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Alarm in der SP: Die Grünen reiben die Partei auf. Und die Sozialdemokraten finden kein Gegenmittel

Unter den Sozialdemokraten hatten viele gedacht, dass sich der Trend bald abschwächen werde. Es kann ja nicht immer so weitergehen. Nun schwächt sich der Trend nicht ab – er verstärkt sich sogar noch.

Die Grünen gewinnen Sitze in den Schweizer Parlamenten und nehmen sie der SP weg. Das war in den nationalen Wahlen von 2019 so, und in den kantonalen Parlamenten setzt sich die Entwicklung seither fort. In Freiburg gewannen die Grünen am vergangenen Sonntag sieben Sitze im Kantonsparlament. Die SP büsste deren sieben ein. Auf einen Schlag verloren die Sozialdemokraten ein Viertel ihrer Mandate. Es ist ein Debakel.

Die SP hat jetzt in den kantonalen Wahlen seit 2019 mehr Mandate abgegeben als die FDP, die bisher das Schlusslicht bildete. In Freiburg gelang es den Freisinnigen, zwei zusätzliche Parlamentssitze zu holen.

Zum Abschied schlägt Christian Levrat Sympathisanten in die Flucht

Unter den Sozialdemokraten wächst die Sorge. Im Wahlbarometer der SRG, das vor einem Monat publiziert wurde, lag die Partei noch bei 15,8 Prozent. Das ist ein Prozent weniger als in den Wahlen von 2019, die für die SP bereits ein ernüchterndes Resultat brachten. «Wir sollten das Steuer dringend herumreissen», sagt ein Nationalrat. Aber das gelinge bisher nicht.

In kantonalen Wahlen spielen natürlich regionale Themen eine wichtige Rolle. In Freiburg legte Christian Levrat, der langjährige SP-Präsident, seiner Partei ein Ei. Er war als Kandidat für den Regierungsrat vorgesehen, gab dann aber dem Präsidium der Post den Vorzug. Diese Funktion hielt ihm SP-Bundesrätin Simonetta Sommaruga zu. Unter den Sympathisanten der Sozialdemokraten kam das nicht überall gut an.

Die Grundfrage ist aber: Warum profitiert die SP nicht von der grünen Welle, wo die Partei doch ökologisch ähnlich ausgerichtet ist wie die Grünen? Und warum gelingt es der SP nicht, mit Themen zu punkten, welche weniger im Fokus der Grünen stehen? In der Partei macht sich Ratlosigkeit breit. Die Sozialdemokraten stehen den Grünen nahe. Aber dass die nun der SP dermassen viele Wähler abspenstig machen – das muss nicht sein. Wie verhindert man das?

Im Regierungsrat lief es ordentlich. Aber das hilft nicht

SP-Fraktionschef Roger Nordmann weist darauf hin, dass im Kanton Freiburg die Grünen «von einem tiefen Niveau kommen». In diesem Kanton dauert eine Legislaturperiode nicht vier, sondern fünf Jahre. 2016 hatte die grüne Welle noch nicht eingesetzt; die Grünen holten damals nur sechs Mandate im Parlament, das 110 Sitze zählt.WERBUNG

Nordmann meint ausserdem: Die Menschen hätten ein Zeichen setzen wollen nach der Ablehnung des CO2-Gesetzes auf nationaler Ebene. «Ironischerweise profitieren davon die Grünen, die sich im Unterschied zur SP nur wenig eingesetzt hatten für die Annahme der Vorlage.»

Flächendeckende, günstige familienexterne Kinderbetreuung

Und was sagt Co-Parteipräsident Cédric Wermuth zum Negativtrend? Er unterstreicht erstens, dass in den Freiburger Regierungsratswahlen die rotgrüne Allianz funktioniert habe. Vier Linke lägen mit vorne, unter ihnen drei Sozialdemokraten.

Dann richtet Wermuth den Blick nach vorne: Er kündigt an:

«Wir werden klarer herausstellen, dass wir eine Politik für die Mehrheit in diesem Land machen.»

Schon im Februar bekämpfe die Partei «neue Steuergeschenke für die Konzerne auf Kosten der Lohnabhängigen», und die SP werden gegen den «drohenden Rentenabbau» angehen.

Zudem wolle die SP nächstes Jahr zwei Volksinitiativen lancieren: «Die SP fordert eine flächendeckende, bezahlbare familienexterne Kinderbetreuung für alle. Und wir wollen den Finanzplatz bei der sozialen Nachhaltigkeit und beim Klimaschutz in die Pflicht nehmen.»

Der rechte Parteiflügel will auf das Thema Europa setzen

Reicht das? Ein Problem der Partei ist, dass sich der rechte Flügel zunehmend schwertut mit dem Einfluss der Gewerkschaften. Ständerat Daniel Jositsch meint: «Die SP sollte die stärkste proeuropäische Partei im Land sein und hat da etwas den Kompass verloren beim Rahmenvertrag.»

Ständerat Daniel Jositsch wünscht sich ein grösseres europapolitisches Engagement seiner Partei.
Ständerat Daniel Jositsch wünscht sich ein grösseres europapolitisches Engagement seiner Partei.Keystone

SP-Nationalrat Jean-Yves Maillard, der Präsident des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes, wünschte dem Vertrag früh ein schickliches Begräbnis. Jositsch fände es nun gut, wenn man im Dossier das Volk befragen würde. Er unterstützt grundsätzlich die Idee einer Volksinitiative – aber: «Es braucht dafür eine breite Allianz. Dass die Operation Libero vorgeprescht ist mit den Grünen an ihrer Seite, ist vom Vorgehen her nicht optimal.»WERBUNG

Wieder diese Grünen! Hält der Trend an, könnten sie der SP 2023 einen Bundesratssitz abnehmen. Wobei beide Parteien viel lieber die Bürgerlichen in der Regierung schwächen würden.