verantwortlichen. Ein zu teures Handyabo, die falsche Haarfarbe auf dem Kopf der Kundin oder ein Glas Rotwein auf dem weissen Hemd des Gastes – Fehler passieren schnell und bleiben in diesen Branchen nicht unbemerkt.
Auf die Konsequenzen für die Lernenden hat die Branche aber keinen Einfluss. Denn grundsätzlich ist es nicht erlaubt, dass sie für Schäden am Arbeitsplatz selbst bezahlen müssen. Lernende seien rechtlich gesehen anderen Arbeitnehmenden gleichgestellt, schreibt das Berufsinspektorat. «Ihre Unerfahrenheit wird besonders berücksichtigt. Ein Lohnabzug oder die Verpflichtung, Schäden selbst zu zahlen, ist in den geschilderten Beispielen nicht zulässig», heisst es weiter. Der Betrieb trägt hier das Unternehmensrisiko.
Auch Ferienabzüge oder Strafarbeiten seien unzulässig. «Erlaubt sind nur sachliche und verhältnismässige disziplinarische Schritte im Rahmen der Ausbildung wie pädagogische Massnahmen oder Gespräche.» Dürfen denn Lernende alleine arbeiten und ohne Aufsicht Kundschaft betreuen? Ja, sagt die Lehraufsicht. Aber nur, sofern sie die Aufgaben bewältigen können: «Überforderung oder fehlende Begleitung wären nicht zulässig.»