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Coronaforschung am Kantonsspital Aarau: «Wir haben mehrere Medikamente nach unseren Studien wieder aussortiert»

Am selben Tag, als der Bundesrat das Ende der Coronamassnahmen bekannt gab, präsentierten fünf Forscherinnen und Forscher am KSA die Resultate ihrer Covid-Studien. Untersucht wurden unter anderem die Qualität der Coronatests und die Wirksamkeit verschiedener Medikamente.

«Covid-19 hat uns in den letzten zwei Jahren sehr stark gefordert und beschäftigt», sagte Philipp Schütz, Chefarzt Allgemeine Innere und Notfallmedizin am Kantonsspital Aarau (KSA), als er am Mittwoch den Research Lunch im grossen Hörsaal eröffnete. Neben der Behandlung von Covid-Patienten, der Durchführung von Coronatests und der Impfkampagne betrieb das KSA aber auch Forschung. Fünf Referentinnen und Referenten präsentierten am Mittwoch die Ergebnisse von Studien, die am Spital seit Ausbruch der Pandemie durchgeführt wurden.

Luca Bernasconi, Abteilungsleiter Medizinische Immunologie und Klinische Chemie Labormedizin, berichtete über Untersuchungen zur Qualität und Aussagekraft von Coronatests. Hintergrund der Studie war die Tatsache, dass der Personalaufwand für PCR-Tests relativ hoch ist und es zu Beginn der Pandemie bis zu 24 Stunden dauerte, bis ein Resultat vorlag. Andererseits waren die PCR-Tests genauer als die später eingeführten Antigen-Schnelltests, die wiederum weniger aufwendig sind und rascher ein Resultat liefern.

Luca Bernasconi befasste sich mit der Qualität von Coronatests.

Bernasconi sagte, am KSA habe man im Verlauf der Pandemie insgesamt 26 Anpassungen der Tests durchgeführt, jedes Mal musste der Test wieder neu validiert werden. Die Studien unter seiner Leitung zeigten unter anderem, dass bei der aktuellen Omikron-Variante praktisch keine falsch-positiven Schnelltests vorkommen und damit eine Bestätigung mittels PCR-Test nicht nötig ist. Auf die Frage von Schütz, wie sich die Genauigkeit der Tests bei Virusmutationen verändern werde, sagte Bernasconi: «Es ist schwierig vorauszusagen, ob man den Test immer wieder anpassen muss, bei den PCR-Tests glaube ich das eher nicht.»

Geruchs- und Geschmacksverlust: Frauen und Junge stark betroffen

Hanna Brockmeier, Oberärztin für Hals-, Nasen-, Ohren-Krankheiten, stellte eine Studie zum Geruchs- und Geschmacksverlust bei Coronapatienten vor. Diese wurde mit zwei Testgruppen durchgeführt – bei der ersten Studie mit 103 positiven Patienten im März 2020 zeigte sich, dass rund zwei Drittel der Betroffenen über Störungen des Geruchs- oder Geschmackssinns klagten. Dies war allerdings nicht das erste Krankheitssymptom, sondern trat erst nach einigen Tagen auf. Betroffen von Geruchs- und Geschmacksverlust waren vor allem junge Leute und Frauen.

Eine zweite Studie mit 41 Teilnehmenden wurde später durchgeführt – in einer Phase der Pandemie, als es nicht erlaubt war, die Probanden für Tests ins KSA einzuladen. Deshalb wurden den Personen standardisierte Riech- und Geschmacksproben nach Hause geschickt und die entsprechenden Tests per Videocall durchgeführt. Dabei zeigte sich, dass die Wahrnehmung von sauer (33 Prozent) und salzig (18 Prozent) häufiger vermindert war als die von süss oder bitter.

Hanna Brockmeier erforschte die Ursachen für den Geruchs- und Geschmacksverlust bei Covid-Patienten.

Brockmeier erklärte dies damit, dass die Botenstoffe für diese beiden Geschmacksrichtungen über spezielle Kanäle an die Nerven übergehen. Darin finden sich bei Coronapatienten hohe Werte des Enzyms Angiotensin / ACE2, die dazu führen könnten, dass die Geschmacksstoffe blockiert werden. Weil andere Geschmacksrichtungen wie süss oder bitter auf einem anderen Weg übertragen werden, sind diese weniger betroffen.

Auf die Frage von Schütz, ob sich der Geschmacks- und Geruchsverlust bei allen Covid-Patienten wieder zurückbilde, sagte Brockmeier, dies sei bei den meisten der Fall. Bei rund 10 bis 20 Prozent halte dieses Symptom an und man versuche, die Wahrnehmung mit Trainings zu verbessern. Die Ärztin befürchtet aber, dass es einige Patienten geben wird, bei denen der Geruchs- und Geschmacksverlust dauerhaft bleiben könnte.

