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Ein dürrenmattsches Drama: Gastkommentar zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts im Fall CS/UBS

Peter Nobel über das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts im Fall CS/UBS, dessen Lektüre für die Bundesbehörden eine Tortur sein dürfte.

Beim Notverkauf der Credit Suisse an die UBS im März 2023 wurden die AT1-Anleihen im Wert von rund 16 Milliarden Franken abgeschrieben. Das war nicht rechtens, hält das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil fest, das vergangene Woche publiziert wurde. Der «Blick» sprach von einem «Hammerentscheid». Man mag sich sogar an den Hexenhammer der dominikanischen Inquisition erinnern, denn die Lektüre des Entscheides muss eine Tortur für die Beteiligten sein, namentlich für die Finanzmarktaufsicht (Finma) und das Finanzdepartement.

Denn gemäss Bundesverwaltungsgericht wurde nicht nur eine der beiden Grossbanken aus dem Markt genommen und als Danaer-Geschenk in die UBS integriert. Sondern dies geschah auch noch mit frivolen notrechtlichen Instrumenten. Man wollte im Finanzdepartement eine sozusagen privatrechtliche, kommerzielle Lösung – und das ist einstweilen ins Auge gegangen. Das könnte sich auch in einem anderen Zusammenhang als fatal erweisen: In Zürich kommen Streitigkeiten um das Austauschverhältnis zwischen CS- und UBS-Aktien vor Gericht.

Dabei wäre laut Bundesverwaltungsgericht der zulässige Weg wohl nahe gelegen: Die Durchführung eines Sanierungsverfahrens mit einem vergleichbaren Resultat. Das Gericht setzt sich in seinem Entscheid sogar mit dem als richtig erachteten Weg auseinander, der die Bank vielleicht gerettet hätte: Das Aktienkapital wäre vollständig abzuschreiben gewesen, dann wären auch die AT1 eliminiert worden. Man erinnert sich: Vom Aktienkapital blieb ja ohnehin nur ein ausserordentlich geringer, eigentlich uninteressanter Anteil (78 Rappen pro Aktie). Aber eben, es wurde nicht vollständig abgeschrieben.

Insgesamt hätte mit den Bail-in-Bonds zusätzlich auch ein viel grösseres Wandlungsarsenal von über 50 Milliarden Franken zur Verfügung gestanden. Und die Inhaber verlorener AT1-Anleihen hätten dann allerdings Beschwerde erheben können und ihre Legitimation hätte nicht interpretatorisch erarbeitet werden müssen. Eine Fusion wäre aber auch so möglich gewesen.

Was ist denn so schiefgelaufen, dass es zur Aufhebung der Abschreibungsanweisung der Finma an die Credit Suisse kam?

Die Beschwerde war zulässig, weil die Ausnahmen für «actes de gouvernement» nicht als gegeben erachtet wurden und auch die Menschenrechtskonvention EMRK Anwendung fände. Die Legitimation der Beschwerdeführer wird entgegen allem Widerstand wegen direkter Betroffenheit bejaht. Es fehlte dann auch am «Triggering Event», da die AT1-Papiere kapital- und nicht liquiditätsbezogen sind und die Eigenmittelsituation als nicht absolut kritisch beurteilt wurde. Über die Interpretation der Anleihebedingungen zum «Point of Non Viability» liesse sich allerdings diskutieren, denn in einer Krisensituation wird die Unterscheidung von Solvenz und Liquidität prekär. «Die vertraglichen Voraussetzungen für die Abschreibung der AT1-Kapitalinstrumente waren am 19. März 2023 nicht gegeben (…). Die AT1-Verfügung der Vorinstanz an die CSG stellte daher eine Anweisung zu vertragswidrigem Verhalten dar.»

Auch obligatorische Rechte stehen sodann unter dem Schutz der Eigentumsgarantie, die eine grundrechtskonforme Auslegung des Gesetzesrechtes anleitet. Um Schutzmassnahmen konnte es nicht gehen, da solche nicht direkt und definitiv in die Gläubigerrechte eingreifen dürfen (zitiert wird der Bundesgerichtsentscheid zur Herausgabe der UBS Aktien durch die FINMA resp. den Bundesrat an die USA, BGE 137 II 431). Auch das Finanzmarktaufsichtsgesetz biete keine genügende Grundlage. So kam es zum hard test des verwendeten Notrechtes. Da gibt es denn auch einen Hieb gegen die UBS: «Im Ergebnis erweist sich das Zurückgreifen auf Notverordnungsrecht – trotz bestehendem einschlägigem Gesetzesrecht –, um im Rahmen einer privatrechtlichen Transaktion («commercial solution») die Interessen einer Partei zu schützen, als von Art. 184 Abs. 3 bzw. Art. 185 Abs. 3 BV nicht gedeckt.»

Die genügende Bestimmtheit der ausserordentlichen gesetzlichen Grundlage (Notverordnung) wird verneint und ebenso die Zulässigkeit der Delegation an die Finma. Sogar an der Verfassungsmässigkeit fehle es. «Die Verfassung lässt der Exekutive keinen Raum, durch Notverordnungsrecht bestehendes Gesetzesrecht zu derogieren(…)»

Richtig wird unter Beizug einschlägiger Literatur auch gesagt: «Ein bank run, das heisst, ein schneller und unvorhersehbarer Vertrauensverlust der Kunden ist kein neues Phänomen, sondern gehört zum inhärenten Geschäftsrisiko einer Bank.» Damit wird auch der PUK widersprochen, die befand, die «too big to fail»-Vorschriften im Bankgesetz seien nicht geeignet, um eine Vertrauenskrise zu meistern.

Befremdend mutete dann aber an, dass das Bundesverwaltungsgericht auch bemängelt, dass für die AT1-Halter keine Entschädigung vorgesehen worden sei. Immerhin haben diese für hohe Zinsen ja bewusst ein Verlustrisiko auf sich genommen. «Je planmässiger die Menschen vorgehen, desto wirksamer vermag sie der Zufall zu treffen.» (Dürrenmatt).

Es wird spannend sein, wie das Bundesgericht mit dem «Fall» umgeht.