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azb bringt die Sonne aufs Dach – Photovoltaik mit sozialem Mehrwert

In Strengelbach trifft Inklusion auf Innovation. Die Zürcher Ziegeleien gehen mit einem selbst entwickelten ­Solarpanel in die Zukunft. Die Endmontage der Panels erfolgt bei der Stiftung azb.

In den Räumen der azb-Schreinerei wird mit Hochdruck gearbeitet. Allerdings nicht ausschliesslich mit Holz, wie man erwarten würde. Mit Hilfe einer Lehre schneidet Fritz Kaufmann ein Dichtungsband nach dem anderen auf die gewünschte Länge zu, anschliessend bringt er mittels Spezialzangen die erforderlichen Kerbungen an. Im nächsten Raum bringt Christine Rätzer die selbstklebenden Dichtungsbänder seitlich an die Photovoltaikmodule an, Mathias Steffen biegt sie um, damit sie auch an der Oberfläche haften. Und schon geht’s zur nächsten Station. Die Photovoltaikmodule müssen in den halb fertigen Alurahmen eingeführt werden – eine Arbeit, die Thomas Weyermann mit viel Fingerspitzengefühl und Vorsicht erledigt. Anschliessend steckt Weyermann die beiden fehlenden Rahmenteile hinzu und verpresst den Rahmen. Ab in die bereitstehende Spezialverpackung – und schon ist das Solarpanel bereit zur Auslieferung.

Mit einem Spezialwerkzeug verpresst Thomas Weyermann den Rahmen des Solarpanels.
Bild: Thomas Fürst

Mit grossem Interesse verfolgt eine Delegation der Zürcher Ziegeleien die Arbeiten in den Lokalitäten der azb-Schreinerei. Die Regensdorfer Firma lässt die Endmontage ihres in Eigenregie entwickelten Solarpanels in den Werkstätten der Strengelbacher Stiftung ausführen. «Man vermutet in einer Stiftung für Menschen mit einer Beeinträchtigung das Know-how, einen derartigen Auftrag in dieser Qualität stemmen zu können, überhaupt nicht», sagt Jochen Christoph. «Aber das ist ein grosser Irrtum», führt der Finanzchef der Zürcher Ziegeleien weiter aus. Doch wie haben ein 160 Jahre altes Traditionsunternehmen wie die Zürcher Ziegeleien – in der Schweiz Marktleader für Dachziegel – und die Stiftung azb überhaupt zusammengefunden?

Eine Ausschreibung und eine alte Bekanntschaft

Da müsse er etwas weiter ausholen, meint Christoph einleitend. «Unser Grundprodukt ist reine Swissness – Schweizer Lehm auf Schweizer Dächern.» Angesichts der proklamierten Energiewende habe man sich in der Geschäftsleitung des Regensdorfer Traditionsunternehmens natürlich Gedanken über das zukünftige Geschäftsmodell machen müssen. Und beschlossen, ein eigenes Indach-Solarpanel zu entwickeln, obwohl der Markt für Solarenergie in Anbetracht der Unsicherheit bei den Fördergeldern zuletzt doch etwas an Schwung verloren habe.

Im Gegensatz zu Aufdach-­Solarmodulen, die auf die Dachhaut montiert werden, ersetzen Indach-Solarpanels die bisherige Dacheindeckung. «Mit der Entwicklung eines eigenen Solarpanels haben die Zürcher Ziegeleien Neuland betreten», führt Christoph weiter aus. So habe das Unternehmen beispielsweise erstmals in Asien eingekauft, denn der Markt für Photovoltaikmodule werde nun mal von asiatischen Herstellern beherrscht. Wäre es dann nicht sinnvoll gewesen, gleich das fixfertige Solarmodul in Asien einzukaufen? «Das haben wir ebenfalls evaluiert», gibt der Finanzchef der Zürcher Ziegeleien zu, «aber wir haben rasch gesehen, dass asiatische Hersteller nicht in der Lage sind, die von uns geforderte Qualität zu liefern».

In der Folge wurde der Auftrag ausgeschrieben. Um die Endmontage der «Unitas»-Panels bewarben sich neben der Stiftung azb zwei weitere Unternehmen aus der Privatindustrie – eines aus Deutschland, ein weiteres aus der Schweiz. «Das azb hat dabei das in jeder Hinsicht beste Gesamtpaket vorgelegt», verrät Christoph. «Für mich war das wenig überraschend», führt er weiter aus, «denn ich kannte die Strengel­bacher Stiftung bereits seit 15 Jahren, aus einer früheren beruflichen Tätigkeit bei einem Kaffeemühlen-Hersteller».

