
Aargauer Autobahn-Diskussion bringt Grüne und FDP zusammen: Kälin und Burkart reichen sich die Hand
Im Aargau gab es letztes Jahr eine Mehrheit für Autobahnausbauten, die Erweiterung der A1 auf sechs Spuren liegt als generelles Projekt beim Bundesrat, das Parlament hat einer Realisierung für die 2030er-Jahre zugestimmt. Doch jetzt droht die Vollbremsung. Ein von Bundesrat Albert Rösti beauftragter ETH-Experte empfiehlt, den Ausbau auf nach 2045 zu verschieben. Auch der neue Bahntunnel zwischen Aarau und Zürich soll erst in ferner Zukunft realisiert werden.
Für den Aargau keine erfreulichen Nachrichten – doch sie bringen linke und rechte Politikerinnen und Politiker zusammen. Das zeigte das Gespräch zwischen Grünen-Nationalrätin Irène Kälin und FDP-Ständerat Thierry Burkart. Sie unterhielten sich am Dienstagabend im «TalkTäglich» auf Tele M1 zum wohl meistdiskutierten Aargauer Thema der vergangenen Woche.
Kälin kritisiert den Bericht stark
«Dachten Sie: Endlich sagt jemand, dass es keinen Autobahnausbau braucht?», wollte Moderator und AZ-Chefredaktor Fabian Hägler von Irène Kälin wissen. «Nein, überhaupt nicht», entgegnete diese. Sie habe den Bericht sehr kritisch zur Kenntnis genommen. Die vom Volk abgelehnten Autobahnprojekte in Basel, Bern und St.Gallen würden wieder diskutiert. «Das ist undemokratisch.» Zudem komme der Aargau bei den Strassen und vor allem beim Ausbau des öffentlichen Verkehrs zu kurz.
Grundsätzlich war Kälin einst gegen den Ausbau der A1 in der nun vorgesehenen Grössenordnung. «Aber dass andere Regionen Megastrassen bekommen sollen, obwohl die Bevölkerung dagegen war, und im Aargau, wo die A1 unterstützt wird, werden wir vertröstet, finde ich nicht richtig.» Zudem stört sie sich daran, dass der Aargau im Bericht nicht als eigenständiger Kanton aufgelistet, sondern dem Grossraum Zürich zugeschlagen wurde. Das, nachdem man bereits früher dafür habe kämpfen müssen, dass Züge im Aargau überhaupt noch halten.
Auch Burkart, der sich in einem Interview in der AZ bereits zum Bericht geäussert hatte, ist ernüchtert. «Die Kriterien, die auf die einzelnen Projekte angewendet wurden, sind nicht nachvollziehbar und führten zu seltsamen Resultaten», sagte er. Er versteht nicht, weshalb man den A1-Ausbau, der vom Bundesamt für Strassen hoch prioritär eingestuft wurde, verschieben wolle, kritisierte der Verkehrspolitiker.
Burkart will mit Kälin für den Aargau kämpfen
Burkart verwies auf das überproportionale Bevölkerungswachstum des Aargaus und die Auswirkungen auf die Verkehrsinfrastruktur. Der Stau wachse und die Autos würden irgendwann auf die Dörfer ausweichen. Das habe zur Folge, dass dort längerfristig Strassen auf Kosten der Aargauer Steuerzahlenden ausgebaut werden müssten.
Das sieht auch Kälin und reicht Burkart sinnbildlich die Hand: «Wenn man die Priorität für den Kapazitätsausbau auf der Schiene anerkennt, ist für mich klar, dass man auch einen moderaten Ausbau auf dem Autobahnnetz macht.» Burkart schlägt ein: «Wenn im Aargau die Schienen- und Strasseninfrastruktur nicht mehr reichen, hat das Auswirkungen auf die ganze Schweiz.» Insofern reiche er Kälin die Hand, «damit wir gemeinsam für die Strassenprojekte und jene im öffentlichen Verkehr kämpfen.»
Völlig einig waren sich die beiden aber nicht. Kälin wünschte sich Anreize für die Bevölkerung, häufiger mit dem öV zu reisen. Burkart hielt dagegen, der Bericht sei zustande gekommen, weil man geplant habe, dass der öV-Ausbau nicht 14, sondern 30 Milliarden Franken kosten würde. Nun seien 24 Milliarden für die Schiene und 9 Milliarden für die Strasse vorgesehen. Man mache alles, um den öffentlichen Schienenverkehr auszubauen, «aber man kann nie alle Bedürfnisse abfangen.»
«Der Vorstoss ist eine einseitige und veraltete Verkehrspolitik»
Moderator Hägler sprach Kälin und Burkart zum Schluss auf den neuen Vorstoss von SVP-Grossrat Stefan Giezendanner an. Dieser will mittels Standesinitiative verlangen, dass die A1 schneller ausgebaut wird. Kälin findet, dass es aufgrund des Berichts keine Standesinitiative brauche. Sie bezeichnet den Vorstoss als «einseitige und veraltete Verkehrspolitik», da er nicht auf die Bahnprojekte eingehe.
Burkart hat Verständnis für den Vorstoss, sagte aber, dass der Zeitpunkt dafür der falsche sei. Nun müsse der Projektbericht in die Vernehmlassung und danach den parlamentarischen Prozess durchlaufen. Und da werde sich der Aargau einbringen. «Wichtig ist, dass wir Allianzen mit anderen Kantonen schmieden. Denn alleine ist der Aargau nicht stark genug.»