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Reine Männer-Verbindungen sind nicht mehr erwünscht – ein Urteil fürs Poesiealbum

Die Universität Lausanne ist zum zweiten Mal wegen einer Studentenverbindung bis vor Bundesgericht gezogen. Der Sieg nutzt in der Sache der Frau nichts. Im Gegenteil.

Die Männer verlieren ihre exklusiven Pfründe. So kann man das Urteil des Bundesgerichtes diese Woche deuten, gemäss dessen eine Universität eine reine Männer-Studentenverbindung nicht mehr anerkennen muss. Manche im Land haben wohl gejubelt: Eine überfällige Männerbastion wankt! Die Zofingia trägt nun das Label «unerwünscht», zumindest in der Universität Lausanne.

Unerwünscht zu sein – das Gefühl kennen Frauen seit Jahrhunderten.

Doch der neueste Bundesgerichtsentscheid zugunsten der Gleichberechtigung hat gleich zwei Pferdefüsse. Erstens ist höchst unklar, ob auch nur eine Frau in diesem Land etwas davon hat. Dass die Zofingia-Männer nun in der Uni keine Räume mehr mieten können, nutzt den Frauen jedenfalls nichts. Reserviert hat die Zofingia sowieso kaum noch: 2019 (vor Corona) waren es zwei Saalreservationen, 2023 noch eine einzige. Die Sektion in Lausanne besitzt im Stadtzentrum «La Blanche Maison», ein stattliches Haus, in dem sie ohnehin die meisten ihrer Versammlungen abhält.

Die Mitgliederzahlen sinken ohnehin

Entscheidend geschwächt wird die Men-only-Verbindung durch das Urteil auch nicht – denn sie ist es schon. Das Image der «Schlarpis», wie sie wegen ihres stampfenden Gangs an Umzügen genannt werden, ist für viele Studierende schon lange kein besonders attraktives mehr. Und so haben Studentenverbindungen sinkende Mitgliederzahlen. Übrigens auch solche wie der Schweizerische Studentenverein, der seit 1968 (!) Frauen aufnimmt. Von den 3000 Mitgliedern der Zofingia in der ganzen Schweiz sind nur 200 aktiv, der Rest sind Ehemalige.

Der zweite Pferdefuss an diesem Bundesgerichtsurteil ist der, dass es der Sache der Frau möglicherweise sogar einen Bärendienst leistet. Es schürt den Frust jener Männer, die immer noch nicht damit klarkommen, dass die Frauen überall gleichberechtigt sein sollen. Und er liefert ihnen ein Argument dafür, dass Männer bereits die neuen Benachteiligten seien – dies, weil gleichzeitig reine Frauen-Studentenverbindungen wie die EPFelles in Lausanne weiterhin akzeptiert sind.

Und das, wie gesagt, für einen bloss symbolischen Sieg in der Sache der Frau.

Immerhin zeigt sich das Bundesgericht andernorts konsequent: Anfang Jahr hat es der Wiler Mädchensekundarschule St. Katharina die Legitimation entzogen. Aber auch hier fragte man sich: Muss die Gleichstellung von Mann und Frau bis ins Detail in staatlichen Institutionen befohlen werden, wenn die Gleichberechtigung auf Bildungsebene im Grossen und Ganzen erreicht ist, aber gleichzeitig private Firmen noch derart hinterherhinken? Wer auch immer in der Uni Lausanne oder in Wil den juristischen Weg beschritten hat, hat im Vergleich zu den Ungerechtigkeiten andernorts lächerlich wenig erreicht.

Wenn schon Symbolpolitik, dann am Sechseläuten

Der Anwalt und Altherr der Zofingia, Philippe Da Col, sagte diese Woche, man habe den Eindruck, dass das Bundesgericht die Argumente des Urteils von 2014, in dem die Uni gezwungen wurde, die Zofinga anzuerkennen, nun umdrehe, «nur um gesellschaftlichen Trends zu folgen». Gleichberechtigung kommt jetzt vor Versammlungsfreiheit.

Gesellschaftliche Trends soll die Justiz nicht ignorieren. Aber wenn man schon per Rechtsweg Symbolpolitik machen will, dann eine, die wirklich auffällt: Am Zürcher Sechseläuten, ein Fest der Massen, marschierten die Frauen vor zwei Wochen noch immer nicht gleichberechtigt mit. Der Anlass wird von der Stadt jährlich mit fast einer halben Million Franken subventioniert, indem den Zünftern die städtischen Leistungen wie jene des Tiefbauamtes, der Sanität oder der Verkehrssignalisation erlassen werden. Hier hat noch niemand den juristischen Rechtsweg dieses Anachronismus gewagt.

Dass das Bundesgericht reinen Männer-Bünden an Universitäten die Legitimation abspricht, bedeutet also nicht, dass Studentinnen heute wirklich noch schlechter vernetzt sind. Fürs spätere Berufsleben nützliche Vereinigungen gibt es noch hundert andere.

Juristische Urteile sind für die Gleichberechtigung schweizweit nur in relevanten Angelegenheiten – Frauenstimmrecht für Appenzell Innerrhoden 1990! – nützlich. Sonst aber tragen sie eher dazu bei, dass eine nutzlose Stellvertreterdiskussion entsteht, die vom Wesentlichen ablenkt. Und dass die «Unerwünschten» im schlimmsten Fall in eine Trotzreaktion verfallen.