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Brunnenmeister Bruno Wüthrich: «Wasser ist das am besten geprüfte Lebensmittel überhaupt»

Ende Oktober 2024 wurden vier Brittnauer Quellen wegen zu hoher S-Metolachlor-Werten ausser Betrieb genommen. Ist das Trinkwasser in Brittnau deswegen nun schlechter? Und welches Wasser fliesst eigentlich aus den Brunnen? 

Herr Wüthrich, Sie sind Brunnenmeister in Strengelbach und stellvertretender Brunnenmeister in Brittnau. Können Sie uns erklären, was im Oktober 2024 passiert ist?

Bruno Wüthrich: Die EU hat den Wirkstoff S-Metolachlor – ein Unkrautvertilger, der vor allem im Anbau von Mais und anderen Gemüsesorten gebraucht wird – bereits im Dezember 2023 als vermutlich krebserregend eingestuft. Die Schweiz hat zehn Monate später dasselbe getan und den Grenzwert für S-Metolachlor im Trinkwasser drastisch gesenkt, und zwar auf 0,1 Mikrogramm pro Liter.  Zuvor lag der Grenzwert bei 10 Mikrogramm pro Liter. Es darf heute also hundertmal weniger S-Metolachlor im Trinkwasser sein als bisher. Das führte dazu, dass vier Quellen in Brittnau den Grenzwert überschritten haben und stillgelegt wurden. Leider sind genau die vier Quellen betroffen, die am ergiebigsten waren, sie lieferten rund 600 Liter Wasser pro Minute. Einen konkreten Vorfall gab es letzten Oktober aber nicht, der zu erhöhten S-Metolachlor-Werten geführt hätte. Am Quellwasser hat sich nichts geändert, nur am erlaubten Grenzwert.

Wie sieht denn aktuell die Zusammensetzung des Brittnauer Trinkwassers aus?

Momentan besteht es etwa aus 90 Prozent Grundwasser und 10 Prozent Quellwasser. Bevor wir die vier Quellen stilllegen mussten, betrug der Quellwasseranteil rund 60 Prozent.

Woher kommen denn die 10 Prozent Quellwasser?

In Brittnau – vor allem im Waldgebiet – gibt es unzählige Quellen. Ein grosser Teil davon gehört privaten Genossenschaften, ein Teil gehört der Gemeinde. Im Bärenloch in Brittnau befindet sich eine Brunnstube, in die etliche unbelastete Quellen der Gemeinde fliessen, die allerdings nicht besonders ergiebig sind. Sie machen die 10 Prozent Quellwasser im Trinkwasser aus.

Das Grundwasserpumpwerk Brittnau liegt bei den Wiggerhöfen und ist von einer eingezäunten Schutzzone umgeben.
Bild: Oliver Schweizer

Heisst das nun konkret, dass die Qualität des Trinkwassers in Brittnau schlechter geworden ist?

Nein, das kann man so nicht sagen. Es ist anders, aber nicht schlechter als vorher, auch wenn viele Leute denken, nur Quellwasser sei richtig gutes Wasser.

Grundwasser benötigt in der Regel Wochen bis Jahre, um vom Versickerungsort zum Pumpwerk zu gelangen. In der Zeit, in der sich das Wasser in den Hohlräumen des Bodens bewegt, werden Verunreinigungen abgebaut oder zurückgehalten. Durch diese Prozesse wird das Wasser gereinigt und kann daher meistens ohne weitere Nachbehandlung bedenkenlos getrunken werden. Das Wasser wird während seiner Wanderung durch den Boden allerdings nicht nur gereinigt, sondern nimmt dabei auch Mineralien und Spurenelemente aus dem Boden auf. Grundwasser ist daher oft relativ hart und mineralstoffreich.

Quellen dagegen sind Orte, an denen Grundwasser natürlicherweise aus dem Boden austritt. Eigentlich handelt es sich beim Quellwasser ebenfalls um Grundwasser. Ein wichtiger Unterschied zum Grundwasser besteht aber darin, dass Quellwasser streckenweise nahe an der Oberfläche entlang fliesst und nicht so lange im Boden verweilt. Somit entzieht das Quellwasser bei der natürlichen Reinigung weniger Mineralien aus dem Boden. Das Quellwasser Brittnaus wird konstant mit Trübungsmessgeräten überwacht und mittels UV-Anlage behandelt, bevor es ins Trinkwasser kommt.

Vier zentrale Punkte zur Trinkwasserversorgung in Brittnau

In Absprache mit den Brunnenmeistern Martin Wilhelm und Bruno Wüthrich hat der Gemeinderat Brittnau bezüglich der Trinkwasserversorgung folgende zentrale Punkte definiert, wie Vizeammann Christoph Tschupp, auf Anfrage mitteilt:

– Die Qualität des Wassers wird laufen durch die Wasserversorgung der Gemeinde geprüft.

– Für die Trinkwasserversorgung wird nur Wasser in das System auch eingespeist, das bezüglich S-Metolachlor-Belastung unterhalb des Grenzwertes liegt.

– Die Netzkapazität wird dem Verbrauch angepasst, die Versorgung mit qualitativ gutem Wasser ist so auch in den Sommermonaten gewährleistet. Das heisst, auch bei hohem Verbrauch muss nicht auf die belasteten Quellen zurückgegriffen werden.

– Die Messwerte der Quellen müssen nachweislich über Monate unter dem Grenzwert liegen, bis das Wasser wieder der Trinkwasserversorgung zugeführt werden.

War die Stilllegung der vier belasteten Quellen zwingend oder hätte es Alternativen gegeben?

