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Druck auf Schweiz steigt – Armee stellt temporäre Unterkünfte länger zur Verfügung

Die Lage im Asylbereich spitzt sich für Bund und Kantone weiter zu. Wegen des Aufnahmestopps kann die Schweiz derzeit keine Geflüchteten nach Italien zurückschicken. Die Armee verlängert ihre Hilfe.

Das Schweizer Asylwesen platzt aus allen Nähten: Im vergangenen Jahr wurden 24’511 Asylgesuche gestellt, im laufenden Jahr werden es noch mehr sein. In den zwei wahrscheinlichsten Szenarien rechnet das Staatssekretariat für Migration (SEM) mit 24’000 bis 40’000 neuen Asylgesuchen. Die genaue Zahl hängt davon ab, wie sich die Migration aus der Türkei über die Balkanroute und diejenige nach Italien entwickelt.

Das erhöht den Druck auf den Bund und die Kantone weiter. Die Unterbringungsplätze sind bereits jetzt knapp. Einige Kantone haben den Asylnotstand ausgerufen, weil sie an ihre Kapazitätsgrenzen stossen.

Temporäre Armee-Unterkünfte verlängert

Etwas Entlastung gibt es diesbezüglich nun von der Armee. Sie hat die Nutzung von einigen temporären Zusatzunterkünften verlängert, wie das SEM am Freitag mitteilte. Man sei aufgrund der Prognosen darauf angewiesen, die bestehenden zusätzlichen Plätze weiternutzen zu können.

So stehen die Mehrzweckhalle und das Kader-Ausbildungszentrum auf dem Waffenplatz Dübendorf bis Ende 2023 zur Verfügung. Dank der Koordination mit dem Kanton Zürich, der Stadt Dübendorf und der Armee kann das SEM dort auf insgesamt 500 Plätze zurückgreifen. Auf dem Waffenplatz Thun wurden die Nutzung der Panzerhalle bis Ende Oktober und der Mehrzweckhalle bis Ende Jahr verlängert. Damit bietet Thun weiterhin Platz für 500 Asylsuchende. Laut SEM hat sich der aktuelle Betrieb in den letzten Monaten an beiden Standorten gut eingespielt. Er soll daher wie bisher weitergeführt werden.

Aufnahmestopp in Italien: Die Uhr tickt

Derweil macht die Schweiz Druck auf Italien. Denn der südliche Nachbar hat das Dublin-Verfahren bislang nicht wieder aufgenommen, wie Samuel Wyss vom SEM am Freitag gegenüber SRF sagte. «Das bedeutet konkret, dass die Schweiz und alle anderen Dublin-Staaten derzeit keine Personen nach Italien überstellen können.» Es handle sich dabei um Geflüchtete, für deren Asylverfahren Italien zuständig sei. In der Schweiz geht es laut Wyss derzeit um rund 300 Personen.

Die Schweiz hat sechs Monate Zeit, um die Asylsuchenden in ein Erstaufnahmeland zurückzuführen. So wollen es die Dubliner Regeln. Da der italienische Aufnahmestopp bereits vier Monate dauert, bleiben der Schweiz noch zwei Monate Zeit. «Wenn eine Person am Schluss nicht überstellt werden kann, dann wird in der Schweiz ein nationales Asylverfahren für diese Person durchgeführt», sagte Wyss.

Der Bund setzt deshalb auf eine politische Lösung: Gemeinsam mit den anderen Dublin-Staaten versucht die Schweiz laut Wyss bei der Europäischen Kommission auf verschiedenen Niveaus «gegenüber Italien auf eine Wiederaufnahme der Dublin-Überstellungen hinzuwirken». Eine Klage sei dagegen aktuell nicht geplant.

Parteien: Gelder streichen oder gesamteuropäische Lösung

Die Unmut in der Politik über den Aufnahmestopp ist gross, die Vorschläge der Parteien unterschiedlich. «Wir müssen Italien klar machen, dass wir erwarten, dass diese Leute zurückzunehmen sind», sagte etwa der St.Galler SVP-Nationalrat Roland Büchel gegenüber SRF.

Nationalrat Andri Silberschmidt (FDP/ZH) spricht davon, Kohäsionszahlungen an Italien auszusetzen oder dass die Schweiz an der Grenze stärker schaut, dass die Geflüchteten gar nicht erst einreisen können. «Ich erwarte da, dass wir zusätzliche Massnahmen ergreifen müssen», sagte er.

SP-Ständerat Daniel Jositsch plädiert dagegen laut SRF für eine gesamteuropäische Lösung mit einer gerechteren Verteilung der Geflüchteten. «Zu dieser Lösung kommt man nicht, solange sich alle Staaten den ‹Schwarzen Peter› zuschieben», sagte der Zürcher. Da die Schweiz kein EU-Mitglied ist, sei sie zwar eher ein Nebenspieler auf dem europäischen Parkett. «Aber man muss von schweizerischer Seite versuchen, eine Gesamtlösung zu finden. Eine andere ist nicht denkbar.»

Wie SRF berichtet, will Justizministerin Elisabeth Baume-Schneider (SP) noch vor dem Sommer nach Rom reisen, um mit ihrem italienischen Amtskollegen eine Lösung zu suchen.