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Die Wüste lebt – und die Schweiz spart

Das Festival Culturescapes gastiert im Aargau. Direktor Jurriaan Cooiman spricht mit der AZ über Sparpolitik, globale Stimmen und das Leben in der Sahara.

Die Schweiz muss sparen, und sie spart an der Welt. Im Februar strich die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) zwölf Kulturinstitutionen von der Förderliste, weil das Parlament die Entwicklungshilfe kürzte. Damit fällt eine Förderung weg, über die die Schweiz bisher Kunstschaffende aus dem Globalen Süden in die hiesigen Museen und Theater brachte.Die Schweiz muss sparen, und sie spart an der Welt. Im Februar strich die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) zwölf Kulturinstitutionen von der Förderliste, weil das Parlament die Entwicklungshilfe kürzte. Damit fällt eine Förderung weg, über die die Schweiz bisher Kunstschaffende aus dem Globalen Süden in die hiesigen Museen und Theater brachte.

Betroffen ist auch das Festival Culturescapes. Diesem fehlen ab 2028 jährlich 300’000 Franken, rund ein Fünftel seines Budgets. «Die Schweiz gibt Milliarden für Kampfjets aus», sagt Direktor Jurriaan Cooiman im Gespräch mit der AZ. «Gleichzeitig nimmt sie Kulturschaffenden aus dem Globalen Süden die Bühne, um ein paar Millionen zu sparen.»

Das alle zwei Jahre stattfindende Festival versteht sich als Plattform für den internationalen Dialog. Frühere Ausgaben holten Stimmen aus dem Amazonasgebiet oder der Ukraine in die Schweiz. Das Festival spannt dafür mit Partnern im ganzen Land zusammen, etwa dem Kurtheater Baden und dem Theater Tuchlaube in Aarau.

Der vergessene Konflikt

Dieses Jahr kehrt Culturescapes in die Wüste zurück. 2023 stand die Subsahara im Fokus. Diesmal sind es die Länder Nordafrikas. «Es wäre vermessen, zu glauben, man könnte der Sahara mit einer Ausgabe gerecht werden», begründet Festivalgründer Cooiman den Entscheid.

In der europäischen Vorstellung erscheint die Sahara oft als menschenfeindlicher Nicht-Ort. In Wahrheit sei sie «eine Begegnungsstätte von Kulturtechniken und Menschen», so Cooiman. Die Sahara trennt, aber sie verbindet auch.

Ein Schwerpunkt ist der seit 1975 andauernde Westsahara-Konflikt zwischen Marokko, das die ehemalige spanische Kolonie annektiert hat, und der Unabhängigkeitsbewegung Polisario. Viele der einst im Gebiet lebenden Sahrauis wurden vertrieben und leben bis heute in Flüchtlingslagern in Algerien.

«In dem Gebiet steht die längste Mauer der Welt», sagt Cooiman. «Ein Wall aus Sand, 50 Meter hoch und vermint. Weil der Wind den Sand und die Minen bewegt, kommen dort immer wieder Kinder ums Leben.» Für Cooiman ist die Westsahara «das Gaza von Westafrika». In Europa wird über diesen eingefrorenen Konflikt kaum gesprochen. Culturescapes zeigt dazu am 25.10. einen Film im neuen Kino Basel.

Schon immer unbequem

Heikle Themen scheute das Festival noch nie. Als sich Culturescapes 2011 Israel widmete, forderte die Boykott-Bewegung BDS – deren Mitglieder oft das Existenzrecht Israels bestreiten – die Aussetzung des Festivals.

Viele der eingeladenen Kulturschaffenden aus den nordafrikanischen Staaten solidarisierten sich mit Gaza, sagt der Direktor. Bislang habe es jedoch keine Spannungen deswegen gegeben. Sollten solche am Festival entstehen, hat Culturescapes dafür eine eigene Strategie entwickelt.

Doch aller Revolutionsromantik zum Trotz versteht sich der 59-Jährige nicht als Anführer und weiss um seine blinden Flecken. Sechs Frauen aus Afrika und der Schweiz beraten das Festival als künstlerischer Beirat. Sie dienen als Korrektiv.

Die Wüste auf der Bühne

Noch bis zum 29. November zeigt sich, was dieses Team zwei Jahre lang vorbereitet hat. Im Kurtheater Baden wird dabei die Bühne zur Wüste: Am 31. Oktober zeigt es mit Radouan Mrizigas «Magec / The Desert» einen Abend, der die Sahara nicht abbilden, sondern verkörpern will.

«Adepte de mon être» in der Alten Reithalle Aarau bringt sechs Tänzerinnen und Tänzer mit Hörbehinderung auf die Bühne. In Burkina Faso werden sie aus der Gesellschaft ausgeschlossen – auf der Bühne erkämpfen sie sich eine neue Welt, in der jeder Mensch einen Platz hat.

Trotz des Wegfalls der Deza-Gelder ist auch die nächste Ausgabe 2027 gesichert. Sie führt in die Arktis, eine Region, die spätestens seit Trumps Versuch, Grönland zu kaufen, im geopolitischen Fokus steht.

Was Bern an Fördergeldern gestrichen hat, sollen dann Norwegen und Kanada mit eigenen Beiträgen kompensieren. Wie so oft gilt: Wenn die Schweiz sich zurückzieht, übernehmen andere – und setzen die Erzählung fort.