
«Was gefunden wurde, übertraf die Erwartungen deutlich»: Elf Grubenhäuser und zwei Skelette aus dem Boden gehoben
Christian Maise, Ausgrabungsleiter der Aargauer Kantonsarchäologie, freut sich: «Was wir in Boswil fanden, übertraf die Erwartungen deutlich.» Er meint damit die Funde, die zwischen Bachstrasse und Kirchweg in Boswil gemacht wurden. Hier wird in den nächsten Monaten die Überbauung Wohnen am Wissenbach realisiert.
Zuvor aber beugten sich die Mitarbeitenden der Kantonsarchäologie über die frisch ausgehobene Erde. Sie nutzten während den wenigen Wochen die Möglichkeit, das Erdreich zu untersuchen. Denn: Wo bis anhin ein Bauernhaus stand, werden bald die Baumaschinen auffahren, um neuen Wohnraum zu erstellen. Und so forschten seit Anfang März die Mitarbeitenden der Kantonsarchäologie nach Spuren menschlichen Lebens in der Baugrube. Die Baustelle befindet sich im historischen Ortskern, es erstaunt nicht, dass sie fündig wurden.
Grubenhäuser und zwei Skelette freigelegt
Auf einer Fläche von 1400 Quadratmetern legten die Mitarbeitenden der Kantonsarchäologie unter anderem elf Grubenhäuser frei. Dabei handelt es sich um kleine Gebäude, die 40 bis 60 Zentimeter eingetieft im Boden standen. Sie dienten den Menschen zum Weben oder als Vorratskeller.

Bild: zvg
Die Fundobjekte aus den Grubenhäusern zeigen, dass diese aus dem 9. oder 10. Jahrhundert stammen. Damals wurde Boswil zum ersten Mal urkundlich erwähnt. In einer Liste der Besitzungen des Grossmünsters in Zürich wird um 880 ein Hof erwähnt, von dem aus bedeutende Ländereien in der Region verwaltet wurden.
Das lasse darauf schliessen, dass Boswil ein regionales Zentrum war, so Maise. Darauf deuten auch die Alte Kirche und die Martinskapelle hin. Ihre Bedeutung als Zentrum verlor die Gemeinde mit den Gründung des Klosters Muri und der Stadt Bremgarten.
Zwei Skelette wurden ebenfalls ausgehoben. Die christlichen Bestattungen dürften auf das 8. Jahrhundert zurückgehen. In dieser Zeit wurden die Toten manchmal neben den Häusern in Hofgrablegen bestattet. Funde, wie etwa ein Reitersporn, Hufeisen und Lavez-Gefässe lassen darauf schliessen, dass deren Besitzer wohlhabend waren.
Aargau wurde entwaldet: Das hatte Überschwemmungen zur Folge
Wesentlich älter waren sechs bronzezeitliche Feuergruben aus der Zeit um 1000 v. Chr. Diese langen, rechteckigen Gruben waren gefüllt mit verbrannten Steinen. Ihre Funktion ist nicht genau geklärt. Möglich ist, dass sie als Unterbau für einen Scheiterhaufen dienten.

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Überdeckt wurden die bronzezeitlichen und frühmittelalterlichen Strukturen durch eine anderthalb Meter hohe Schicht aus Lehm, Sand und Kies. Maise schätzt, dass diese Schicht nach dem Jahr 1000 entstanden sind. Darauf weisen ein kleiner Steinkeller und ein Steinsockel hin, letzte Überreste von Spychern, wie sie heute noch vereinzelt anzutreffen sind. Beide dürften aus dem 17. Jh. stammen und wurden bereits vom heutigen Niveau aus errichtet.
Spannendes Detail: Die hohen Schwemmschichten sind ein Beleg dafür, wie stark der Aargau entwaldet und damit die Umwelt zerstört wurde. Dies hatte Überschwemmungen und Murgänge zur Folge. Für die Kantonsarchäologie aber ein Vorteil: Diese Schichten schützten die alten Siedlungsspuren über die Jahrtausende.