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Die Pandemie-Flaute in den Kinosälen ist fast überwunden

20 Prozent mehr Besucherinnen und Besucher strömten im vergangenen Jahr in die Schweizer Kinos. Erstmals nach der Pandemie wurden damit wieder mehr als zehn Millionen Eintritte verzeichnet. Ein Gespräch mit Konrad «KinoKoni» Schibli über die Kinobranche.

Alles andere als rosig waren die Zeiten für die Kinobetreiber während der Pandemie. Die Kinosäle blieben lange zu, die Besucherzahlen brachen regelrecht ein. Statt 12,51 Mio. Tickets (2019) konnten die Kinobetreiber in der Schweiz gerade noch 4,35 Mio. Tickets verkaufen. Heute sieht das ganz anders aus. Denn die Kinosäle füllen sich allmählich wieder. Das zeigen die kürzlich veröffentlichten Zahlen des Bundesamts für Statistik. 2023 wurden an den Kassen der Schweizer Kinos insgesamt 10,46 Mio. Eintritte registriert – erstmals seit der Beendigung der Pandemie konnte damit die 10-Millionen-Grenze wieder geknackt werden. Im Vergleich zum Vorjahr konnte die Anzahl verkaufter Kinotickets um 20 Prozent gesteigert werden, obwohl das Angebot an neuen Filmen (–2 Prozent) und die Anzahl Vorführungen (–5 Prozent) leicht rückläufig waren. Das Niveau aus der Vor-Covid-Zeit ist aber immer noch nicht ganz erreicht – es fehlen weiterhin 16 Prozent. Und von den Eintrittszahlen nach der Jahrtausendwende – als regelmässig zwischen 15 und 18 Mio. Besucherinnen und Besucher in die helvetischen Kinotempel pilgerten – können die Kinobetreiber momentan nur träumen. «Die Zahlen treffen im Grossen und Ganzen auch auf unsere Kinos zu», sagt Konrad «KinoKoni» Schibli, der neben den sechs Kinosälen im Oftringer youcinema weitere fünf Kinosäle in Olten betreibt. «Mit 190 000 Eintritten haben wir in Oftringen gegenüber Vorjahr 23 Prozent zugelegt, mit 40 000 Eintritten (plus 15 Prozent gegenüber Vorjahr) sind wir dagegen in Olten etwas unter dem schweizerischen Durchschnitt geblieben», führt er aus. Schibli findet das Ergebnis aber «ganz okay».

Pandemie noch nicht ganz bewältigt

Die Nachwehen der Pandemie spürt der 55-Jährige allerdings immer noch. Sowohl in Oftringen als auch in Olten seien die Besucherzahlen noch nicht auf dem Vor-Corona-Niveau. Dazu hat sich mit den in bis anhin unbekannte Höhen geschossenen Strompreisen ein neues Problemfeld eröffnet. Seine Stromrechnung fürs youcinema beläuft sich statt wie bisher auf rund 12 000 Franken nun auf rund 30 000 Franken. Pro Monat! «Diese Mehrkosten können wir nicht eins zu eins auf unsere Besucherinnen und Besucher überwälzen», hält Schibli unmissverständlich fest. Abfedern könnte er das allenfalls mit der Installation einer Photovoltaik-Anlage auf dem Dach des Oftringer Multiplex-Komplexes. Doch die Reserven für eine derartig grosse Investition fehlen ihm wegen der Pandemie. Ein Teufelskreis.

Doch jammern mag Schibli deswegen nicht. «Es gibt zwischen 3000 und 6000 Leute, die pro Woche zu uns kommen und gut gelaunt sind», meint er. Das zeige das Bedürfnis, dass sich die Leute wieder treffen und vergnügen wollten.

