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«Arbeit muss sich lohnen»: Vor der Grossratsdebatte beziehen die Gemeindesozialdienste Stellung

Die Initiative «Arbeit muss sich lohnen» verlangt, dass die Gemeinden die Beiträge von Sozialhilfeempfängern kürzen, wenn diese mehr als zwei Jahre lang Geld beziehen. Der Verband Aargauer Gemeindesozialdienste findet diese jedoch unnütz und teuer.

«Arbeit muss sich lohnen – Schluss mit Langzeitbezügern», so der Titel der JSVP-Initiative, für die auch SVP und JFDP Unterschriften gesammelt haben. Das Stimmvolk bekomme die Möglichkeit, Sozialschmarotzer zu stoppen, liess sich das Initiativkomitee nach dem Einreichen der Unterschriften vernehmen. Am Dienstag wird der Grosse Rat über das Anliegen debattieren – die Kommission für Gesundheit und Sozialwesen empfiehlt die Initiative mit knapper Mehrheit zur Annahme.

Nachdem der Regierungsrat seine ablehnende Haltung im Juli kommuniziert hat, äussert sich nun der Verband Aargauer Gemeindesozialdienste (VAGS) zur Initiative. Diese bringe keinen praktischen Nutzen und auch die Integration der Bezüger in den Arbeitsmarkt werde nicht verbessert, schreibt der Verband. Zudem verursache sie hohe Kosten.

Durch die Initiative liessen sich theoretisch etwa 254’00 Franken jährlich einsparen, rechnet der VAGS vor – dies aber nur, wenn alle Langzeitbeziehenden von der Kürzung betroffen wären. Schätzungsweise sei dies aber, aufgrund der Ausschlusskriterien, nur in etwa der Hälfte der Fälle möglich. Damit beliefe sich das jährliche Sparpotenzial noch auf 127’200 Franken.

Dem gegenüber schätzt der VAGS den nötigen Aufwand initial auf 448’140 Franken. Zu prüfen wären 3201 Dossiers, pro Dossier sei ein durchschnittlicher Arbeitsaufwand von etwa zwei Stunden nötig, bei einem Stundenlohn von 70 Franken. Der jährliche Aufwand für die Folgeprüfungen, die mit jeweils einer Stunde Arbeit berechnet wurden, würden dementsprechend 224’070 Franken betragen.

Aufwand für die Überprüfung ist beträchtlich

Warum die Überprüfung der Ausschlusskriterien für die Sozialdienste sehr aufwendig werden kann, wird ebenfalls erläutert. Beispielsweise wären Personen ab 55 Jahren nicht von den Kürzungen betroffen, wenn sie während mindestens 20 Jahren in der Schweiz erwerbstätig waren und während dieser Zeit keine Sozialhilfe bezogen haben.

Der Sozialdienst müsste also die Erwerbstätigkeit anhand von Auszügen überprüfen, die die Bezüger einreichen. Falls sie dies nicht tun, erfolgen Mahnung, rechtliches Gehör, Verfügung von Sanktionen und schliesslich eine Kürzungsverfügung. Daniel Lüscher, Co-Präsident des VAGS, gibt zudem zu bedenken: «Besonders aufwendig wird es, wenn ein Rechtsmittel ergriffen wird – was bei der geplanten Gesetzesänderung voraussichtlich häufig der Fall sein wird. In solchen Fällen übersteigt der Aufwand die durchschnittlich veranschlagten zwei Stunden deutlich.»

Daniel Lüscher vom Verband der Gemeindesozialdienste.
Bild: Dlovan Shaheri

Die Mehrbelastung betrifft also nicht nur die Sozialdienste, sondern auch die politischen Gremien und kantonalen Stellen. Kommissions- oder Gemeinderatsmitglieder würden über Verfügungen und Beschwerden befinden, die Beschwerdestelle auf kantonaler Ebene müsste die Einspracheverfahren bearbeiten.

«Vorhandene Mittel reichen aus»

«Zum Thema Bekämpfung von unrechtmässigem Leistungsbezug möchten wir betonen, dass die Sozialdienste im Kanton Aargau sehr aktiv und konsequent vorgehen», sagt Lüscher. Es werden Kontoauszüge und Steuerveranlagungen überprüft, auch Hausbesuche oder gar der Einsatz von Sozialdetektiven bei Verdacht auf Missbrauch sind möglich, um nur einige Möglichkeiten zu nennen. Laut VAGS sind zusätzliche gesetzliche Massnahmen nicht zielführend. Lüscher ist überzeugt: «Kein einziger Langzeitbeziehender würde durch die Umsetzung der Initiative schneller oder besser in den Arbeitsmarkt integriert.»

Vielmehr brauche es eine verstärkte Integrationsförderung bei den vorgelagerten Stellen – insbesondere bei den Regionalen Arbeitsvermittlungszentren. Denn nach rund anderthalb Jahren erfolgloser Stellensuche werde die berufliche Integration im Rahmen der Sozialhilfe deutlich erschwert.

Weiter betont der VAGS, dass gemäss der Sozialhilfestatistik die Anzahl jener Sozialhilfebeziehenden, die seit mehr als zwei Jahren Beiträge erhalten, seit 2019 um 17% gesunken sind. «Die Initiative reagiert somit auf ein Problem, das bereits rückläufig ist», schreibt der Verband. Zudem sinke auch im Allgemeinen die Zahl der Sozialhilfebeziehenden kontinuierlich, was zeige, dass die bestehenden Massnahmen greifen.

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