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Schweizerinnen und Schweizer gehen zum Posten seltener über die Grenze

Die Pandemie hat den Einkaufstourismus für einige Monate fast zum Erliegen gebracht. Doch er bleibt trotz Aufhebung der Massnahmen unter dem Ausmass von vor Corona zurück. Eine HSG-Studie zeigt auch mögliche Gründe auf: Die Schweizer schätzen die eigenen Geschäfte mehr als früher.

Diesen Frühling liefen auch in Deutschland die Massnahmen gegen den Coronavirus aus. Shoppingtouren steht also kaum noch etwas im Weg. Trotzdem sind die Gassen dort in den letzten Monaten weniger geschäftig als noch vor der Pandemie. Das stellte die IHK Hochrhein-Bodensee schon im Sommer fest. Die Besucherfrequenz in den Innenstädten und Geschäften sei gesunken, heisst es in einer Studie des Wirtschaftsverbands. «20 bis 30 Prozent der Schweizer Kundschaft fehlt weiterhin.»


Das bestätigt nun eine Studie des Forschungszentrums für Handelsmanagement der Universität St.Gallen (IRM-HSG). Das Institut hat über 3000 Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten zum Einkauf im grenznahen Ausland befragt. Laut der Umfrage ist der Anteil der Schweizer Konsumenten, die ab und zu im Ausland einkaufen, gesunken. Er sank zwar nur um vier Prozentpunkte auf 72,8 Prozent. Die Einkaufstouristen gingen aber seltener zum Einkaufen über die Grenze. Und sie gaben pro Shoppingtour im Schnitt nur noch 216 Franken aus, knapp 30 Franken weniger als 2017, als das Institut die Umfrage zum letzten Mal durchführte.

900 Millionen weniger für Geschäfte im Ausland

So kommt auch das IRM-HSG zu Resultaten, welche die süddeutschen Detailhändler durchaus beunruhigen dürften. Denn gemäss Umfrage geben die Schweizer pro Jahr zwar immer noch knapp sieben Milliarden fast 900 Millionen Franken weniger in Geschäften im grenznahen Ausland aus als noch 2017. Was aber nicht bedeutet, dass dieses Geld ausschliesslich Schweizer Geschäften zufliesst. Auch die Studie der IHK Hochrhein-Bodensee anerkennt die zunehmende Bedeutung des Onlinehandels:

«Der Onlinehandel bietet eine nicht zu überbietende Produktvielfalt, attraktive Preise und die Lieferung über Nacht.»

Eine Entwicklung, die von der Pandemie nun beschleunigt wurde.

Und so nimmt auch die Zahl der Schweizerinnen und Schweizer zu, die virtuell auf Shoppingtour gehen. Der Anteil der Befragten, die angeben, online im Ausland einzukaufen, stieg um knapp fünf Prozentpunkte auf 41,9 Prozent. Doch der Anstieg des Online-Einkaufstourismus um gut 240 Millionen Franken auf 1,43 Milliarden macht die Verluste im stationären Bereich nicht wett. Insgesamt würden Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten pro Jahr rund 8,43 Milliarden Franken im grenznahen Ausland ausgeben, knapp 600 Millionen weniger als 2017.

Inflation in Deutschland stärker

Die Gründe dafür seien vielfältig, schreibt das IRM-HSG. Der wichtigste Beweggrund für den Einkauf im Ausland ist weiterhin der Preis. Doch das Argument hat an Strahlkraft verloren. Die Inflation zeigt sich in Deutschland sehr viel deutlicher als hierzulande. Das habe auch eine Mehrheit der Einkaufstouristen bemerkt. Rund ein Drittel der Befragten gaben an, wegen der Inflation ihr Einkaufsverhalten zu verändern. Rund ein Fünftel kaufen deswegen häufiger in der Schweiz ein.

Sind Schweizer Detaillisten freundlicher geworden?

Allerdings holt die Schweiz in den Augen der Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten auf, und zwar nicht nur in der Preisfrage. So bewerteten die Befragten die Schweizer Händler besser als vor fünf Jahren. Das Angebot an Markenprodukten, die Auswahl und der Service bekamen 2022 bessere Noten als fünf Jahre zuvor. So bewerteten noch vor fünf Jahren über 40 Prozent der Konsumenten das Fleischangebot bei deutschen Händlern als besser. Heute sind es nur noch 35 Prozent. Gleichzeitig stieg die Zahl derer, die das Schweizer Angebot besser bewerten, von knapp 30 auf 38,9 Prozent. Eine Entwicklung, die sich in vielen Bereichen zeigt. Auch das Personal scheint in den Augen der Einkaufstouristen nicht mehr viel freundlicher zu sein als vor fünf Jahren.

Wie diese Ergebnisse zu Stande kommen, ist nicht ganz klar. «Vielleicht waren es die strikteren Einschränkungen während der Pandemie, die zur zum Teil erheblich schlechteren Wahrnehmung führten», heisst es in der Studie. Denkbar sei auch ein Leistungsabfall bei den Händlern im Ausland oder eine Verbesserung bei den einheimischen Geschäften.

«Wahrscheinlich erklären alle drei Argumente, weshalb der Einkaufstourismus zurückgegangen ist.»

Schweizerinnen und Schweizer setzen auf Qualität und Region

Thomas Rudolph, Ordentlicher Professor für Marketing und Internationales Handelsmanagement, Universität St.Gallen.
PD

Für Thomas Rudolph, Leiter des Forschungszentrums für Handelsmanagement, sieht noch einen anderen Grund: «Wir sehen insgesamt einen Trend hin zur Regionalität. Dieser Effekt wurde möglicherweise von der Pandemie gestärkt, allerdings nicht ausgelöst.» Das spiegle sich auch in den Umfrageergebnisse wieder. Generell werde die Qualität bei Schweizer Händlern besser bewertet, heute aber noch mehr als 2017. «Da sehen wir einen Wunsch nach Frische und Regionalität, den Schweizer Händler besser abdecken.»

Diese Vorlieben der Schweizer Kunden hat auch die IHK jenseits des Bodensees erkannt. Um trotzdem für alle Kundengruppen, auch Schweizerinnen und Schweizer attraktiv zu bleiben, empfiehlt die deutsche Studie deshalb, möglichst für lebendige Innenstädte zu sorgen. «Innenstädte müssen noch mehr als Ort des Austausches – kulturell, politisch, sozial und ökonomisch – präsentiert werden», heisst es in der Studie. Dafür seien aber wohl mehr Anstrengungen von Wirtschaft, Politik und den Unternehmern selber notwendig. Damit könnten sie Erfolg haben: Laut IRM-Studie verbinden die Schweizer den Einkauf im Ausland vermehrt mit Ausflügen und touristischen Aktivitäten.