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«Werbung gehört nicht verteufelt»: Bürgerliche ärgern sich über Plakataktion – und über verprasste Steuergelder

Mit den neuen Plakaten «Baden ist... Ohne Werbung» will die Stadt den Konsum reflektieren, gibt aber gleichzeitig Geld dafür aus. Das sorgt bei FDP, Mitte und SVP für Empörung – und erinnert damit an die Plakat-Debatte in Zürich.

Man sieht sie, und sieht sie doch irgendwie nicht: Die neuen Plakatflächen rund um den Bahnhof zeigen seit Anfang Woche, wie Baden ohne Werbung wirken könnte (die AZ berichtete). Statt auf Markenlogos fällt der Blick auf das, was sich dahinter verbirgt – Häuserfassaden, Gleise, Wände. «Baden ist… Ohne Werbung?» steht darauf. Eine simple Frage. Doch die Antwort polarisiert.

Die Stadt will mit der Aktion zum Nachdenken über Werbung, Konsum und Nachhaltigkeit anregen. Das klingt im Grundsatz ja gut, wäre da nicht der Umstand, dass Werbung ein zentraler Bestandteil für das Gewerbe ist: Sie schafft Bekanntheit, bringt Kundschaft und steigert letztlich den Umsatz. Entsprechend schnell hagelte es Kritik von der City Com, der städtischen Vereinigung der Gewerbetreibenden und Detaillisten.

Wie viel das Experiment kostet, kann Christian Vogler, Koordinator Energie der Stadt Baden nicht beziffern. Gemäss ihm werde es hauptsächlich von den Partnern getragen – der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) und der Energiestadt Baden. Ein grosser Teil des Aufwands für Planung, Konzeption, Design, Kommunikation und Evaluation falle in Form von Arbeitsstunden bei diesen an.

Die Stadt trage lediglich die Kosten für die Miete der 13 Plakatflächen rund um den Bahnhof. Diese dürften sich auf insgesamt zirka 13’000 Franken belaufen. Ein symbolischer Versuch also, der das Budget kaum belasten dürfte – und doch mitten ins emotionale Zentrum einer grösseren Debatte trifft.

Kritik: Werbung wird als Problem dargestellt

Dass für solch eine «absurde Aktion» überhaupt Steuergelder aufgewendet werden, empört FDP-Fraktionspräsident Maurizio Savastano: «Wir wurden überhaupt nicht miteinbezogen!», ärgert er sich. Zudem verweist er auf den wirtschaftlichen Wert: Hinter jeder Werbung stecke eine Firma als Anbieter. Wolle man Werbung abschaffen, unterbreche man eine Wertschöpfungskette, was auch Arbeitsstellen kosten könne.

Letztlich werde mit den Plakaten auch die Mündigkeit der Bürgerinnen und Bürger infrage gestellt. «Lasst sie doch selber entscheiden, ob sie Werbung anschauen wollen oder nicht», so Savastanos Meinung.

Auch die Mitte Baden zweifelt das Kosten-Nutzen-Verhältnis des Pilotprojekts an: «Die Stadt soll sich auf ihre Kernaufgaben konzentrieren und nicht mit Steuergeldern Experimente finanzieren, die keinen Nutzen bringen, aber jenen schaden, die hier investieren und Arbeitsplätze schaffen», teilt sie mit. In Bezug auf die Klimaziele halte sie das Projekt ohnehin für wirkungslos.

Wenig erfreut über die Aktion ist auch die City Com. Sie findet, Werbung und Konsum haben doch auch ihr Gutes.
Sandra Ardizzone

Die begleitende Umfrage stehe zudem unter der Prämisse, dass Werbung Konsumdruck schaffe und öffentlichen Raum beschlagnahme. Statt einen offenen Dialog zu ermöglichen, werde Werbung von Beginn weg als Problem dargestellt. «Werbung ist Ausdruck von Wirtschaftsfreiheit, Unternehmergeist sowie einer aktiven Stadt und gehört nicht verteufelt», so die Mitte.

Die städtischen Werbeflächen, die nun von der Stadt beschlagnahmt wurden, werden ausserdem hauptsächlich vom lokalen Gewerbe und von Kulturschaffenden genutzt, die ihre Veranstaltungen bewerben möchten. Gerade vor der Adventszeit seien diese auf Sichtbarkeit angewiesen. «Dies ist umso störender, als Kultur zum Teil auch von der Stadt subventioniert wird», findet die Mitte. Zudem werde Baden keineswegs von Werbung überflutet.

«Die Absolutheit, in welcher der Gedanke ‹Konsum ist Weltuntergang› vorgetragen wird, zeigt die intellektuelle Schlichtheit, welche Teile der Klimaideologie mittlerweile erreicht haben», findet die SVP Baden. Abgesehen davon, dass die Stadt selbst beinahe obszön Moral zum öffentlichen Konsum anbiete, sei festzustellen, dass Plakate ja durchaus auch etwas kosten. «Das Ganze wird ermöglicht durch die Steuereinnahmen, welche von Menschen und Unternehmen stammen, die täglich für die Wertschöpfung unserer Gesellschaft einstehen, Arbeitsplätze schaffen und somit das Stadt-Sein erst ermöglichen.»

Viele Parallelen zu Reklame-Debatte in Zürich

Begrüsst wird die Kampagne hingegen von den Grünen: Sie rege auf kreative und sympathische Weise zum Nachdenken über Werbung, Konsum und den öffentlichen Raum an – ohne den moralischen Zeigefinger zu erheben. Die Diskussion, die dadurch angestossen werde, biete Gelegenheit, gemeinsam mit Bevölkerung und Gewerbe zu überlegen, wie öffentliche Flächen genutzt werden können. Dennoch ist den Grünen wichtig, dass es sich dabei um einen Pilotversuch handelt: «Wir sprechen nicht von einem Werbeverbot.» SP und Team haben bis Redaktionsschluss keine Stellungnahme abgegeben.

Dennoch lässt sich das Fazit ziehen: Links findet’s toll, rechts nicht. Dieser Diskurs erinnert stark an Zürich. Dort beschloss eine knappe rot-grüne Mehrheit des Gemeinderats im März, dass Plakatwerbung künftig stark eingeschränkt oder gar verboten werden soll. Was folgte, war heftiger Gegenwind von Mitte-rechts: Dem Gemeindepräsidenten wurden über 2000 Unterschriften gegen das Vorhaben übergeben, eine Allianz aus rund 40 Organisationen aus Wirtschaft, Kultur und Sport wurde lanciert. Das Referendum wurde bereits angekündigt.

Der Unterschied zu Baden: Hier bleibt es höchstwahrscheinlich bei einem Experiment. Denn die Parteien scheinen sich einig zu sein, dass ein Werbeverbot zu weit ginge.