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Steigende Immobilienpreise, wachsende Bevölkerung – und verlorene Jugendliche

Das 19. Wirtschaftssymposium Aargau im Aarauer KuK war gekennzeichnet von hochkarätigen Vorträgen und von düsteren Aussichten für die heutige Jugend. Diese könne sich kaum noch konzentrieren, sei stark suchtanfällig – und werde aus wirtschaftlichen Gründen vermehrt bis spät bei den Eltern wohnen.

Während das WEF in Davos die Aufmerksamkeit der internationalen Wirtschaftswelt an sich zieht, fand mit dem 19. Aargauer Wirtschaftssymposium ein viel kleinerer, vermeintlich unbedeutender Anlass statt. Von der Qualität der Vorträge aber überzeugte dieser sehr. Überrascht darüber waren langjährige Teilnehmende nicht, wie in Gesprächen im KuK in Aarau zu hören war. Das Niveau blieb hoch.

Star unter den diesjährigen Referierenden war Donato Scognamiglio, VR-Präsident des Informations- und Ausbildungszentrums für Immobilien (Iazi). In seinem humorvollen, informativen Referat zur Lage des Schweizer Immobilienmarkts stellte er klar: Trotz Zinswende kühlt sich der Markt nicht ab, sondern startet eher durch. «Vor allem, wenn man die neuesten Zahlen im Eigenheimbereich betrachtet.»

Anders als in den Nachbarländern stiegen die Preise hierzulande weiterhin. Die Schweiz sei «ultraattraktiv». Und die Zehn-Millionen-Schweiz, die komme ganz bestimmt.

Immobilienmarktspezialist Donato Scognamiglio bei seinem Vortrag am Wirtschaftssymposium Aargau im KuK in Aarau.
Bild: Sandra Ardizzone

Eindrücklich waren dazu die Grafiken, mit denen er den starken Bevölkerungsanstieg der letzten Jahre in gewissen Aargauer Regionen aufzeigte. Lenzburg zum Beispiel wuchs zuletzt rasant an und belegt aktuell Platz eins unter den am stärksten wachsenden Zentren, vor Frick und Aarburg, das zuletzt mächtig zulegte.

Klar sei, dass die Immobilienpreise auch in diesen Regionen angestiegen, aber dort könne man sich Eigenheime noch leisten, erklärte Donato Scognamiglio. So bleiben werde dies aber kaum. Junge Erwachsene, die sich heute – dank Zustupf der Eltern – noch WG-Zimmer in Zürich leisten könnten, würden in den nächsten Jahrzehnten wohl vermehrt doch länger bei den Eltern wohnhaft bleiben. Italienische Verhältnisse dürften einst auch in der Schweiz auftreten.

Donato Scognamiglio geht auch davon aus, dass dereinst neues Bauland eingezont wird. Für die Zukunft sieht er ein Alterungs- und Klimaproblem und prophezeit: «Es wird dichter, es wird Verteilkämpfe geben.» Und die Menschen werden sich kaum mit weniger zufriedengeben wollen, als sie heute haben.

«Im Endeffekt ist jedes neue Kleidungsstück nicht notwendig für die Welt»

Ressourcenknappheit stand beim anschliessenden Interview mit Nicholas Hänny im Fokus, der sich mit seiner Marke Nikin in Lenzburg für «nachhaltige Mode zu bezahlbaren Preisen» einsetzt. «Es macht keinen Sinn, das nachhaltigste Produkt zu schaffen, wenn es sich niemand leisten kann», sagte er und erklärte, warum vieles nicht in der Schweiz hergestellt werden kann, aber immerhin in Europa.

«Im Endeffekt ist jedes neu produzierte Kleidungsstück eigentlich nicht notwendig für die Welt. Wir versuchen aber, ein Gleichgewicht hinzubekommen.» Man könne etwa Bewusstsein schaffen und vermehrt auf Kreislaufwirtschaft setzen.

Nikin-Chef Nicholas Hänny im Interview am Wirtschaftssymposium.
Bild: Sandra Ardizzone

Cybersicherheit «wie Zähneputzen am Abend»

Bewusstsein, jedoch zu einem ganz anderen Thema, was das Schlüsselwort beim überraschend mitreissenden Referat von Florian Schütz, dem Delegierten des Bundesamts für Cybersicherheit. Er plädierte dafür, dass vor allem auch KMU das Thema ernst angehen. Viele Cyberangriffe seien erfolgreich, weil der nötige Schutz vernachlässigt werde.

«Das ist wie Zähneputzen am Abend: Firmen müssen ihre Systeme aktuell halten, dann kommt das gut.» Man müsse nicht jedes Detail unter absoluter Kontrolle haben, aber mindestens das Nötige machen, damit sich Angriffsversuche gar nicht erst lohnen.

Florian Schütz, Delegierter des Bundesamts für Cybersicherheit.
Bild: Sandra Ardizzone

Achtsamkeitstrainings für die Generation Z

Am meisten für gedankliche Nachwehen sorgen dürften die Ausführungen zur Zukunft des Arbeitsmarkts und dem Einfluss der neuen Technologien, insbesondere auf die Generation Z, die aktuell Unter-30-Jährigen.

Martina Zölch, Expertin für Personalmanagement an der FHNW, stellte klar: Was diese Generation ausmache, sei, dass sie mit sozialen Medien aufgewachsen ist. Konzentrationsfähigkeit über einen längeren Zeitraum sei bei diesen Menschen das akuteste Problem, gefolgt von Defiziten beim kritischen Denken und von einer fast zwanghaften Nachfrage nach Rückmeldungen. «Im Betriebswirtschaftsstudium starten wir deshalb neu mit Achtsamkeits- und Konzentrationstrainings», sagte sie.

Volle Ränge beim Wirtschaftssymposium im Aarauer KuK: Dank durchgehend mitreissenden Vorträgen blieb die Aufmerksamkeit des Publikums stets hoch.
Bild: Sandra Ardizzone

Selbstdisziplin üben, «vor allem für unsere Jugendliche»

Unterstrichen wurden diese Aussagen mit Erkenntnissen aus der Wissenschaft: Lutz Jäncke, Professor für Neuropsychologie, erläuterte eingehend die eher pessimistischen Szenarien für die unmittelbare Zukunft der Menschheit. Smartphones und soziale Medien hätten so schnell wie nie zuvor zu tiefgreifenden Veränderungen geführt. Betroffen sei das Impulskontrollsystem der Menschen.

«Wir sind nicht zu Multitasking geeignet», sagte er, «die Informationsflut überfordert uns.» Menschen verlieren die psychologische Funktion zu dem, was uns am Leben hält: Selbstdisziplin und Konzentrieren auf das Wesentliche. Durch Disziplin den Genuss hinauszögern, das könne nur der Mensch. Ohne Training schrumpfe der dazu nötige Frontalkortex im Hirn aber zunehmend, zeigen Studien.

«Wir müssen mehr Selbstdisziplin üben, gerade für unsere Jugendliche.» Ohne Disziplin scheitern bereits sehr viele am Berufsalltag. «Sie sind in grösster Gefahr, Süchte für alles Mögliche zu entwickeln.»