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Zu Besuch im Wohnzimmer von Familie Biber

Auf der Wanderung ins Naturwaldreservat Langholz lernten die Teilnehmenden, wie das Gebiet wiedervernässt wurde und welche Tier- und Pflanzenarten sich seither heimisch fühlen.

Hunderte Leute stiegen am Bahnhof in Zofingen aus, mit festem Schuhwerk und Proviant, bereit für die Abo+-Wanderung von CH Media, organisiert und durchgeführt von den Aargauer Wanderwegen. Wie sich rasch herausstellte, wollten nicht alle am Ausflug ins Naturwaldreservat Langholz teilnehmen – einige hatten auch das Heitere Open Air zum Ziel. Doch die Highlight-Wanderung war ausgebucht, 60 Teilnehmende begaben sich am Freitagabend auf die rund zehn Kilometer lange Route. Unter ihnen auch der Rothrister EDU-Grossrat Martin Bossert.

Nach einem Start, der dank Sonne und Steigung die Gruppe ins Schwitzen brachte, waren die meisten froh über einen kurzen Zwischenhalt am Waldrand. Wanderleiter Walter Oettli gab einiges aus der Geschichte Zofingens und der Region zum Besten – etwa, dass früher die langen Baumstämme bis nach Genua exportiert wurden, wo aus ihnen Schiffsmasten wurden.

Besonders für gefährdete Arten enorm wichtig

Im Naturwaldreservat Langholz erklärte Revierförster Erwin Städler, was hier in den letzten 15 Jahren passiert ist. Das Reservat liegt in einer natürlichen Senke. Einst feucht und nass, wurde das Gebiet durch ein Grabensystem entwässert und für die Forstwirtschaft nutzbar gemacht. 2010 hat man die alten Gräben verschlossen und neue Dämme erstellt, und das Gebiet damit wiedervernässt, wie es die Experten ausdrücken. «Der Vergleich mit bewirtschafteten Waldflächen zeigt, dass wir hier ein signifikant höheres Aufkommen von seltenen und gefährdeten Arten haben», sagte Städler.

Revierförster Erwin Städler, erklärte, was es im Naturwaldreservat alles zu entdecken gibt.
Bild: Dominic Kobelt

«In dem wechselfeuchten bis nassen Gebiet gibt es mittlerweile fünf Spechtarten, die brüten, darunter auch der gefährdete Mittelspecht», erklärte der Experte der Wandergruppe. 18 Libellenarten durchfliegen das Gebiet majestätisch, sie teilen sich den Luftraum mit acht Fledermausarten. Und mit einem Tier, das unter den Besucherinnen und Besuchern weniger Anklang fand: Im Langholz gibt es 17 verschiedene Mückenarten. «Das wissen wir sehr genau, weil eine Biologin hier ihre Doktorarbeit gemacht hat – Studentinnen und Studenten sassen mit entblössten Armen hier, um sich stechen zu lassen», erinnerte sich Städler.

Dem Biber passt nicht alles, was gemacht wird

Auch Erdkröten und verschiedene Käfer fühlen sich hier ausgesprochen heimisch. Am augenfälligsten ist aber die Präsenz des Bibers, der bei der Umgestaltung des Waldes fleissig mithilft. «Im letzten Winter hatten wir sieben Stück hier», sagte Städler. Damit auch in trockenen Sommern noch Wasser vorhanden ist, wurde der kleine See etwas tiefer ausgebaggert. «Der Biber ist aber noch nicht zufrieden damit, im Auslauf hat er begonnen zu stauen», so Städler.

Der Biber hat hier einen eindrücklichen Bau errichtet.
Bild: Dominic Kobelt

Wie der Revierförster erklärt, gab es auch skeptische Stimmen gegen die Pläne, das Gebiet wieder näher an seinen ursprünglichen Zustand heranzuführen. Mit den Besitzern wurde vereinbart, dass sie ihren Wald 50 Jahre lang nicht nutzen, dafür erhalten sie eine Entschädigung. Das Projekt ist Teil des «Naturschutzprogramms Wald» – bis im Jahr 2025 soll dem Naturschutz auf 10 Prozent der Waldfläche Priorität eingeräumt werden. Auf weiteren 7 Prozent werden spezifische Schutzziele in die Nutzung integriert.

Viele Besucher bringen auch Schattenseiten

Ein Ausflug ins Langholz lohnt sich ungemein. Auch wer kein Experte ist, erkennt, dass hier die Natur ihre eigenen Wege findet, dass sich hier zwischen Totholz, vom Biber gefällten Bäumen und bei viel Licht eine ganz besondere Flora und Fauna gebildet hat. Allerdings bringt genau diese faszinierende Landschaft auch wieder Nachteile mit sich, wie Städler sagt: «Es ist schön, dass die Menschen hierherkommen und die Natur geniessen – leider gibt es auch immer wieder Spaziergänger, Velofahrerinnen oder auch Reiter, die die offiziellen Wege verlassen und damit Schäden anrichten.»

Somit hatten die Wanderinnen und Wanderer auf dem Weg zum Bahnhof Rothrist viel zu diskutieren – und während sich die Gespräche auf dem ersten Wegstück noch um Enkel, Beruf und Hobbys gedreht hatten, waren nun der Biber und seine grosse Auswirkung auf die Landschaft Thema Nummer 1.

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