
Aargauer SVP-Nationalrat kritisiert den Vergabeentscheid der SBB – und sorgt sich um «ökologischen Fussabdruck»
Der deutsche Siemens-Konzern erhält den Zuschlag für die Produktion von 116 S-Bahn-Doppelstockzügen der SBB für die Region Zürich. Die Bekanntgabe dieses Beschaffungsentscheids am Freitag ärgert SVP-Nationalrat Thomas Burgherr dermassen, dass er noch am selben Tag eine Interpellation mit dem Titel «Fragwürdige SBB-Mega-Beschaffung im Ausland» schrieb. Diese wird er in der Wintersession, die am 1. Dezember beginnt, in Bern einreichen.
Grund für seinen Vorstoss: Der Aargauer hätte es lieber gesehen, dass die Bestellung mit einem Kostenvolumen von 2,1 Milliarden Franken an die Stadler Rail gegangen wäre und die Züge in der Schweiz gebaut würden. Dafür sei nicht ausschlaggebend gewesen, dass Stadler-Verwaltungsratspräsident Peter Spuhler ein Parteikollege von ihm sei, so Burgherr, sondern seine Sorge um den Werkplatz Schweiz. Der 63-Jährige ist selbst Unternehmer sowie Mitglied der nationalrätlichen Kommission für Wirtschaft und Abgaben.
Kürzere Wege wären vorteilhaft bei Reparaturen
Von der SBB-Bestellung hätten, so Burgherr weiter, auch über 200 Zulieferbetriebe aus dem ganzen Land mitprofitiert. Er will deshalb vom Bundesrat wissen, wie viele direkte und indirekte Arbeitsplätze dieser Auftrag für die Schweiz gesichert hätte. Der SVPler fragt, ob bei der Berechnung die Steuereinnahmen mitberücksichtigt wurden, die durch dieses grosse Auftragsvolumen bei Unternehmen und Mitarbeitenden angefallen wären.
Was sonst eher von linker Seite Argumente liefert, kommt jetzt von rechts: Burgherr bringt den «ökologischen Fussabdruck» ins Spiel und sorgt sich um die Nachhaltigkeit. «Es müsste doch deutlich nachhaltiger sein, im eigenen Land zu produzieren.» Vorteile brächte dies auch für Unterhalts- und Reparaturarbeiten, sagt Burgherr. Deshalb fragt er: «Wie wurde der ‹ökologische Fussabdruck› durch Transport, Logistik und Fertigung im Ausland gegenüber einer inländischen Produktion gewichtet?» Siemens produziert die Züge hauptsächlich in Krefeld im Bundesland Nordrhein-Westfalen.

Bild: zvg
Der Aargauer attestiert den Ostschweizer Stadler-Zügen «hohe Zuverlässigkeit, Serviceleistungen und Verfügbarkeit, etwa im Gegensatz zu anderen im Ausland beschafften Zügen». Wie wurde das in der Auswertung berücksichtigt?
In seiner Eigentümerrolle bei den SBB sollte der Bundesrat, nach Thomas Burgherrs Verständnis, strategische Landesinteressen wie Beschäftigung, Know-how, Innovation und Versorgungssicherheit beim Beschaffungsentscheid einbringen. Welche Strategie verfolgt der Bundesrat in diesem Bereich?
Es gab drei Anbieter aus drei Ländern
Schliesslich will der Aargauer Informationen zu allfälligen Rekursmöglichkeiten beim aktuellen Vergabeentscheid. Peter Spuhler hat bereits angekündigt, dass Stadler Rail einen Rekurs prüft. Nur 0,6 Prozent teurer als jenes von Siemens sei das eigene Angebot gewesen.

Visualisierung: SBB/Siemens
SBB-Chef Vincent Ducrot sagte vor wenigen Tagen, der Produktionspreis sei nur ein Faktor. Siemens habe ein Angebot gemacht, dass bei den Kosten über die gesamte Lebensdauer hinweg sehr attraktiv sei, und auch im Hinblick auf Stromverbrauch und Nachhaltigkeit gepunktet. In der Gesamtbeurteilung setzte sich Siemens laut Ducrot mit «nicht diskutierbarem Abstand» durch. Drei Firmen machten bei dieser Ausschreibung mit.
Im Grundsatz will auch Thomas Burgherr, dass die öffentliche Hand günstig an ihre Ware kommt. «Im aktuellen Fall kann ich mir einfach nicht vorstellen, dass Stadler Rail nicht gut offeriert hat.» Deshalb will er nun Antworten vom Bundesrat.
In den letzten 25 Jahren investierten die SBB 14 Milliarden Franken in neues Rollmaterial. Stadler Rail holte sich 72 Prozent dieses Volumens, der französische Anbieter Alstom 21 Prozent und Siemens 7 Prozent. Stadler erhielt 2021 ausserdem den Zuschlag für 286 einstöckige Regionalzüge für die ganze Schweiz mit einem Auftragsvolumen von rund 2 Milliarden Franken.




