
Fertig lustig? Trump zwingt Late Night Shows zum Hofknicks
US-Late Night Shows leben davon, uns mit Witzen über aktuelle Ereignisse zu unterhalten. Zugegeben: Im Nachhinein ist das nicht immer gut gealtert. In den 90er Jahren zerrissen sich die Moderatoren wochenlang das Maul über Monica Lewinsky, obwohl sie nach ihrer Affäre mit US-Präsident Bill Clinton Job, Ruf und Würde längst verloren hatte. Dasselbe 2007 mit Britney Spears.
Mit Politikern sieht die Sache meistens ein bisschen anders aus. Late Night-Moderatoren sind wie Hofnarren, die über den König lachen durften. Egal ob links, rechts, Demokrat oder Republikaner: Alle kommen unter die lustigen Räder. Gleichzeitig nutzen sie die Shows aber auch für sich.
Arnold Schwarzenegger verkündete bei Jay Leno 2003, dass er als Gouverneur kandidiert, Barack Obama war 2007 bei Connor O’Brien zu Gast und während seines ersten Wahlkampfes wagte sich selbst Donald Trump in die Show von Jimmy Fallon – und liess ihn seine Haare verwuscheln, um zu testen, ob sie echt sind.
Während seiner ersten Präsidentschaft lieferte er ständig Comedy-Gold für die Moderatoren. Jeder absurde Auftritt, jeder peinliche Patzer, jede grenzdebile Geste wurde zum Gag. Mittlerweile ist die ganze Sache aber nicht mehr lustig. Denn wenn es um sein Ego geht, ist Trumps orange Haut hauchdünn geworden.
Nachdem Stephen Colberts Show gecancelt wurde, folgte nun «Jimmy Kimmel Live». Kimmels Äusserung zum Tod von Charlie Kirk sei «beleidigend und unsensibel» gewesen, heisst es vom Sender. Dabei ging es in seinem Monolog eigentlich gar nicht um Kirk, sondern um Trump. «Wir haben am Wochenende neue Tiefpunkte erreicht, als die MAGA-Gang verzweifelt versuchte, diesen Jungen, der Charlie Kirk ermordet hat, als etwas anderes als einen von ihnen darzustellen und alles tat, um damit politische Punkte zu machen», sagte er in seinem Eröffnungsmonolog. «Zwischen den Schuldzuweisungen gab es auch Trauer.»
Dann zeigte er einen Ausschnitt wie Präsident Trump gefragt wurde, wie es ihm nach dem Tod «seines Freundes» gehe. «Ich glaube gut», sagte er, zeigte dann auf ein paar Lastwagen und fuhr fort: «Übrigens haben wir gerade mit dem Bau des neuen Ballsaals für das Weisse Haus begonnen. Etwas, was man seit 150 Jahren tun wollte.» Kimmel meinte dazu: «Er befindet sich in der vierten Phase der Trauer: dem Bau.»
Man kann von der Show halten, was man will – und in unseren Breitengraden ist sie den meisten wohl ziemlich Wurst. Natürlich werden Shows und Serien halt manchmal abgesetzt, Netflix-Zuschauer müssen sich schliesslich ständig damit abfinden, wenn der Streamingdienst wiedermal eine Show trotz Topquoten bereits nach einer Staffel in den Müll donnert. Doch diesmal wirkt das Ganze wie ein deutlicher Angriff auf die freie Meinungsäusserung.
Ironischerweise lieben Trump-Fans diesen Begriff und brüllen ihn gerne in jeden Social Media-Kommentar, wenn ihnen etwas nicht passt. Doch jetzt jubeln ausgerechnet diese «Krieger der freien Meinungsäusserung», dass die Regierung einen TV-Sender dazu gebracht hat, einen Moderator für einen Kommentar zu bestrafen. Geht es etwa gar nicht um eben dieses viel zitierte Grundrecht? Offenbar nicht, wenn es andere anwenden. Welch Überraschung.
«Es ist nicht die Sensibilität des Publikums, es ist die Sensibilität der Anführer»: Das sagte Jon Stewart, ebenfalls Late Night-Moderator, bereits 2022. Damals war Trump nicht Präsident. Stewart sprach von Will Smith, der Komiker Chris Rock an den Oscars ohrfeigte. Das sei nicht die wahre Gefahr für Comedy, sagte Stewart damals fast schon prophetisch: «Wenn eine Gesellschaft bedroht ist, sind Komiker die ersten, die man verschwinden lässt.
In einem Instagram-Kommentar schrieb jemand: «Wisst ihr, wenn ihr Jimmy Kimmel nicht mögt, könnt ihr auch einfach umschalten.» Stattdessen muss man sich plötzlich tatsächlich fragen: «Darf man jetzt gar nichts mehr sagen?»