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Hat die Schweiz zu wenig geblufft? Aus dem Trumpschen Zollentscheid kann man nur eine Lehre ziehen

39 Prozent! Die Schweiz erlebt am 1. August ein böses Erwachen. Trump hatte keinen Lust auf einen Deal mit der Schweiz. Was hat der Bundesrat falsch gemacht?

Noch Anfang Woche zeigten sich Wirtschaftsvertreter optimistisch. Der Techverband Swissmem zum Beispiel ging davon aus, dass die angedrohten Zölle von 31 Prozent auf Schweizer Exporte in die USA nicht in Kraft treten würde. Ja man hoffte gar, dass die Schweiz nur 10 Prozent aufgebrummt bekommt und nicht 15 Prozent wie die EU, damit die hiesigen Unternehmen einen relativen Vorteil gegenüber der Konkurrenz im EU-Raum erhalten würden. Schweizer Schlaumerei. Reichlich naiv.

Diese Hoffnungen haben sich in der Nacht auf Freitag zerschlagen. Die Schweiz erlebt an diesem 1. August ein böses Erwachen. Es gibt keinen Deal mit Trump. Der US-Präsident will von der ausgehandelten Vereinbarung mit der Schweiz nichts wissen. Die Schweiz bekommt einen Zoll von 39 Prozent ab dem 7. August aufgebrummt und findet sich in einer Reihe von Staaten wie Brasilien, Irak und Syrien wieder.

Was hat der Bundesrat falsch gemacht?

Das Selbstbild der Schweiz: klein, aber einflussreich

Eine böse Überraschung gab es nämlich schon einmal, am 2. April, dem «Liberation Day». Mit den ursprünglich angedrohten Zöllen von 31 Prozent hatte die Schweiz auch damals nicht gerechnet. Das sei in etwa so nachvollziehbar wie die Gleichung «eins plus eins gleich drei», sagte Bundespräsident Karin Keller-Sutter damals. Sie telefonierte mit Trump. Es war natürlich nur ein Zufall, dass dieser am selben Tag die Zölle für die meisten Staaten sistierte und den Weg für Verhandlungen frei machte. Das Telefonat zwischen Keller-Sutter und Trump ging dennoch um die Welt. Es passte in unser Bild: Die Schweiz ein kleines, aber einflussreiches Land.

Das April-Desaster traf den Bundesrat unvorbereitet. Dieses mal wollte er es besser machen und setzte alle Hebel in Bewegung, um rasch eine Vereinbarung mit den USA zu erhalten. Man nutzte Kontakte zu hochrangigen US-Vertretern am Rande der Frühjahrstagung der Weltbank in Washington und ermöglichte Handelsgespräche zwischen den USA und China im Mai in Genf. Keller-Sutter zeigte sich nach einem Treffen mit US-Finanzminister Bessent auch da optimistisch, dass die Schweiz bereits als zweites Land einen Deal bekommen würde.

Die Vereinbarung kam auch zustande. Darin sind gemäss gut unterrichten Quellen 10 Prozent festgehalten. Der Bundesrat genehmigte es – was für eine Ironie – am amerikanischen Unabhängigkeitstag am 4. Juli. Zu Geschenken am Schweizer Nationalfeiertag war Trump indes nicht aufgelegt.

USA sind kein verlässlicher Partner

Und genau das ist der Punkt – und für den kann der Bundesrat nichts: Trump entscheidet alleine. Und er tut es willkürlich. Rationale Argumente zählen nicht – davon hatte die Schweiz nämlich einige. Die Direktinvestitionen oder die Berufslehre etwa. Es ist auch egal, was Trumps Leute mit anderen Ländern aushandeln. Selbst der US-Finanzminister hat kein Gewicht. Es hatte etwas Demütigendes, wie die Schweizer Beamten in den letzten Tagen auf den Entscheid Trumps warteten – indem sie regelmässig sein Netzwerk «Truth Social» checkten.

Trump führt die Welt vor – die Schweiz inklusive. Es ist keine neue Erkenntnis, aber die einzige Lehre, die man aus dem Trumpschen Zollentscheid ziehen kann: Mit den USA lässt sich derzeit keine verlässliche Politik machen. Wenn das Recht des Stärkeren gilt, dann hat die Schweiz keine Chance. Sie braucht eine Welt, die auf Regeln basiert. Und so führt uns Trump vor Augen, wie wichtig auch Regeln zur Konfliktlösung sind, wie sie der Bundesrat mit der EU ausgehandelt hat.

Die Linke kritisierte von Beginn weg das forsche Tempo des Bundesrates. Sie sprach von Anbiederung und forderte, die Schweiz solle sich mit der EU abstimmen und Gegenzölle planen. Darob ging vergessen, dass ja auch Brüssel nichts anderes tat, als mit Washington eine Lösung zu finden und die Zölle zu drücken.

Wer sich durch die Deals liest, dem schwindelt

Was genau der Bundesrat mit den USA ausgehandelt hat, ist nicht klar. Doch es ist wahrscheinlich, dass sich die Schweiz eben nicht derart fest angebiedert hat wie andere Staaten. Wer sich durch die «Deals» der letzten Tage liest, dem wird fast schwindlig ob den hohen Summen, welche die verschiedenen Regierungen Trump versprochen haben. Ob diese Gegengeschäfte und Investitionen tatsächlich realisiert werden, ist offen. Doch bei Trump wirken riesige Geldsummen besser als rationale Argumente.

Und so fragt man sich an diesem Tag: Hat die Schweiz zu wenig geblufft?

Die Schweiz will weiter mit den USA reden, um die Zölle von 39 Prozent noch abzuwenden. Viel anderes als Schadensbegrenzung zu betreiben, bleibt ihr nicht übrig. Für die Schweizer Exportwirtschaft steht zu viel auf dem Spiel.

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