
Vom Blitzerfoto zur Eskalation: Mann zerreisst Befragungsprotokoll auf Polizeiposten – und landet vor Gericht
Ursächlich war die Geschwindigkeitsübertretung eines Automobilisten, begangen an einem Samstagnachmittag im März 2023 in Baden-Württemberg. Da das Mietfahrzeug im Aargau eingelöst war, hatte das zuständige Landratsamt zwecks Lenkerermittlung ein Rechtshilfeersuchen an die hiesigen Behörden gestellt.
Nachdem die Stadtpolizei Baden als Fahrzeugmieter einen in der Region wohnhaften Deutschen ermittelt hatte, war dieser am 8. August 2023 zwecks Einvernahme auf dem Posten erschienen. Dort hatte Wolfgang (Name geändert) ausgesagt, dass er besagten Wagen zwar gemietet, aber an einen Arbeitskollegen weitergegeben gehabt habe. Die Personalien des Kollegen hatte er spontan nicht nennen können.
Zwei Tage später hatte er kundgetan, besagter Lenker sei aus Südamerika, nur kurz in Deutschland gewesen und Genaueres von ihm wisse er nicht. Vom Beamten aufgefordert, dies abzuklären, hatte Wolfgang anderntags Einsicht in das am Tag zuvor erstellte Befragungsprotokoll verlangt, hatte es genommen, zerrissen und den Posten mitsamt den Protokoll-Fötzeln verlassen.
Weil Wolfgang gegen den darauf folgenden Strafbefehl wegen Hinderung einer Amtshandlung und Unterdrückung von Urkunden Einsprache erhoben hatte, sass er dieser Tage im Bezirksgericht Baden vor Einzelrichterin Angela Eckert, wo der Ingenieur Mitte 50 keineswegs abstritt, das Protokoll zerrissen zu haben. Auf rechtlichen Beistand verzichtete er.
Seine Besuche auf dem Polizeiposten sowie seinen Frust und Zorn, die daraus resultierten, hatte Wolfgang schriftlich akribisch festgehalten. Er hatte sich telefonisch an die Redaktion dieser Zeitung gewandt und ihr die Dokumentation geschickt, damit diese sich ein Bild von der Angelegenheit machen kann.
Demnach war Wolfgang auf dem Posten mit den Fotos vom Blitzer der Geschwindigkeitsüberschreitung konfrontiert worden und hatte konsequent ausgesagt, dass keineswegs er der darauf sichtbare Lenker sei. Der Beamte und eine Mitarbeiterin ihrerseits waren ebenso konsequent überzeugt, das Foto zeige eindeutig Wolfgang.
Aussage gegen Aussage waren im Verlauf der drei Besuche sowohl der Laune von Wolfgang als auch jene vom Beamten abträglich und entsprechend war der verbale Schlagabtausch immer hitziger geworden. Schliesslich hatte Wolfgang sich zu einer Beschwerde beim Badener Stadtammann Markus Schneider und dem für öffentliche Sicherheit zuständigen Stadtrat Matthias Gotter genötigt gefühlt: In einem fünfseitigen Mail unter dem Titel «Unverhältnismässiges Agieren der Stadtpolizei Baden» schrieb er darin unter anderem von «Aggressivität», «Drohgebärden» und «grimmigem Gesicht» seitens des involvierten Beamten, sowie von «imposanter und einschüchternder Art» eines weiteren «laut schreienden Polizisten».
Stadtrat blieb ihm Antwort schuldig
«Ich verliess den Raum in Panik und Angst vor weiteren Repressalien …», «Als mir das von mir am Vortag unterschriebene Formular ausgehändigt wurde, waren einige Felder nicht ausgefüllt gewesen, sodass nachträglich Änderungen hätten vorgenommen werden können … Ich war geschockt über diese Praktik und sehr aufgebracht und habe das Papier im Affekt zerrissen.» Am Ende bittet er «den Herrn Stadtammann Schneider und Herrn Stadtrat Gotter für Öffentliche Sicherheit um einen persönlichen Besprechungstermin, wie in der Sache weiterverfahren werden soll.»
Die beiden Herren seien ihm bis heute eine Antwort schuldig geblieben, sagt Wolfgang an der Verhandlung. Erneut betont er im Gerichtssaal, dass derjenige auf dem Blitzer-Foto keineswegs er sei. «Man sieht ja nicht einmal, ob da ein Mann oder eine Frau zu sehen ist. Klar aber ist, dass ich zu jenem Zeitpunkt 40 Kilometer entfernt unterwegs war.» Er lebe seit 16 Jahren in der Region und habe nie zuvor mit der Polizei zu tun gehabt. «Sowohl die Staatsanwältin wie auch die Polizisten haben klar gegen die Strafprozessordnung verstossen, indem sie mich nicht über meine Rechte belehrt hatten.» Zudem wurde das Verfahren in Deutschland laut Wolfgang inzwischen eingestellt.
Die Staatsanwältin hatte als Sanktion eine bedingte Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu 160 Franken (6400 Franken) sowie 1300 Franken Busse beantragt. Richterin Angela Eckert sprach Wolfgang schuldig gemäss Anklage, halbierte aber die bedingte Geldstrafe auf 20 Tagessätze und verzichtete auf eine Busse. Die 800 Franken Strafbefehlsgebühr muss Wolfgang ebenso bezahlen wie die Gerichtskosten von 1500 Franken.