Es hätte Alternativen gegeben. Die erste wäre die Aufbereitung, das heisst die Reinigung des Quellwassers. Die ist aber mit so hohem Aufwand verbunden, auch kostentechnisch, dass dadurch das Brittnauer Trinkwasser erheblich teurer würde. Da die Gemeinde glücklicherweise bereits über ein Grundwasser-Pumpwerk verfügt, liegt es nahe, den Anteil Grundwasser zu erhöhen statt für teures Geld Quellwasser zu reinigen. Eine weitere Alternative hätte darin bestanden, mindestens eine der vier belasteten Quellen am Netz zu lassen und die Einhaltung des Grenzwerts durch das Mischen mit unbelastetem Grundwasser zu erreichen. So hat es zum Beispiel die Gemeinde Birmensdorf getan, die letzten Oktober ebenfalls betroffen war von zu hohen S-Metolachlor-Werten.

Wir entschieden uns gegen diese Alternativen und legten die vier belasteten Quellen ohne Zögern still, was wir auch sofort transparent kommuniziert haben. Uns schien diese Vorgehensweise konsequent und ehrlich.

Ich persönlich hätte übrigens keinerlei Bedenken, Wasser von diesen vier belasteten Quellen zu trinken. Man muss sich ab und zu vor Augen halten, dass Wasser das bestgeprüfte Lebensmittel überhaupt ist. Zudem werden die Messmethoden immer feiner und präziser. Ehrlich gesagt würde ich gerne wissen, wie hoch der S-Metolachlor-Wert zum Beispiel in Rotweinen ist. Ich vermute, da würde man richtig staunen…

 Was geschieht nun mit den vier stillgelegten Quellen?

Diese Quellen werden regelmässig beprobt, damit wir den Verlauf der Wasserqualität feststellen können. Der S-Metolachlor-Wert hat sich seit dem Oktober 2024 noch nicht wesentlich nach unten bewegt. Der Wert des seit 2020 verbotenen Fungizides Chlorothalonil – ebenfalls ein grosses Thema in der Landwirtschaft – hat sich hingegen in den letzten fünf Jahren halbiert. Das stimmt mich etwas zuversichtlich. Wie lange es dauern wird, bis der S-Metolachlor-Grenzwert wieder unterschritten wird und die Quellen wieder ans Wassernetz angeschlossen werden können, kann ich heute noch nicht abschätzen.

Im Grundwasserpumpwerk wird Wasser aus einer Tiefe von rund 20 Metern gefördert.
Bild: Oliver Schweizer

Das bedeutet, dass man ausser Abwarten nichts tun kann?

Das System ist so weit automatisiert, dass sich Quellen bei Starkregen automatisch ausser Betrieb setzen. Somit ist eine Verunreinigung durch Oberflächenwasser nicht möglich. Die Verunreinigungen durch die Landwirtschaft sind bereits erfolgt und können nicht rückgängig gemacht werden. Da S-Metolachlor nun nicht mehr eingesetzt werden darf, wird der Wert stetig sinken. Wie schnell, das bleibt abzuwarten.

Fliesst aus den Brunnen in Brittnau aktuell dasselbe Wasser wie aus dem Wasserhahn?

Nein. Das Wasser der Brunnen wird von verschiedenen Quellen in Waldgebieten bezogen. Diese Wasserversorgungen werden von verschiedenen Genossenschaften betrieben. Man muss dazu wissen, dass das Trinkwassernetz in Brittnau erst seit 1915 existiert. Die Brunnen sind aber alle viel älter und werden durch ein eigenes Wassernetz gespiesen. Das ist bis heute so. Wir finden noch heute im Wald alte Holzleitungen und sogar solche aus Ton, die hunderte Jahre alt sind.

Kann es unter Umständen gesundheitsschädigend sein, in Brittnau Brunnenwasser zu trinken?

Nein, da muss man keine Angst haben. Die Genossenschaften führen ebenfalls in regelmässigen Abständen Wasserproben durch. In Quellen aus Waldgebieten können Rückstände von Pflanzenschutzmitteln nur in sehr geringen Mengen nachgewiesen werden, weil da keine Landwirtschaft betrieben wird.

Nach derartigen «Vorfällen» hört man immer wieder die Forderung nach einer Ausweitung der Schutzzonen um Quellen und Grundwasser-Pumpwerke. Wie stehen Sie dazu?

Grundsätzlich befürworte ich diese Forderung natürlich, je grösser die Schutzzonen, desto besser. Das Dilemma besteht darin, dass der Platz generell immer knapper wird und eine Ausweitung der Schutzzonen häufig dazu führt, dass sich plötzlich Wohnhäuser oder sogar Industrieunternehmen innerhalb der Schutzzone befinden. Das stellt uns vor fast unlösbare Probleme, besonders, wenn Abwasserleitungen durch die Zone führen. Am Ende bleibt nur die Option, die Pumpstation an einen anderen Ort zu verlegen. Das wiederum ist oft nicht sinnvoll, denn die Stationen sollten sich eigentlich da befinden, wo die Menschen wohnen, nicht irgendwo weit weg. Dieses Thema wird uns in Zukunft noch oft beschäftigen, da bin ich mir sicher.

Unser Wasser

Während des Sommers ist das Wasser immer und überall Thema. Sei es, weil es fehlt, weil zu viel vorhanden ist oder weil es nicht da verfügbar ist, wo es gebraucht wird. Die Serie «Unser Wasser» greift verschiedene Aspekte zum Thema Wasser auf.