
Jetzt kann man der FDP wieder beitreten
Noch bevor der Abstimmungstermin zur Halbierungsinitiative feststeht, hat sich die FDP Aargau klar gegen die Vorlage positioniert. Mit federführend für die erste kantonale Nein-Parole, die Signalwirkung haben dürfte: der ehemalige FDP-Präsident und Ständerat Thierry Burkart. Bereits im parlamentarischen Prozess hat er sich überraschend gegen die Initiative positioniert. Noch 2023 schoss Thierry Burkart scharf gegen die SRG. Seine Position in Bezug auf die SVP-Initiative war lange ungewiss. Wie empfiehlt die FDP seines Kantons jetzt überraschend deutlich die 200-Franken-Initiative zur Ablehnung?
Lange sei der Veränderungswille bei der SRG nicht erkennbar gewesen, meint Burkart. Dies habe sich geändert, seit Susanne Wille Generaldirektorin sei. Sie hat den schwierigen Auftrag zu erfüllen, das Unternehmen SRG zu transformieren und zugleich einen massiven Angriff auf die SRG abzuwehren. Dass beide, Susanne Wille wie auch Thierry Burkart, aus dem Aargau kommen, dürfte die Unterstützung des FDP-Politikers teilweise erklären. Aber man spürte bei Burkarts Votum in der Kantonalpartei durchaus auch Herzblut für die Sache und für das Weiterbestehen des öffentlichen Medienhauses.
Burkart scheint zufrieden, dass die vom Bundesrat beschlossenen Sparmassnahmen bei der SRG mit den (teils diffusen) Forderungen seiner Partei vereinbar sind. Bis 2029 müssen 270 Millionen Franken eingespart werden. Die Gebühr für Radio und Fernsehen wird bis dann auf 300 Franken gesenkt, und zahlreiche Unternehmen werden von der Abgabe befreit. Das reiche aus. Mehr wäre fahrlässig.
Liberale Werte werden wieder wichtig
Ich komme aus einem FDP-Haushalt. Mein Vater war lange Zeit Lokalpolitiker. Zur FDP pflege ich ein ambivalentes Verhältnis. Ich bin den ursprünglichen Werten des Freisinns tief verbunden und konnte in den letzten Jahren daher umso weniger verstehen, wie sich die FDP positionierte – oder eben nicht.
Das Aargauer Nein zur Halbierungsinitiative war der erste Moment seit langem, in dem ich mich wieder gefragt habe: Ist diese Partei vielleicht doch wieder wählbar? Gewinnen die liberalen Werte, wie sie in der Bundesverfassung von 1848 verankert sind, wieder an Bedeutung?
Vor gut einer Woche haben die Delegierten der FDP Schweiz mit grosser Mehrheit Ja gesagt zum neuen Vertragspaket zwischen der Schweiz und der Europäischen Union. Die Position zu Europa war mit Spannung erwartet worden. Die Europafrage spaltet die Partei seit langem. Dabei stimmt eine klare Mehrheit der Parteibasis seit geraumer Zeit pro-europäisch ab. Es schien unklar, wie sich die Delegierten der FDP positionieren würden. Dass das Ja zu Europa so deutlich ausfiel, war die zweite FDP-Überraschung innerhalb kurzer Frist.
Der Europa-Entscheid eröffnet eine wichtige Perspektive: In Zeiten zunehmender globaler Unsicherheiten ist das Öffnen von Optionen – und nicht das Abschotten – ein freisinniger Impuls, der zentral ist für ein kleines Binnenland wie die Schweiz. Die Frage ist, ob der Freisinn sich wirklich als Brücke zwischen Wirtschafts-, Bürger:innen- und Freiheitsinteressen begreift – statt nur als eine Interessenvertretung der Industrie.
Das Co-Präsidium der Partei ist eine Chance
Klar ist: Es hängt von der neuen Parteispitze ab, wie überzeugend diese Werte kommuniziert und umgesetzt werden. Auch hier überrascht die FDP mit einem Novum: Erstmals in der Geschichte der Partei werden die Geschäfte von einem Co-Präsidium geführt. Das eröffnet ebenfalls Chancen. Eine Doppelspitze kann unterschiedliche Perspektiven bündeln. In der Vielfalt liegt Stärke – aber nur, wenn der Kurs gemeinsam getragen wird.
Das Europa-Ja der FDP zeigt: Viele Parteidelegierte sind bereit, sich zu bewegen und Verantwortung zu übernehmen. Der Europa-Diskurs verlief innerhalb der Partei nicht reibungslos. Auf ein Ständemehr bei der Volksabstimmung über die Bilateralen zu verzichten, war umstritten. Die neue FDP-Doppelspitze muss zeigen, wofür die Partei wirklich steht. Wenn das Profil scharf ist, kann sie Wählende gewinnen, die weder links noch rechts fest verankert sind, sondern nach stabilen liberalen Alternativen suchen. Vieles spricht dafür, dass der Freisinn wieder an Schwung gewinnt – nicht zuletzt, weil er sich neu aufstellt, Profil zeigt und in den Kantonen deutliche Impulse setzt.

Laura Zimmermann
Laura Zimmermann ist ehemalige Co-Präsidentin der Operation Libero und arbeitet in einer Werbeagentur. Sie schreibt regelmässig Kolumnen für CH Media.




