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Auch wir können Sommermärchen! Die Frauen-EM ist schon jetzt ein grosser Erfolg

Von grosser Skepsis zu noch grösserer Euphorie: Die Frauen-Nati hat sich in wenigen Tagen in die Herzen von Herr und Frau Schweizer gespielt. Und dies nicht nur wegen des 2:0-Sieges gegen Island. Das sind die Gründe für dieses Sommermärchen made in Switzerland.

Was haben wir uns nicht alles für bange Fragen gestellt: Kann diese Schweizer Frauen-Nati mit ihrer langen Sieglosserie an der EM ein würdiges Heim-Team sein? Ist die Atmosphäre beim Turnier in der Tonne, wenn die Schweiz früh scheitert? Ist ein 1:7 gegen die U15 des FC Luzern der Dolchstoss für eine Bewegung, die gerade im Begriff war, zum Fliegen zu kommen? Oder ganz einfach: Halten unsere Torhüterinnen auch mal einen Ball? Und: Wer kann eigentlich Tore schiessen? So tönte es im Schweizer Fussball-Land vor nicht einmal einer Woche.

Und nun dies: zwei Spiele, drei Punkte; die Tür zum ersten Viertelfinal an einer EM- oder WM-Endrunde weit aufgestossen. Das vor kurzem noch so sehr kritisierte Frauen-Nationalteam von Trainerin Pia Sundhage hat im Land eine Euphorie ausgelöst. Lia Wälti und Co. surfen auf einer Welle der Zuneigung. Eigentlich sogar der Liebe.

Von grosser Skepsis zu noch grösserer Euphorie: Für diesen Weg war das Drehbuch in den ersten beiden Schweizer Spielen nahezu perfekt. Im Eröffnungsspiel in Basel gegen Norwegen begeisterte die Schweizer Auswahl mit einer mutigen und offensiven Darbietung, holte zwar keine Punkte, aber, weil die Niederlage gegen einen unsportlichen Gegner am Ende unverdient war, immerhin eine Menge Sympathiepunkte.

Gegen Island dann zeigte das Team am Sonntag, dass es kämpfen und das Herz auf dem Platz lassen kann. Dass es gewinnen kann, auch wenn die Leistung spielerisch dürftig ist. In Bern trug das Publikum die Mannschaft durch die schwierigen Momente. Und als es einmal etwas ruhiger wurde im Wankdorf, animierte Nadine Riesen, einer der Publikumslieblinge, nach einer gelungenen Grätsche die Fans mit Handbewegungen zu mehr Lärm. Die Zuschauenden und die Spielerinnen, sie bilden in diesen Tagen eine Symbiose der positiven Art.

Die Spielerinnen tun auch abseits des Rasens viel für ihre Popularität. Und dies, ohne dass es aufgesetzt wirkt. Von der Insta-Königin Alisha Lehmann und ihren Werbe-und-Bikini-Posts soll hier für einmal nicht die Rede sein. Dafür umso mehr zum Beispiel von den sympathischen Tanz-Filmchen der Teenager Leila Wandeler und Sydney Schertenleib in den sozialen Medien. Das begeistert Herr und Frau Schweizer.

Oder die Rede soll sein von den Interviews mit Lia Wälti, Geraldine Reuteler oder Iman Beney, welche frisch, fröhlich und unverbraucht wirken und sich wohltuend abheben vom langweiligen und nichtssagenden Einheitsbrei, den Spitzensportlerinnen und Spitzensportler sonst so von sich geben. Wälti und Co. analysieren nicht nur wohltuend ehrlich und sachlich, sie lassen auch mal eine Träne zu, wenn sie von den Emotionen während des Abspielens der Nationalhymne erzählen.

Die Frauen-Nati und die Frauen-EM sind hierzulande gerade en vogue. Man hört in der S-Bahn und im Coop-Restaurant Passanten und Gäste über Spiel und Sport reden. Etwas, was sonst nur der Fussball-Nati der Männer, Marco Odermatt oder Roger Federer gelingt.

Eine Zahl dokumentiert diese Stimmungslage: 14’000 Menschen nahmen am Sonntag in Bern am Fan-Marsch teil. Das ist Rekord bei einer Frauen-EM – und wohl ein Rekord mit kurzer Halbwertszeit. Sollten die Schweizerinnen am 18. Juli in der Bundeshauptstadt den Viertelfinal gegen Weltmeister Spanien bestreiten, werden es nochmals ein paar tausend mehr sein.

Dieser Viertelfinal mit Schweizer Beteiligung ist nicht nur das Ziel des Heimteams, sondern auch der Wunsch der Uefa. Weil ein Turnier ein erfolgreiches Heimteam braucht. Doch darauf scheint die EM in der Schweiz nicht angewiesen. Denn die schönen Bilder dieser Frauen-EM transportieren nicht nur die Schweizer Mannschaft und ihre Fans. Am Freitag war der Rahmen im St. Galler Stadion prächtig, als Deutschland, begleitet von mehreren tausend eigenen Fans, ins Turnier startete.

Tags darauf sorgten Niederländer und Waliser in Luzern für einen farbenfrohen Samstag und füllten englische Fans den halben Zürcher Letzigrund beim Spiel gegen Frankreich. 50’000 Tickets soll der englische Verband für die drei Gruppenspiele der «Lionesses» abgesetzt haben.

Diese internationalen Gäste fluten die Schweizer Spielorte unabhängig vom Abschneiden des Schweizer Teams und sorgen dafür, dass diese EM so oder so zu einem grossen, erinnerungswürdigen Fest wird. Denn dieses Fazit kann man schon jetzt ziehen, auch wenn es vielleicht so überraschend kommt wie die positiven Leistungen der Schweizerinnen. Es lautet: Ja, auch in der Schweiz können wir Sommermärchen.