Coronavirus greift die Augen von Patienten in den meisten Fällen nicht an

Marcel Menke, Chefarzt Ophthalmologie an der Augenklinik des KSA, untersuchte die Frage, ob sich Covid-19 auch auf die Augen auswirkt. Ganz zu Beginn der Pandemie sei das Coronavirus als Atemwegserkrankung beschrieben worden, sagte der Augenarzt. Später stellte sich aber heraus, dass es sich um eine sogenannte Systemkrankheit handelt, die auch Auswirkungen ausserhalb der geschädigten Lunge hat.

In den ersten Wochen der Pandemie gab es laut Menke einige Berichte, dass Covid-19 auch Bindehautentzündungen auslösen oder die Netzhaut und Sehnerven schädigen könnte. Es war damals aber unklar, ob dies tatsächlich Symptome waren, die vom Coronavirus ausgelöst wurden, oder ob es sich um Folgen von Vorerkrankungen handelte. In der aufwendigen Studie zeigte sich, dass die zweite Annahme zutraf und praktisch nur ältere Patienten mit Bluthochdruck oder Diabetes von Augenproblemen betroffen waren.

Nur in Einzelfällen könne es vorkommen, dass das Coronavirus direkt in das Augengewebe eindringe. Menke und sein Team kamen zum Schluss, dass es bei diesen Resultaten nicht sinnvoll sei, Covid-Patienten künftig routinemässig einer Augenuntersuchung zu unterziehen. Dies auch, weil solche Untersuchungen des Augenhintergrunds sehr anspruchsvoll und auf einer infektiologischen Station schwierig durchzuführen seien.

Blutwerte gewisser Stoffe können Krankheitsverlauf anzeigen

Die klinische Forscherin Claudia Gregoriano präsentierte eine Studie, die zum Ziel hatte, Patienten möglichst früh zu erkennen, bei denen ein schwerer Krankheitsverlauf drohte. Dies vor dem Hintergrund, dass die Belastung des Gesundheitswesens in der Pandemie hoch war und die Ressourcen knapp waren. Gregoriano versuchte, mit sogenannten prognostischen Biomarkern den späteren Schweregrad der Erkrankung zu ermitteln.

Dabei kamen drei Substanzen zum Einsatz, die in Blutproben analysiert wurden: ProADM, Copeptin und proET-1. Die Werte bei Covid-Fällen wurden auch mit jenen von Patienten verglichen, die an einer Lungenentzündung oder einer Bronchitis litten. Bei den ersten beiden Stoffen zeigte die Studie, dass die Werte bei Patienten, die an Covid-19 gestorben waren, deutlich höher waren als bei Personen, welche die Krankheit überlebt hatten. Bei der dritten Substanz lagen die Werte von Patienten mit Covid hingegen tiefer als bei Bronchitis oder Lungenentzündung. Ergebnis: Für das Ziel, schwere Krankheitsverläufe vorherzusagen, kommen nur ProADM und Copeptin in Frage.

Infektiologin: «Wir haben mehrere Medikamente wieder aussortiert»

Anna Conen, stellvertretende Chefärztin Infektiologie am KSA, berichtete über mehrere Studien zur Wirksamkeit von Medikamenten gegen Covid-19. Sie hielt fest, zu Beginn der Pandemie sei nicht klar gewesen, wie man die Krankheit am effizientesten behandeln solle. Es habe viele Preprints gegeben, also noch nicht überprüfte Studien, zudem fast schon einen Wettbewerb unter Forschern aller Welt, schnell Resultate zu publizieren.

Das KSA beteiligte sich in der Folge an der sogenannten Solidarity-Studie der Weltgesundheitsorganisation WHO. Dabei wurden neben der am Spital üblichen Therapie – primär die Symptome von Covid-19 zu bekämpfen, später beatmeten Patienten auch Cortison zu verabreichen – analysiert, wie verschiedene Medikamente wirkten. Untersucht wurden die Effekte von Remdesivir, Lopinavir/Ritonavir und Hydroxychloroquin – alles Mittel, die eigentlich gegen andere Krankheiten entwickelt worden waren, aber gegen Covid-19 auch ausprobiert wurden.

Die ernüchternde Bilanz von Conen: Keine der untersuchten Therapien mit diesen Mitteln zeigte positive Resultate, «wir haben im Verlauf der Studien diverse Medikamente als wirkungslos aussortiert». In einer zweiten Phase wurden weitere Mittel auf ihre Wirkung gegen Covid hin analysiert, dabei zeigte sich laut der Infektiologin, dass die Mittel Dexamethason und mit Abstrichen auch Tocilizumab positive Effekte zeigten.

Hoffnungen für die künftige Behandlung von Covid-Patienten setzt Conen in das Mittel Paxlovid, das in der Schweiz wohl ab Anfang Mai zugelassen sein werde. Allerdings wirkt auch dieses antivirale Medikament von Pfizer nur, wenn es in einer frühen Phase der Infektion eingesetzt wird. Wenn ein Patient bereits mit einer Lungenentzündung im Spital liege, sei es für eine solche medikamentöse Behandlung zu spät, sagte die Infektiologin.