
Aargauer Apotheken-Personal soll Alarmsignale von häuslicher Gewalt erkennen
Eine Kundin kauft plötzlich häufiger Schmerzmittel und Verbandsmaterial. Ein Stammkunde nimmt seine Medikamente nicht mehr regelmässig. Diese beiden Beispiele können subtile Anzeichen für häusliche Gewalt sein. Das Personal von Aargauer Apotheken soll solche Alarmsignale erkennen. Dazu lanciert der Kanton ein E-Learning-Programm, wie er mitteilt.
Sensibilisierung für Thema und das nötige Rüstzeug
Mit dem Kurs soll der professionelle Umgang von Fachpersonen mit häuslicher Gewalt und Gewalt gegen Frauen nachhaltig gestärkt werden. In einer vierstündigen Schulung sollen die Mitarbeitenden lernen, worauf es zu achten gilt und welche Anlaufstellen die richtigen sind. Falls das Personal ein Warnzeichen erkennt, soll die möglicherweise betroffene Person auf das Angebot von Anlaufstellen hingewiesen werden. Meldungen direkt an die Behörden sind nicht Teil dieser Massnahme.
Der Schweizerische Apotheken-Dachverband hat die Weiterbildung zertifiziert. Die Schulung steht den Aargauer Apotheken seit Mai 2025 zur Verfügung. Die Kosten pro Kurs von 110 Franken übernimmt der Kanton.
Entwickelt wurde der Kurs vom Gleichstellungsbüro und der Kantonsapotheke des Kantons Waadt. Die Aargauer Fachstelle Häusliche Gewalt hat die Schulung in Zusammenarbeit mit dem Aargauischen Apothekerverband für den Kanton angepasst.
«Wir wollen Betroffene an die richtige Anlaufstelle weiterleiten»
Apotheken sind eine niederschwellige Anlaufstelle, die überdurchschnittlich oft von Gewaltbetroffenen beansprucht werde, schreibt der Kanton in seiner Mitteilung.
Der Präsident des Aargauischen Apothekerverbands, Hans Jürg Engel, kennt selbst einen Fall, in dem eine Person auffällig oft Schmerzmittel bezog. Parallel stellte sich heraus, dass die Person von häuslicher Gewalt betroffen ist. Unter anderem wegen diesem Fall sagt Engel: «Wir wollen Betroffene an die richtige Anlaufstelle weiterleiten.»

Bild: zvg
Die Nähe zu Kundinnen und Kunden und regelmässiger Kontakt helfen den Apotheken, Veränderungen festzustellen, die darauf hinweisen, dass eine Person häuslicher Gewalt ausgesetzt ist. Dies können offensichtlichere Anzeichen wie blaue Flecken sein oder subtilere Zeichen wie eine auffällige Verhaltensveränderung. «Wir versuchen aber auch bei einmaligen Einkäufen anhand der Tonalität zu erkennen, ob die Person einer Bedrohung ausgesetzt ist», sagt Engel.
Massnahmenplan gegen Gewalt
Das Weiterbildungsangebot ist ein Teil von 13 Massnahmen, die der Regierungsrat gegen häusliche Gewalt und Gewalt gegen Frauen entwickelt. Zu der Umsetzung ist der Kanton wegen der Istanbul-Konvention von 2022 verpflichtet.
Als weiteres Angebot plant der Kanton eine Lancierung eines E-Learningmoduls mit dem Thema Gewalt im Alter. Ab 2026 soll auch diese Schulung dem Aargauer Apothekenpersonal zur Verfügung stehen.
Häusliche Gewalt: Hilfe und Unterstützung
Polizei-Notruf: 117 (24h)
Opferberatung Aargau: 062 835 47 90
Anlaufstelle gegen Häusliche Gewalt: 062 550 20 20
Frauenhaus Aargau-Solothurn: 062 823 86 00 (24h)
Die Dargebotene Hand: 143 (24h)
Weitere Adressen und Informationen zu häuslicher Gewalt des Kanton Aargau: www.ag.ch/stoppgewalt