
Mitte-Grossrätin: «Eine der wichtigsten Steuerreformen der letzten Jahrzehnte»
Im Kanton Aargau ist der Eigenmietwert per 1. Januar 2025 auf 62 Prozent der Marktmiete festgelegt worden, verbunden mit einer Neubewertung aller rund 250’000 Liegenschaften auf einer aktuellen Wertebasis und mit einem neuen Bewertungsmodell. Die letzte Schätzung stammte von 1998.
Der Eigenmietwert ist ein fiktives Einkommen, das Eigentümer von selbstgenutztem Wohneigentum versteuern müssen. In der Schweiz wurde die Steuer 1915 als Kriegssteuer eingeführt, um Zollerträge, die während des Ersten Weltkriegs ausblieben, zu kompensieren. Nach der Weltwirtschaftskrise sollte sie mithelfen, den Staatshaushalt ins Gleichgewicht zu bringen. Erst 1958 wurde der Eigenmietwert durch eine Volksabstimmung ins reguläre Recht überführt.
Seit Jahren gibt es Bemühungen, diese Steuer wieder abzuschaffen. Am 28. September entscheidet das Schweizer Stimmvolk an der Urne darüber. Für die entsprechende Verfassungsänderung braucht es das Volks- und Ständemehr. Diese erlaubt den Kantonen, eine Objektsteuer auf Zweitliegenschaften einzuführen. Rechtlich ist die Vorlage mit der Abschaffung des Eigenmietwerts verknüpft, die das Parlament Ende 2024 beschlossen hat.
Breite Allianz für den Systemwechsel
Am Montag lancierten die Befürworter auf nationaler Ebene den Abstimmungskampf. Einen Tag später trat das «Überparteiliche Aargauer Komitee für die Abschaffung des Eigenmietwerts» in Aarau vor die Medien. Für den Systemwechsel warben die Grossratsmitglieder Jeanine Glarner (FDP, Präsidentin Hauseigentümerverband HEV Aargau); Christian Minder (Co-Präsident EVP Aargau); Sabina Freiermuth (Präsidentin FDP Aargau); Roland Haldimann (Präsident EDU Aargau); Karin Koch Wick (Co-Parteipräsidentin Die Mitte Aargau) und Nationalrat Andreas Glarner (Präsident SVP Aargau).

Bild: Raphaël Dupain
Jeanine Glarner spricht von einem fiktiven Einkommen, einer Geistersteuer auf Wohneigentum sowie einer Ungleichbehandlung gegenüber Mietern. «Es wird etwas besteuert, das es nicht gibt», hält die HEV-Präsidentin fest. Das sei, wie wenn man Schmuck versteuern müsste, weil man ihn gegen Entgelt ausleihen könnte.
«Wer vorsorgt und in sein eigenes Daheim investiert, soll nicht jedes Jahr zur Kasse gebeten werden», sagt Karin Koch Wick. Für sie ist die Vorlage eine der wichtigsten Steuerreformen der letzten Jahrzehnte. Der langfristige Spareffekt wiege die wegfallenden Abzugsmöglichkeiten auf.
Entlastung für ältere Hausbesitzer
Roland Haldimann sieht den aktuellen Systemfehler im fehlenden Anreiz zum Schuldenabbau. Im internationalen Vergleich habe die Schweiz eine hohe private Hypothekarverschuldung. «Die Besteuerung des Eigenmietwerts bei abbezahlter Hypothek ist besonders belastend für Rentnerinnen und Rentner», so der EDU-Präsident. Weniger Schulden bedeute mehr Sicherheit.

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Junge Familien werden beim Immobilienerwerb laut Christian Minder nicht benachteiligt. Durch den Ersterwerbsabzug für die Dauer von bis zu zehn Jahren können Schuldzinsen abgezogen werden. Dadurch sei der Einstieg ins Wohneigentum auch in der Anfangsphase steuerlich tragbar.
Mit dem Wegfall der Eigenmietwertsteuer haben Immobilienbesitzer mehr Kaufkraft. Sabina Freiermuth sagt, das Geld bleibe dort, wo es Wirkung entfalten könne, bei den Menschen und in der regionalen Wirtschaft für Ausgaben im Baugewerbe, Handwerk und Detailhandel. Der Unterhaltsabzug für die vielen vermieteten Liegenschaften bleibe bestehen.

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Die Schätzung des Eigenmietwerts und die Beurteilung von werterhaltenden oder wertvermehrenden Investitionen führe oft zu Streitigkeiten mit Steuerämtern, fügt Andreas Glarner ins Feld. Der Systemwechsel führen zu einem Bürokratieabbau und entlaste die Steuerverwaltungen.
Für Gemeinden könnte es schwierig werden
Bei einem Ja zur Vorlage wolle der HEV nicht, dass der Aargau eine Objektsteuer auf Zweitliegenschaften einführe. Diese Frage stelle sich eher in Berg- und Tourismuskantonen, sagt Präsidentin Jeanine Glarner. Bei einer Abschaffung des Eigenmietwerts würden dem Aargau jährlich 50 Millionen Franken an Kantonssteuern und 46 Millionen Gemeindesteuern fehlen. Der Kanton sei finanziell gut aufgestellt, bei den Gemeinden könnte es – je nachdem – schwieriger werden, räumt Koch Wick ein.
Auch von linker Seite gibt es Sympathien für die Abschaffung des Eigenmietwerts. Anders als die nationale Partei hat die Grüne Aargau vor wenigen Tagen Stimmfreigabe beschlossen. Bereits vor den Sommerferien fasste die SP Aargau die Nein-Parole. Während reiche Immobilienbesitzer entlastet würden, würden Mieterinnen und junge Familien zur Kasse gebeten, so der Tenor in der SP. Die GLP Aargau fasst ihre Parolen für die nationalen Abstimmungen vom 28. September am Freitag.