
AEW kauft sich erneut bei einer privaten Firma ein: «Ich wurde richtig sauer», sagt Benjamin Giezendanner
«Heute wurde ich richtig sauer» – so begann Benjamin Giezendanner, Präsident des Aargauischen Gewerbeverbands (AGV) und Nationalrat für die SVP, seine Willkommensansprache an der Delegiertenversammlung des AGV am Mittwochabend in Reinach. Grund für seine Aufgebrachtheit war die am Morgen veröffentlichte Meldung, dass sich die AEW Energie neu mit 35 Prozent an der Herzog Kull Group Holding (HKG) beteiligt.
Das Thema ist politisch brisant. Dass die staatliche AEW Privatunternehmen aufkauft, wenn auch nur in einer Minderheitsbeteiligung, wurde in der Vergangenheit mehrfach von Aargauer Politikern aus dem bürgerlichen Lager kritisiert. 2024 verlangten sie im Grossen Rat, dass sich die AEW auf ihr Kerngeschäft mit der Stromversorgung konzentrieren soll. Staatsbetriebe sollten keine privaten Firmen konkurrenzieren, hiess es.
Einer der Vorstösse zu diesem Thema hatten Matthias Jauslin und eben Benjamin Giezendanner eingereicht, nachdem die AEW die Hälfte der Aarauer Firma GA-Werkstatt.ch aufgekauft hatte. GA-Werkstatt.ch ist ein Tochterunternehmen der Herzog Kull Gruppe, an die sich die AEW nun seit Neuem mit 35 Prozent beteiligt.

Bild: Alexander Wagner
«Wir konkurrenzieren das installierende Gewerbe nicht»
Als aktueller AGV-Präsident und damit Vertreter des Aargauer Gewerbes sah sich Benjamin Giezendanner dazu bewogen, die privaten Firmen im Kanton in Schutz zu nehmen. Diese Haltung kann auch AEW-Geschäftsführer Marc Ritter nachvollziehen, wie er auf Anfrage sagt. Wie schon in Interviews zuvor stellt er aber auch jetzt klar: «Wir tangieren das lokale Gewerbe im Aargau nicht», jedenfalls nicht dasjenige, das Energieinfrastruktur installiert. «Dieses konkurrenzieren wir in keinster Weise.»
Die HGK respektive die GA-Werkstatt.ch ist im Bereich Gebäudeautomation tätig. Heutzutage stellen Gebäude nämlich auch Energie her, zum Beispiel über Solarpanels. Sie sind je nach dem auch an Batteriespeicher oder an ein Fernwärmenetz verbunden und regulieren das Raumklima mittels etlicher neuer technischen Finessen. Wie schon zuvor erklärt Marc Ritter auch hier, dass sich die AEW an solchen Firmen beteiligt, da die AEW als Stromanbieterin das Gesamtenergiesystem kennen muss. «Wir müssen nicht nur das Stromnetz im Blick haben, sondern auch, dass die Gebäude Energie ins Netz zurückgeben.»
Dass sich die AEW an Firmen im Bereich Gebäudeautomation beteiligt, wurde vor einem Jahr von der Aargauischen Industrie- und Handelskammer AIHK, trotz Kritik am Staatsbesitz, als einigermassen nachvollziehbar angesehen. Für Beteiligungen an Carsharing- oder Softwareanbietern jedoch gebe es laut AIHK «keine ordnungspolitische Rechtfertigung», hiess es.
Die Verwaltungsräte kennen sich
Hätte die AEW statt eines Einkaufs nicht auch einfach mit der HKG zusammenarbeiten können? «Doch», sagt Marc Ritter. Da aber beide Unternehmen gemeinsam in Forschung und Entwicklung investieren – teilweise mit der ETH, mit der die AEW bereits den Energiepreis Watt d’Or gewonnen hat –, wollten sie diese Ausgaben gemeinsam tätigen und auch gemeinsam die Früchte davon ernten.
Dass Ernst Werthmüller, früherer Verwaltungsratspräsident der AEW, heute im Verwaltungsrat der HKG sitzt und dort ebenfalls schon mal VR-Präsident war, habe keinen Zusammenhang mit der neu beschlossenen Beteiligung der AEW an der HKG, versichert Marc Ritter zusätzlich. «Die Gespräche haben nicht über ihn stattgefunden.»
Der Anstoss für eine Erweiterung der Beteiligung seitens der AEW sei von HKG-Geschäftsführer Marc Herzog gekommen, der das Unternehmen mit Hauptsitz in Aarau in zweiter Familiengeneration leitet. Co-Präsident des Verwaltungsrats der HKG ist heute Firmengründer René Herzog.

Bild: Chris Iseli




