
Parmelin in Washington – Zollstreit vor Lösung? 5 Dinge, die Sie wissen sollten
Plötzlich geht es Schlag auf Schlag im Zollstreit: Am Mittwochabend haben Bundesrat Guy Parmelin und Helene Budliger Artieda, Chefin des Staatssekretariats für Wirtschaft, einen internen Personalanlass in Bern frühzeitig verlassen, um in die USA zu reisen. Der Bundesratsjet landete donnerstags um 5:21 Uhr (Schweizer Zeit) am Flughafen von Washington D.C. Zeit für Erholung blieb wenig: Gleichentags waren hochrangige Gespräche zu einem möglichen Zolldeal geplant. Wir beantworten die wichtigsten Fragen.
1. Wen trifft Guy Parmelin in Washington?
Der Schweizer Wirtschaftsminister Guy Parmelin hatte am Donnerstagabend einen Termin beim US-Handelsbeauftragten Jamieson Greer. Dessen genauer Zeitpunkt wurde im Verlauf des Tages von US-amerikanischer Seite mehrfach verschoben. Das Treffen begann schliesslich kurz vor 22 Uhr. Nach dem Video-Call vom letzten Freitag tauschten sich die beiden Männer also zum zweiten Mal innert sieben Tagen miteinander aus.
Greer ist von der US-Seite zuständig, eine Lösung mit der Schweiz zu finden. Er erhielt letzte Woche den entsprechenden Auftrag von Donald Trump. Der US-Präsident zeigte sich zuletzt offen für mögliche Zollsenkungen für die Schweiz. Am Montag sagte er vor Journalisten: «Wir arbeiten an einem Deal, um die Strafzölle ein bisschen zu senken.» Und weiter: «Wir haben sie hart getroffen – aber wir wollen, dass die Schweiz erfolgreich bleibt.»
2. Was ist das Ziel der Schweiz?
Seit dem 1. August belegen die USA Einfuhren aus der Schweiz mit einem zusätzlichen Strafzoll von 39 Prozent. Für Güter aus der EU gilt ein tieferer Satz von 15 Prozent. Das grosse Ziel der Schweiz ist es daher, zumindest den Zollnachteil gegenüber den europäischen Nachbarn zu beseitigen. Mit den verbleibenden Zöllen würde man sich gezwungenermassen abfinden. Besonders hart treffen die 39-Prozent-Zölle die Uhren- und die Maschinenindustrie sowie Hersteller von Präzisionswerkzeugen.
Der Bundesrat hoffe sehr, dass man es schaffe, eine Übereinkunft zu finden, sagte Bundesrat Martin Pfister am Donnerstag, als er anlässlich des Zukunftstages den CH-Media-Hauptstandort in Aarau besuchte. «Wie es ausgeht, wissen wir nicht. Aber ich bin zuversichtlich. Wir haben einige Anstrengungen unternommen.»
3. Zu welchen Konzessionen ist die Schweiz bereit?
Offen ist, was die Schweiz den USA genau angeboten hat. Durchgesickert, aber unbestätigt, sind der Kauf von Flüssiggas und eventuell Rüstungsgüter sowie Investitionsversprechen von privaten Unternehmen. Ebenso könnte die Schweiz Konzessionen beim Marktzugang für gewisse Agrarprodukte machen und etwa den Import von Chlorhühnern erlauben. Derzeit dürfen amerikanische Poulets, die nach der Schlachtung in einem Chlorbad landen, nicht eingeführt werden.
Am letzten Wochenende wurde zudem eine neue Forderung aus Amerika publik: Gemäss der «NZZ» soll die US-Regierung verlangen, dass sich die Schweiz dem amerikanischen Sanktionsregime anschliesst. Die Forderung provozierte in der Schweizer Politik sogleich von links bis rechts Widerstand.
Klar ist allemal: Derzeit spricht der Bund mit den USA über eine Absichtserklärung, mit dem Ziel, dass Trump die Zölle für die Schweizer Importe rasch senkt. Erst danach würden aber die Verhandlungen über ein rechtlich verbindliches Abkommen beginnen. Käme dieses zustande, müsste es wiederum vom Parlament genehmigt werden.
4. Sind die Schweizer Milliardäre für den möglichen Durchbruch verantwortlich?
Letzte Woche war eine Schweizer Wirtschaftsdelegation im Oval Office bei Donald Trump zu Gast. Wie wichtig war dieses Treffen? Einige Beobachter finden: Die Unternehmer-Truppe ist vor allem gut darin, sich selbst zu verkaufen. Handkehrum lässt sich nicht von der Hand weisen, dass das Vorpreschen der Unternehmer zeitlich mit dem neuen Schwung im Ringen um einen Zolldeal zusammenfällt.
Zu hören ist, dass das Treffen dem Dossier «Schweiz» bei Trump wieder mehr Aufmerksamkeit verschaffte und dazu führte, dass der US-Präsident im Anschluss die personellen Verantwortlichkeiten in seiner Regierung klärte.
5.Weshalb ist man in Bern noch zurückhaltend?
Beim Wirtschaftsdepartement bemüht man sich, trotz Parmelins USA-Reise die Erwartungen tief zu halten. Es handle sich um weitere Gespräche, das Unterzeichnen einer Absichtserklärung sei am Donnerstag nicht vorgesehen, hiess es vor dem Treffen mit Greer.
An einen Deal glaubt man in Bern erst, wenn auch Trump seinen Segen gegeben hat. Den gleichen Fehler wie im Sommer will man nicht mehr machen. Damals dachte die Schweiz, einen tieferen Zollsatz als die EU zu bekommen – von 10 Prozent war die Rede. Der Ausgang ist bekannt: Trump stellte sich gegen die ausgehandelte Absichtserklärung, und das Telefonat mit Karin Keller-Sutter endete mit der 39-Prozent-Zoll-Quittung.




