
Im Kampf für Lohngleichheit scheitern Linke und Gewerkschaften – die Wirtschaft freuts
Mit einer Verschärfung der Lohnanalysen für Betriebe ab 50 und nicht wie heute erst ab 100 Mitarbeitenden wollten SP, Grüne und Gewerkschaften gegen Lohndiskriminierung im Aargau vorgehen. Bei Annahme der Initiative hätte auch die kantonale Fachstelle für Gleichstellung als Kontroll- und Meldestelle wieder eingeführt werden sollen.
Das Stimmvolk erteilte der Vorlage mit einem Nein-Anteil von 62,8 Prozent allerdings eine klare Abfuhr. Gegen das Vorhaben waren die Wirtschaftsverbände und alle Parteien ausser SP und Grüne. Bei einer Stimmbeteiligung von 31,6 Prozent resultierten am Sonntag 50’678 Ja und 85’637 Nein.
Einzig in der Kantonshauptstadt kam es zu einem Unterschied mit je 2912 Stimmen. Gewerkschafterin und SP-Stadträtin Silvia Dell’Aquilaaus Aarau sagte: «Wir sind enttäuscht über das Gesamtresultat und den ganzen Abstimmungsablauf.» Aber es freue sie, dass der Zuspruch zur Initiative in Aarau so hoch gewesen sei, wenn eine Person mehr ein Ja eingelegt hätte, wäre die Stadt auf der Karte grün. Dell’Aquila wirft dem Gegnerkomitee Falschinformationen und den Medien unkritische Berichterstattung vor.
Bürokratie scheint ein Killerargument
Der Nein-Trend zeichnete sich ab 10 Uhr ab. Während die Initiantinnen im Garten des Volkshauses in Aarau die Bekanntgabe der Resultate verfolgten, versammelten sich die Gegner der Vorlage ab 12 Uhr im Gasthof zum Schützen. «Keine einzige Gemeinde sagt Ja, das ist schon enttäuschend», sagte Mirjam Kosch, Fraktionschefin der Grünen im Grossen Rat. Vielleicht sei der Aargau noch nicht so weit, eine strengere Regelung als die Schweiz einzuführen, vielleicht habe auch das Bürokratie-Argument der Gegner verfangen, mutmasste sie.

Bild: Raphaël Dupain
Erfreut nahm das überparteiliche Komitee «Nein zur Leerlauf-Initiative» das deutliche Abstimmungsresultat zur Kenntnis. Nun gelte es, die Resultate der Überprüfung der nationalen Lohnanalyse-Pflicht abzuwarten. Kampagnenleiter Andreas Rüegger von der Aargauischen Industrie- und Handelskammer (AIHK) betonte, dass die Lohnstrukturanalyse eine gesamtschweizerische Begutachtung sei und man aus Unterschieden keine Diskriminierung ableiten dürfe.

Bild: Fabio Baranzini
Dennoch will Handelskammer-Direktor Beat Bechtold nicht ausschliessen, dass es in einzelnen Unternehmen Lohndiskriminierung gibt: «Wir haben auch schon gehört, dass dies in frauendominierten Berufen vorkommen kann, also unter den Frauen.» Mit dem Fachkräftemangel stünden die Unternehmen stark unter Druck und würden die Löhne anheben, so Bechtold. Der AIHK ist es wichtig, dass in der Berufsbildung nicht zwischen Frauen- und Männerberufen unterschieden wird. «Dort lag bisher ein Systemfehler, der zu Lohnungleichheit geführt hat», fügte Rüegger an.
Regierungsrat sieht sich bestätigt
Der Regierungsrat nehme das wuchtige Resultat zur Kenntnis, sagte Landammann Dieter Egli an einer Medienkonferenz. «Es ist so, Frauen verdienen in der Schweiz für die gleiche Arbeit deutlich weniger als die Männer.» Man habe aber auch feststellen können, dass sich die Quote in den letzten Jahren fast halbiert habe. Mit der Ablehnung der Initiative sehe sich der Regierungsrat, der die Vorlage zur Ablehnung empfahl, bestätigt.
Es sei sinnvoll, auf die Auswertung der Lohnanalyse auf Bundesebene zu warten, bevor man sich im Aargau überlege, ob es noch weitere Massnahmen brauche, so der Volkswirtschaftsdirektor. Laut Egli hätte die Annahme der Initiative jene Unternehmen in eine schwierige Lage gebracht, die in anderen Kantonen auch noch Niederlassungen haben. Für 50 bis 99 Mitarbeitende hätte es eine kantonale Regelung gegeben und ab 100 eine nationale.
Die Initiative hätte einen staatlichen Leerlauf produziert, schreibt die FDP. Parteipräsidentin und Grossrätin Sabina Freiermuth hält fest: «Das Ausfüllen von Formularen und Lohnanalysen bringt nicht mehr Gleichstellung. Statt kleinräumigem, wirkungslosem Bürokratieaufbau setzt man besser auf griffige Massnahmen wie Anreize für Kinderdrittbetreuung, Aus- und Weiterbildungen von Mitarbeitenden und gelebte Gleichstellung im Betrieb.»

Bild: Fabio Baranzini
Präsidentin Sabine Sutter-Suter vom Verein Gleichstellung Aargau kündigt nach dem Nein an, nicht locker zu lassen. Der Aargau bleibe einer der wenigen Kantone in der Schweiz ohne eine staatliche Anlaufstelle für Gleichstellungsfragen – trotz klarer Vorgaben in der Verfassung.