
Die Post braucht unternehmerische Freiheit – für einen starken Service public
Seit über 175 Jahren steht die Schweizerische Post im Dienst der Bevölkerung und Wirtschaft – zuverlässig und flächendeckend. Ich bin stolz darauf, Teil dieser Geschichte zu sein. Als CEO ad interim erlebe ich täglich, mit welcher Leidenschaft unsere 45’000 Mitarbeitenden ihren Beitrag leisten – sei es in Zürich-Wollishofen, Aarau, Cossonay oder Bergün. Doch dieser starke Service public ist kein Selbstläufer. Er braucht politische Rückendeckung und unternehmerische Freiheit.
Die Welt in der digitalen Transformation verändert sich rasant. Ich denke zum Beispiel an meine Verwandten im Ruhestand, die heute mit grosser Selbstverständlichkeit ein Smartphone in der Hosentasche tragen – genauso wie mein 18-jähriger Sohn. Auch aus Sicht der Post dreht die Welt immer schneller. Das Briefvolumen sinkt jährlich um rund fünf Prozent, das Schaltergeschäft noch stärker. Gleichzeitig steigen die Kosten, während digitale Lösungen hohe Investitionen erfordern. Allein die Grundversorgung kostet uns rund 370 Millionen Franken pro Jahr.
Was nach Ordnung klingt, wäre brandgefährlich
Vor diesem Hintergrund ist es für mich nicht nachvollziehbar, dass die Wirtschaftskommission des Nationalrats unsere Geschäftstätigkeit massiv einschränken will. Das klingt vielleicht nach Ordnung, wäre aber brandgefährlich: Wir würden hunderte Millionen an Einnahmen verlieren und die Finanzierung der Grundversorgung wäre gefährdet. Die Folge: Die Post bräuchte Subventionen – zulasten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Die Post würde faktisch zum Sanierungsfall.
Ich habe selbst erlebt, wie wichtig unternehmerische Freiheit ist. Als wir die E-Post lancierten, war das kein einfacher Weg. Wir mussten investieren, Risiken eingehen, neue Kompetenzen aufbauen. Aber genau solche Projekte sichern unsere Zukunftsfähigkeit – und die Grundversorgung in der digitalen Welt.
Unsere Investitionen zielen nicht darauf ab, KMU zu verdrängen, wie das von einigen Politikern gerne behauptet wird. Die Investitionen dienen dem Aufbau von Technologien für E-Health, E-Voting und anderen relevanten digitalen Services für den Alltag der Bevölkerung. Das sind Generationenprojekte und werfen nicht sofort Gewinn ab. Aber sie sind essenziell für die Schweiz und haben zum Ziel, unseren Alltag zu vereinfachen.

Bild: Keystone
Unsere digitalen Angebote sind keine Nebenschauplätze. Sie sind integrale Bestandteile einer modernen Grundversorgung. Ich erinnere mich an ein kürzlich geführtes Gespräch mit einem Geschäftsführer, der mir sagte, wie sehr er die Möglichkeit schätzt, seine Dokumente digital zu empfangen – und trotzdem bei Bedarf physisch zugestellt zu bekommen. Genau solche hybriden Lösungen machen den Unterschied.
Über eine Milliarde an Bund abgeliefert
Ich bin überzeugt: Die Post kann auch morgen ein starkes Erfolgsmodell sein – innovativ, verlässlich und ohne Subventionen. Dafür braucht sie aber gesetzliche Rahmenbedingungen, die Innovation ermöglichen und unternehmerisches Handeln fördern. Wer die Post auf ihre traditionellen Produkte zurückbindet, riskiert den Rückbau der Grundversorgung und den Verlust einer leistungsfähigen Partnerin für die ganze Schweiz. Was mich ebenso beschäftigt: Das aktuelle Gesetz stammt aus einer Zeit, in der Smartphones kaum verbreitet waren. Heute sind digitale Kommunikationsformen Alltag. Trotzdem wird die Post von Teilen der nationalen Politik so behandelt, als hätte sich nichts während der letzten 15 Jahre verändert.
Was vermutlich vielen nicht bewusst ist: Die Post konnte in den letzten zehn Jahren über eine Milliarde Franken an Dividenden in die Bundeskasse überweisen. Das zeigt: Wir sind wirtschaftlich erfolgreich – aber nur, wenn wir auch unternehmerisch handeln dürfen. Die Umsetzung der Vorlage der Wirtschaftskommission des Nationalrats würde uns mehrere hundert Millionen Franken jährlich kosten. Ich muss es wiederholen: Das wäre nicht nur ein Rückschritt, sondern ein Risiko für die Zahlungsfähigkeit der Post.
Ich wünsche mir eine Politik, die den Mut hat, die Post als das zu sehen, was sie ist: eine moderne, relevante Partnerin und wichtige Arbeitgeberin für die ganze Schweiz. Um so zu bleiben, brauchen wir keine Extrawurst – aber realistische Rahmenbedingungen. Denn Service public ist kein Selbstzweck. Er ist ein Versprechen an unsere Gesellschaft und Wirtschaft. Und dieses Versprechen wollen wir auch morgen einlösen – eigenständig, innovativ und verlässlich.
Zur Person
Alex Glanzmann ist seit 2005 bei der Post und hatte im Bereich Postlogistics verschiedene Führungspositionen inne. Seit 2016 ist er als Leiter Finanzen Mitglied der Konzernleitung. Bis Ende Oktober ist er als Konzernleitung ad interim im Amt. Alex Glanzmann hat an der Universität Bern Ökonomie studiert und besitzt ein Executive MBA in Business Engineering der HSG.