
Gericht weist Beschwerde der SP ab: Kanton habe «sachlich und transparent» über das neue Steuergesetz informiert
Die SP Aargau hatte eine Beschwerde zu den Abstimmungsunterlagen der Steuergesetzrevision eingereicht. Sie forderte, dass der Kanton das Büchlein mit weiteren Beispielen ergänzt. Ansonsten sei die Abstimmung zu verschieben oder ein Ja an der Urne für ungültig zu erklären. Nun hat das Verwaltungsgericht über die Beschwerde befunden. Sein Urteil ist per sofort öffentlich: Es weist die Beschwerde ab.
Die SP hatte geltend gemacht, die Abstimmungsbroschüre sei irreführend. Die darin enthaltenen Beispiele würden die Mehrheit der Steuerpflichtigen aussparen, welche von der Gesetzesrevision nicht oder kaum profitieren. Zudem fehlten auch Personen mit besonders hohem Vermögen und Einkommen, die stark entlastet würden.
Das Verwaltungsgericht kommt zum Schluss, dass die beanstandeten Beispiele nicht losgelöst von den übrigen Teilen der Abstimmungsbroschüre beurteilt werden dürfen, wie es am Mittwoch mitteilt. Die Wirkung sei in den Gesamtzusammenhang zu setzen. Die Kritikpunkte der SP seien unbegründet. Der Aargauer Regierungsrat habe hinreichend sachlich und transparent über die Steuergesetzrevision und deren Auswirkungen informiert.
Beispiele «weder unsachlich noch irreführend»
In der Broschüre werde klar ausgeführt, dass bei Annahme der Revision etwa die Hälfte der Steuerpflichtigen von niedrigeren Steuern profitiere und sich für die übrigen nichts ändere. Diese unmissverständliche Aussage steht direkt über der Tabelle mit den Beispielen. Für das Gericht ist die Befürchtung der SP nicht nachvollziehbar, «die Stimmberechtigten würden die Beispiele fälschlicherweise so interpretieren, dass sämtliche Bevölkerungsteile von Steuersenkungen profitierten».
Zusammenfassend hält das Gericht fest: «Der Regierungsrat hat weder für den Entscheid der Stimmberechtigten wichtige Elemente unterdrückt noch für die Meinungsbildung bedeutende Gegebenheiten verschwiegen.» Die Beispiele seien weder unsachlich noch irreführend, sondern dienten dazu, die mit der Vorlage eintretenden Auswirkungen zu veranschaulichen. Dies ist laut dem Urteil für den Prozess der Meinungsbildung wünschenswert.
Der Regierungsrat zeigt sich in einer Medienmitteilung erfreut über das Urteil. Er sei jederzeit überzeugt gewesen, die Abstimmungsbroschüre korrekt abgefasst zu haben. Die Abstimmung werde planmässig am Sonntag, 18. Mai, stattfinden. Er empfiehlt die Steuergesetzvorlage zur Annahme.
SP hält an ihrem Argument fest
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig und kann an die nächste Instanz weitergezogen werden. Ob die SP Aargau das tun wird, ist offen. Auf Anfrage sagt Carol Demarmels, SP-Grossrätin und Finanzpolitikerin, die involvierten Parteien müssten sich zuerst detailliert mit dem Urteil beschäftigen, bevor sie sich dazu äussern könnten.
In ihrem Hauptargument sieht sich Demarmels aber bestätigt: «Die Beispiele in der Abstimmungsbroschüre sind nicht repräsentativ.» Sie sparten 80 Prozent der Bevölkerung aus, das habe der Regierungsrat auch nie bestritten. Das Gericht habe nun lediglich entschieden, dass es in der Broschüre keine repräsentativen Abbildungen braucht, wenn im weiteren Text erläutert wird, dass vor allem die oberen 10 Prozent profitieren.
«Diese Broschüre hat nicht informiert, sondern geschönt», sagt Demarmels. «Sie verschleiert, dass 150 Millionen hauptsächlich an die Vermögendsten in diesem Kanton gehen.» Dazu schreibt die SP in einer Medienmitteilung: «Nur eine kleine, sehr reiche Minderheit profitiert wirklich von dieser Vorlage, der Rest geht praktisch leer aus.»
Gericht verweist auf Steuererklärung
Die SP sei aber überzeugt, dass vielen weiterhin unklar ist, dass eine Familie mindestens 224’000 Franken auf dem Konto haben muss, um von der Vermögenssteuersenkung zu profitieren, sagt Demarmels. «Das wird unserer Meinung nach nicht ausreichend erläutert. Der Regierungsrat hat offenbar kein Interesse an einer transparenten, repräsentativen Darstellung der Steuergesetzrevision.»
Das Gericht sieht dies anders und verweist darauf, dass jährlich eine Steuererklärung ausgefüllt werden müsse. Daher dürfe erwartet werden, «dass sämtliche Stimmberechtigten die Unterscheidung zwischen steuerbarem Einkommen und Brutto- oder Nettoeinkommen bzw. zwischen steuerbarem Vermögen und dem Reinvermögen zumindest in den Ansätzen verstehen».(lil/fh)