
Bundesverwaltungsgericht wertet Journalismus als Werbung: «Ein Fall für Strassburg»
Das Schweizerische Heilmittelinstitut Swissmedic hat eine Reihe von Verfahren gegen Schweizer Medien angestrengt. Das staatliche Gremium wirft den Redaktionen vor, sie hätten in ihrer Berichterstattung unzulässig Werbung für verschreibungspflichtige Medikamente gemacht. Nun liegt zu einem Fall ein erstes Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vor.
Der kritisierte Bericht erschien 2021. Eine Journalistin schilderte darin ihre Erfahrungen als Migräne-Patientin und mit verschiedenen Therapien. Sie beschreibt, dass ihr ein neues Produkt, das sie samt Hersteller beim Namen genannt hat, ohne Nebenwirkungen geholfen habe. Swissmedic hat darin eine unzulässige Werbung für eine rezeptpflichtige Arznei gesehen und die Löschung des Beitrags verfügt.
Die Beschwerde des Medienunternehmens wurde vom Bundesverwaltungsgericht nun abgelehnt. Der beanstandete Artikel erfülle die Anforderungen an Vollständigkeit, Ausgewogenheit und Sachlichkeit nicht. Deshalb sei er als verbotene «Information mit Werbecharakter» zu qualifizieren.
Das Gericht stützt in seinem Urteil die Argumentation der Vorinstanz. Ein Werbecharakter könne erfüllt sein, auch wenn kein «werbender Wille» erkennbar sei. Selbst die blosse Information könne Werbung sein, «wenn sie bestimmt und geeignet ist, das Konsumverhalten zu beeinflussen». Der Arzt solle als Folge der Publikumswerbung «nicht dem Druck seiner Patienten ausgesetzt werden, das beworbene Präparat zu verschreiben». Das Gericht spricht sogar von einem «gesundheitsgefährdenden Potenzial» des Artikels.
Medienanwalt Urs Saxer, der die Beschwerde geführt hat, nennt das Urteil unverständlich. Auch wenn dazu vom Klienten noch kein Entscheid getroffen worden sei, werde dies wohl «ein Fall für Strassburg», sollte das Bundesgericht als nächste Instanz das Urteil stützen. Er bemängelt bei der Interessenabwägung nicht nur die schwache Würdigung der Medienfreiheit, er sieht auch die Ärzte einem falschen Generalverdacht ausgesetzt. Es sei doch davon auszugehen, dass diese sich regulär verhalten und nicht einfach auf Wunsch der Patienten Rezepte ausstellen würden.