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Abschrankung spiesste Auto auf: Freispruch für den Lattenwerfer

Es war ein dummer Akt, der für einen jungen Autofahrer in Aarau tödlich hätte enden können: Eine herunter geworfene Baustellenlatte durchbohrte seine Windschutzscheibe. Erst gab es eine saftige Strafe für den Täter, jetzt entschied das Obergericht anders.

Es muss ein grosser Schreck für den Autofahrer gewesen sein, als er in jener Sommernacht plötzlich rot sah. In diesem Falle ist dies wörtlich gemeint, denn der BMW des damals 22-Jährigen wurde im Juli 2023 von einer rot-weissen Baustellenlatte getroffen, die auf der Fahrerseite die Windschutzscheibe durchbohrte und dort stecken blieb. Der Fahrer trug nur einen Schock davon. «Der Mann hatte viel Glück im Unglück und blieb unverletzt», hiess es damals seitens der Kantonspolizei Aargau.

Doch woher kam die Baustellenabschrankung angeflogen? Der Autofahrer war an jenem Sonntagmorgen gegen 3 Uhr auf der Aarauer Mühlemattstrasse Richtung Schachen unterwegs. Kurz nachdem er durch die Unterführung Richtung Schiffländestrasse, beziehungsweise unter dem Zollrain hindurchgefahren war, wurde sein Auto förmlich von der Baustellenabschrankung aufgespiesst. Jemand hatte die Abschrankung vom Zollrain, wo damals eine Baustelle installiert war, auf die darunterliegende Fahrbahn geworfen. Fraglos, ein äusserst dummer Akt. Jedoch blieb erst unklar, wer diesen stupiden Einfall hatte. Die Kantonspolizei suchte nach dem Vorfall dringend Zeugen.

Schlussendlich konnte der Lattenwerfer dank Videoaufnahmen und Zeugenberichten identifiziert werden. Es handelte sich um einen heute 27-jährigen Afghanen. Im August 2024 wurde er vom Bezirksgericht Aarau wegen Gefährdung des Lebens und Sachbeschädigung verurteilt. Er kassierte eine bedingte Freiheitsstrafe von 17 Monaten bei einer Probezeit von vier Jahren. Dazu kamen eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen à 80 Franken sowie eine Busse von 2000 Franken und ein Landesverweis von fünf Jahren.

Täter hatte «schwierige Phase mit viel Alkoholkonsum»

Doch der Mann wehrte sich gegen dieses Urteil, er zog den Fall weiter ans Obergericht und forderte einen Freispruch. An der Verhandlung von Montagmorgen folgte das Obergericht diesem Antrag, der Afghane ging als freier Mann aus der Verhandlung, wie der Regionalsender TeleM1 berichtete.

Das Gericht bezweifelte nicht, dass der Mann die Holzlatte von der Brücke auf die Strasse geworfen habe. Dies bestätigte auch Aaron Zigrino, der als Zeuge bei der Verhandlung erschien. Er war an jenem Abend mit Freunden auf dem Heimweg von einem Jugendfest und erinnert sich an jenen Abend: «Wir haben eine Person wahrgenommen, welche die Latten bei der Baustelle abgeräumt hat. Wir wollten erst umkehren, aber dann dachten wir, dass es schon spät ist. Wir wollten nur noch nach Hause.»

Dem Obergericht fehlte der direkte Vorsatz – also, dass der Lattenwerfer absichtlich das Leben von Menschen gefährdet habe. Bei der Verhandlung konnte sich der Mann weder an die Tat noch an den ganzen Abend erinnern. Er sagte, er habe familiäre Probleme gehabt und war in einer «schwierigen Phase mit viel Alkoholkonsum». Staatsanwältin Kathrin Wyss sagte nach dem Freispruch, dass das Gericht ein rechtliches Problem gesehen habe und das sichere Wissen, das es für eine Gefährdung des Lebens braucht, nicht gegeben sei. «Es war mitten in der Nacht und er musste nicht damit rechnen, dass in diesem Moment Autos unten durchfahren», so Wyss. Die Staatsanwaltschaft kann das Urteil weiterziehen.

Urteil SST.2024.245