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Selten möglich und beim kleinsten Fehler tödlich – Jetzt wagen sich Skifahrer in die Ostwand des Matterhorns

Extremskifahrern bietet sich nur alle paar Jahre die Möglichkeit, extrem steile Bergwände zu befahren. Doch jetzt ziehen sie los. Ein Zermatter Bergführer über das Risiko.

Innerhalb von zwei Wochen sind in Zermatt zwei Menschen bei extremen Skiabfahrten im Hochgebirge ums Leben gekommen. Am 19. Mai starb ein 26-jähriger Schweizer in der Nordwand des Breithorns. Er rutschte an einer vereisten Stelle aus und stürzte rund 300 Meter in die Tiefe.

Am Dienstag ein weiterer tödlicher Unfall: Ein 35-jähriger Italiener stürzte beim Befahren der Ostwand des Matterhorns mehrere hundert Meter ab. Bergretter der Air Zermatt konnten den Mann nur noch tot bergen. Wie die italienische «La Repubblica» schreibt, handelt es sich bei dem Opfer um einen Ausbildner des Italienischen Alpenvereins in Piacenza, einen bergerfahrenen Wintersportler also.

Das Befahren solcher extrem steilen Bergwände mag für normale Skifahrer ein Himmelfahrtskommando sein, in der Szene der Extremskifahrer ist es nichts Ungewöhnliches. «Der gute Winter hat in den letzten Wochen Bedingungen geschaffen, die solche Abfahrten möglich machen», sagt Richard Lehner, Bergführer und Hüttenwart der Monte-Rosa-Hütte in Zermatt.

Die Extremskifahrer müssten ihr eigenes Können und die Verhältnisse am Berg genauestens kennen. «Bei einer solchen Abfahrt darf man sich keinen einzigen Schnitzer erlauben. Wer die Ostwand des Matterhorns befährt, muss wissen, worauf er sich einlässt. Der kleinste Fehler kann fatal sein», so Lehner. Solche Unterfangen seien nur durchtrainierten und erfahrenen Extremskifahrern vorbehalten.

Die guten Bedingungen haben sich herumgesprochen

In der Szene würden sich die guten Bedingungen in Bergsport-Foren im Internet schnell herumsprechen. «Bereits letzte Woche haben sich Skifahrer an die Abfahrt der Matterhorn-Ostwand gewagt», sagt Lehner. Und auch das 2300 Meter lange Marinelli-Couloir nach Macugnaga, die längste Steilabfahrt der Alpen, zwischen Dufourspitze (4634 m) und Nordend (4609 m) ziehe derzeit Extremskifahrer an, sagt Lehner, der diese Abfahrt selbst schon befahren hat.

Das Timing für die Abfahrt an der 1000 Meter hohen Ostwand des Matterhorns müsse genau stimmen. «Die Extremskifahrer steigen meist am Vortag zur Hörnlihütte auf und in der Nacht, mit den Skiern auf dem Rücken, zur Solvayhütte auf 4003 Metern zum Startbereich», sagt Lehner. «Andere steigen gleich die Ostwand hoch, um die Schneeverhältnisse richtig einschätzen zu können.» Gestartet werden muss, nachdem die Wand nicht mehr vereist ist und bevor die Morgensonne den Schnee in der Wand aufweicht.

Fast senkrecht stiegen die vier Frauen in der Matterhorn-Ostwand hoch, noch bevor die Sonne aufging.
Bild: Lorraine Huber

Bericht über die Fahrt in der Matterhorn-Ostwand von vier Frauen

Auch im Mai 2016 waren die Verhältnisse dafür gut und ein Team von vier Frauen wagte das Abenteuer: Die Tirolerin und Ex-Skiprofi Melissa Presslaber, die österreichisch-australische Freeriderin Lorraine Huber, die französische Klettererin Liv Sansoz und die italienische Profi-Skifahrerin und Bergführerin Giulia Monego. Sie übernachteten im Winterraum der Hörnlihütte und brachen damals um 4 Uhr morgens auf, die Skis auf den Rucksack gebunden, wie Melissa Presslaber auf ihrem Blog berichtete.

Über die Abfahrt schreibt Presslaber über eine ihrer Kolleginnen: «Der erste Schwung verläuft etwas zurückhaltend, aber danach ist sie im Flow, reiht kontrolliert einen Schwung an den anderen. Ich folge ihr. Fühle mich gut. Bin konzentriert. Im Moment. Alles bestens.»

Das Erlebnis haben sie in einem kurzen Film zusammengefasst, der einen Eindruck über die halsbrecherische Abfahrt gibt:

Zeitfenster für solche Extremabfahrten in der Region Zermatt gibt es nur alle paar Jahre. So wie eben jetzt – erstmals wieder nach drei Jahren. Das folgende Video hat der Berner Sekundarlehrer und Extremsportler Matthias Koenig 2015 aufgenommen – damals waren die Verhältnisse ebenfalls im Juni noch gut.