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«Wir sind definitiv auf der Überholspur»: Grosse Ehre für Badener Blues-Formation nach schwierigen Zeiten

Die Geburtsstunde der Justina Lee Brown Band schlug in Baden – jetzt wurde sie mit dem Swiss Blues Award geehrt. Eine Auszeichnung, die vor allem für die Sängerin Balsam ist.

Es war für alle Bandmitglieder der Justina Lee Brown Band ein unvergesslicher Moment, als ihnen am 19. April 2024 am Bluesfestival Baden der Swiss Blues Award verliehen wurde. Die Wahl der über 150-köpfigen Fachjury der Swiss Blues Society fiel auf die Badener Formation mit der nigerianischen Sängerin, weil sie im Verlauf der letzten Jahre mit ihrem Schaffen sowohl die nationale als auch internationale Bluesszene geprägt hat.

2019 gewann sie die Swiss Blues Challenge und konnte deshalb an die International Blues Challenge nach Memphis reisen. Dort katapultierte sie sich bis ins Halbfinale. Mit kraftvollen Songs, tiefgründigen Texten und der unglaublichen Bühnenpräsenz von Sängerin Justina Lee Brown eroberte die Band das Publikum allerorts im Sturm. «Bald hatten wir Angebote für Konzerte in Europa und den USA. Sogar eine Anfrage aus Schanghai war dabei», erinnert sich der Badener Gitarrist und Gründungsmitglied Nic Niedermann.

Doch Corona machte alles zunichte. Während er Rückhalt in der Familie hat und finanziell abgesichert ist, stand Justina vor dem Nichts und fiel in eine tiefe Depression. Da war wieder dieses Gefühl der Verlorenheit, das sie in ihrer Heimatstadt Lagos (Nigeria) hatte, wo sie mit ihrer Mutter jahrelang auf der Strasse lebte. Und das sie abermals verspürte, als sie nach einer erfolgreichen Popmusik-Karriere in Afrika alles aufgab und in Europa nochmals bei null anfing.

Schicksal in emotionalen Songs verarbeitet

Weil es an Auftrittsmöglichkeiten fehlte, zog sich Justina zurück und verarbeitete ihre schicksalshafte Vergangenheit in sehr persönlichen und emotionalen Songs, die auf dem Album «Lost Child» Einzug fanden. Es wurde von der Blues Society Schweiz 2023 zum «Best produced Album of the Year» gekürt. 30 Konzerte hat die Justina Lee Brown Band dieses Jahr bereits hinter sich, über 50 weitere Gigs stehen bevor und führen sie bis auf die Azoren in Portugal.

Der Auftritt an der internationalen Jazzwoche in Burghausen (D) im vergangenen März wurde in einer einstündigen Sendung live im Bayerischen Rundfunk übertragen (und ist heute noch abrufbar auf der BR-Mediathek). «Wir sind zurzeit definitiv auf der Überholspur», freut sich Niedermann. Er wirkt ruhig und gelassen, trotz des Riesenpensums, das zurzeit ansteht. Denn der 60-Jährige arbeite noch zu 40 Prozent als Musiklehrer an der Kanti Wettingen, ist Teil des Gitarrenduos Tonic Strings und der Band Rotosphere und veranstaltet jeweils donnerstags die «Afterwork»-Konzerte im Badener Club Coco, wo er vor sieben Jahren Justina kennenlernte.

Er hat die Songs auf «Lost Child» arrangiert, die aus der Feder der Sängerin stammen, und zieht die Fäden im Hintergrund, damit sie als Frontfrau mit der einzigartigen Stimme so richtig zum Glänzen kommt. «Nur auf der Bühne fühle ich mich richtig zuhause», sagte die 39-Jährige einmal in einem Interview. In Nigeria, wo sie mittlerweile mit ihrer JLB Care Foundation Strassenkindern eine bessere Zukunft bieten will, fühlt sie sich heute fremd. Und wird hierzulande zwar als Künstlerin bewundert und verehrt, bleibt aber mit ihren afrikanischen Wurzeln doch immer die Exotin.

Musikalische Pläne noch nicht spruchreif

Die Bilder der Vergangenheit verfolgen Justina Lee Brown allerdings nicht mehr. «Ich habe damit abgeschlossen und dank der Musik meinen Seelenfrieden gefunden», sagt sie. Wenn sie in den Spiegel schaut, sieht sie die starke, gereifte Frau, welche sie geworden ist und nicht mehr das hungernde, verzweifelte Kind in einem gewaltvollen Umfeld, das sie einst war. Obwohl sie ein Mensch ist, der sehr im Moment lebt, hat sie Pläne, was ihre musikalische Karriere anbetrifft.

Spruchreif ist allerdings noch nichts. «Ich will auf jeden Fall noch besser und professioneller werden und das Publikum mit neuen Songs überraschen. Es wird sich einiges ändern», meint sie vielsagend. Vor allem liegt ihr aber eines am Herzen: «Ich möchte den Menschen, die mir zuhören, mit meinen Liedern Kraft geben.» Sie selber sei das lebendige Beispiel dafür, dass Musik eine heilsame Wirkung habe.