
Hoffen und Bangen in der Aargauer Politik: Wie stark würden Trumps Zölle die Wirtschaft im Kanton treffen?
Noch immer ist unklar, wie hoch die künftigen Zölle für Exporte aus der Schweiz in die USA sind. In der laufenden Woche hat der amerikanische Präsident Donald Trump mehrere Staaten per Brief über den Zollsatz informiert – bis Donnerstagabend ist in Bern jedoch kein solches Schreiben eingegangen. Derweil versucht eine Schweizer Delegation, mit den USA einen Deal mit möglichst niedrigen Zöllen auszuhandeln.
Schon die Ankündigung höherer Zölle löste in der Aargauer Politik indes Reaktionen aus: Ende April reichten Mitte, GLP und SP drei Interpellationen mit insgesamt 25 Fragen ein. Dabei ging es um die möglichen Folgen für Unternehmen im Kanton und die Möglichkeiten der Regierung, diese abzufedern. Das sind die wichtigsten Punkte zu Trumps Zollpolitik aus Aargauer Sicht.
Wie stark würden Aargauer Firmen unter höheren Zöllen leiden?
Die Aargauer Wirtschaft ist laut Regierungsrat gut diversifiziert, was sie in Krisenzeiten robuster macht. Sie hat aber einen starken Industrie- und Technologiesektor mit Exportfokus, deshalb könnte der Kanton überdurchschnittlich betroffen sein. Quantitative Einschätzungen für die Aargauer Wirtschaft seien wegen der Unsicherheiten aktuell nicht möglich. Für das einzelne Unternehmen ist der Exportanteil in die USA relevant.
Wie gross ist das Aargauer Exportvolumen in die USA?
Die gesamten Exporte aus dem Aargau belaufen sich auf 17,5 Milliarden Franken, gut 4 Milliarden Franken davon gehen in die Vereinigten Staaten. Zwar ist die EU mit mehr als 8 Milliarden Franken immer noch die grösste Handelspartnerin des Kantons, nach Ländern aufgeteilt haben die USA aber Deutschland überholt. Noch im Jahr 2021 lagen die beiden Länder mit rund 2,8 Milliarden fast gleichauf.
Welche Branchen wären am stärksten betroffen?
Den grössten Teil der Aargauer Exporte machen Pharmaprodukte aus. Wie stark diese Branche betroffen sein könnte, ist laut Regierung unklar. Medikamente sind bisher von Zöllen befreit, die grossen Pharmaunternehmen mit Forschung und Fabrikation stark in den USA präsent. Aber mit möglichen neuen Zöllen und der Senkung der sehr hohen Medikamentenpreise in den USA gebe es ein doppeltes Risiko.
Wann gibt es eine Analyse zu den Zoll-Folgen für den Aargau?
Die direkte Betroffenheit ist laut Regierungsrat bei einigen Firmen gross, bei vielen aber gering bis inexistent. Weil die US-Wirtschaftspolitik unberechenbar sei, werde es «den einen richtigen Moment für vertiefte Analysen nicht geben», heisst es in der Antwort. Vielmehr gelte es, die Situation laufend zu verfolgen – die Folgen dürften kurzfristig weniger gravierend sein als bei der Finanzkrise oder der Covid-19-Pandemie.
Wie viele Aargauer Firmen könnten in die USA umziehen?
Der Regierungsrat rechnet nicht damit, dass Aargauer Unternehmen den Sitz und die Produktion in nennenswerter Zahl komplett in die USA verlegen. Eine solche Verlegung könne im Einzelfall mit Vorteilen verbunden sein, bringe aber auch Nachteile, Risiken und Unsicherheit. Zudem gebe es im Kanton Aargau nur wenige Unternehmen, die geschäftlich voll auf die USA ausgerichtet sind.
Wie will die Regierung negative Effekte abfedern?
Der Regierungsrat verfolgt laut Antwort eine Wirtschaftspolitik, «die den Standort Aargau unabhängig von einzelnen Branchen oder Konjunkturzyklen stärkt». Als stabilisierende Instrumente für akut betroffene Unternehmen und Erwerbstätige hätten sich insbesondere Arbeitslosenversicherung und Kurzarbeitsentschädigung bewährt.
Was bedeuten höhere Zölle für die Kantonsfinanzen?
Die Verwerfungen im globalen Handel dürften die Wirtschaftsentwicklung bremsen, was sich auf den Steuerertrag auswirken könnte. Deshalb will die Regierung auf die Budgetberatung im Dezember hin die Steuerprognose aktualisieren, unter Berücksichtigung der neuesten Konjunkturprognosen. Die aktuelle Dollarschwäche könnte dazu führen, dass die Nationalbank nicht genug Gewinn für eine Ausschüttung an die Kantone erzielt.
Wird die EU im Vergleich zu den USA jetzt wieder wichtiger?
Eine kleine, offene Volkswirtschaft wie die Schweiz ist laut Regierungsrat auf freien Handel mit möglichst weiten Teilen der Welt angewiesen. Europa komme dabei eine einzigartige Bedeutung zu: Einerseits kann die Schweiz dank der bilateralen Verträge am europäischen Binnenmarkt teilnehmen. Andererseits hat die EU als Exportregion volumenmässig eine herausragende Bedeutung für die Schweiz.
Wie steht die Aargauer Regierung zu den neuen EU-Verträgen?
Auch die Beziehungen zur EU sind gemäss Regierung von Unsicherheit geprägt, die Partnerschaft sei aber insgesamt deutlich verlässlicher als mit anderen Regionen. Vor diesem Hintergrund begrüsst der Regierungsrat die laufenden Arbeiten und Entscheidungsprozesse zur Stabilisierung der Beziehungen. Im Detail werde er sich im Rahmen der Vernehmlassung des Verhandlungspakets Schweiz-EU mit den Vorschlägen befassen.