Er wisse, dass in Strengel­bach Leute tätig sind, die unternehmerisch denken. Wobei es doch noch einige Überzeugungsarbeit gebraucht habe, ­seine Kollegen in der Geschäftsleitung ebenfalls von den Vor­teilen dieser Lösung zu überzeugen, wie er schmunzelnd zugibt.

Ein Auftrag, der zum azb passt

Benjamin Nützi, der das Solarpanel-Projekt für die Stiftung azb zusammen mit Andreas Meier leitet, zeigt sich begeistert von der Zusammenarbeit mit den Zürcher Ziegeleien. «Wir erfahren in diesem Projekt sehr viel Wertschätzung von unserem Auftraggeber», betont er, «zudem ist es ein Auftrag, der zum azb passt und unseren Mitarbeitenden mit Unterstützungsbedarf spannende Arbeit bietet, an der sie mit Stolz mithelfen». Denn es sei wichtig, dass die Arbeiten in kleine Teilschritte heruntergebrochen werden können. «Damit möglichst viele unserer Mitarbeitenden einen Teil, der ihnen möglich ist, zum gesamten Produkt beitragen können», wie Nützi weiter ausführt. Mit Montagehilfen und weiteren Hilfsmitteln könne das Fehlerrisiko sehr weit minimiert werden.

Im Markt ist das Produkt mittlerweile sehr gut aufgenommen worden. «Wir liegen rund 20 Prozent über unseren Erwartungen», gibt Christoph zu verstehen. Das dürfte mit den vielen Vorteilen zusammenhängen, die das neu entwickelte Solarpanel bietet, wie Stefan Ringbeck, Produktmanager Photovoltaik bei den Zürcher Ziegeleien, zu verstehen gibt. Ringbeck weist etwa auf die einfache Montage des Solarpanels hin. Der Dachdecker könne einfach vier Ziegel entfernen und ein Solarpanel einsetzen, das mit einer Halterung befestigt wird. Weitere Anpassungsarbeiten sind nicht erforderlich – auch die Lattung muss nicht ersetzt werden, sofern das Dach mit Ziegeln aus der Produktion der Zürcher Ziegeleien eingedeckt war. «Damit ist unser Solarpanel gerade im Sanierungsbereich sehr interessant», meint Ringbeck weiter, zudem sei es auch leistungsstärker als die Produkte der Mitbewerber.

Die Solarpanels der Zürcher Ziegeleien lassen sich auf unterschiedlichen Dachformen einsetzen.
Bild: zvg / Zürcher Ziegeleien

Recycling nach Lebensende ohne grossen Aufwand

Und last but not least: Hat das Panel sein Lebensende erreicht, ist es ohne aufwendige Materialtrennung zerlegbar, weil Rahmen und Photovoltaikmodul nicht verklebt sind. Entsprechend einfach kann das Material der Wiederverwertung zugeführt werden.

Vieles deutet also darauf hin, dass die Produktion in Strengel­bach in Zukunft ausgeweitet werden kann. «Die Produktion ist im Endausbau darauf ausgelegt, dass wir täglich 150 Solarpanels montieren können», gibt Reto Bubendorff, Bereichsleiter Industrielle Produktion bei der Stiftung azb, zu verstehen. Sollte die Produktion darüber hinaus gesteigert werden müssen, könnten problemlos weitere Arbeitsplätze eingerichtet werden. «Es ist ja gerade unsere Stärke, dass wir sehr flexibel auf Kundenwünsche eingehen können, weil wir aus einem so grossen Pool von Mitarbeitenden rekrutieren können», betont Bubendorff. Auch wenn die Produktion sehr gut ausgelastet ist, wie das Moment der Fall sei.

Er schätze diesen positiven Spirit im azb sehr, meint dazu Christoph. «Unsere Ansprechpartner in der Stiftung suchen nie nach Problemen, sondern immer nach Lösungen», betont er, das mache die Zusammenarbeit so angenehm. Das sehen seine Kollegen in der Geschäftsleitung mittlerweile auch so.