Familie ist seit bald 100 Jahren im Kinobusiness tätig

Die Begeisterung fürs Kino wurde Schibli quasi in die Wiege gelegt. Stammt er doch aus einer Oltner Kino-Dynastie, die auf seinen Grossvater Bruno Schibli zurückgeht. Dieser baute 1926 das Kino Palace in Olten. 1974 übernahm Bruno Schiblis Sohn Peter das Palace, später kamen weitere Kinos in Olten dazu. Konrad Schibli, der Sohn von Isabelle und Peter Schibli, ist im und über dem Palace aufgewachsen. Schon mit sechs Jahren hat er im Palace mitgearbeitet und Familien bei Kindervorstellungen an ihre Plätze begleitet, mit zwölf Jahren hat er erste Filme vorgeführt. Später hat er ein Filmwirtschaftsstudium in Los Angeles absolviert. Nach einem Abstecher ins Ruhrgebiet, wo er als Geschäftsführer grosse Multiplex-Kinos führte, kehrte er 1998 in die Schweiz zurück und übernahm den elterlichen Betrieb. In den letzten 25 Jahren baute Schibli, der verheiratet ist und drei Töchter hat, diesen zu einem regionalen Kino-Imperium aus.

«Kino wurde schon oft totgesagt», sagt Schibli und lacht. Das Kinosterben sei von den Medien immer wieder herbeigeredet worden, findet er. Die Zahlen zeigen aber, dass nicht einmal die Corona-Pandemie zu einem verkleinerten Leinwand-Angebot geführt hat. Zwar gab es 2000 noch 326 Kinos in der Schweiz, 2023 nur noch 260. Im gleichen Zeitraum stieg aber die Anzahl der Kinosäle von 486 auf 616 an. «Die Kinolandschaft hat sich in der Schweiz in den letzten 20 Jahren stark verändert», stellt Schibli fest, der Trend gehe eindeutig in Richtung grosse Kinohäuser. Das youcinema sei im schweizweiten Vergleich ein eher kleineres Multiplex-Kino, aber mit seinen sechs Sälen, zahlreicheren weiteren Unterhaltungsangeboten, einer vielfältigen Gastronomie und seinem Mietangebot für Eventlocations gut aufgestellt. Insbesondere im Bereich Vermietungen sei man sehr gut unterwegs. «Da profitieren wir von der zentralen Lage und dem grossen Parkplatzangebot, das für Firmen aus der ganzen Schweiz optimal ist», hält Schibli fest.

Das neue Jahr ist verhalten angelaufen

Eher verhalten sind dagegen die ersten Monate im Kino angelaufen. «Wenig überraschend und erklärbar», sagt der Kinobetreiber, der nach wie vor ein Kino-Freak ist und regelmässig Kinofestivals besucht. Wobei er nicht mehr «jede Seich» anschauen muss, wie er schmunzelnd einschränkt. Anfang 2023 sei mit «Avatar: The Way of Water» von Disney einer der erfolgreichsten Filme des vergangenen Jahres über die Leinwand geflimmert. 421 000 Eintritte konnte der Kassenschlager verzeichnen, erfolgreicher war nur «Barbie» mit 480 000 Eintritten. «Solche Blockbuster fehlen in diesem Jahr bisher auf Grund des Streiks in der amerikanischen Filmindustrie», erklärt Schibli. Er sei aber zuversichtlich, dass man den eher verhaltenen Jahresauftakt im Verlauf des Jahres wieder aufholen könne. Dazu brauche es aber die Filme aus dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Denn laut BFS wurden in den Schweizer Kinos 2023 mehr europäische (48 Prozent) als US-amerikanische Filme (24 Prozent) und solche aus dem Rest der Welt (28 Prozent) gezeigt. Obwohl sie in der Unterzahl waren, entfielen auf in den USA produzierte Filme 60 Prozent aller Vorführungen und 68 Prozent aller Kinoeintritte.

Schweizer Filme brachten es im vergangenen Jahr auf einen Marktanteil von 6 Prozent, was einem Prozentpunkt mehr als 2022 entspricht. Darunter auch Filme, die sehr gut liefen, wie Konrad Schibli meint. «Bon Schuur Ticino» mit Beat Schlatter, der 97 000 Eintritte verzeichnete oder «Die Nachbarn von oben» von Sabine Boss mit rund 70 000 Eintritten. «Schweizer Filme im youcinema speziell zu fördern ist aus kommerziellen Gründen nicht möglich», sagt der Oftringer Kinobetreiber. In Olten mache das der Verein Lichtspiele – und der mache das gut.

Kino wird sich weiterentwickeln

Ob man nun Programmkino mache oder eher auf Mainstreamfilme setzt, Kino werde sich auch in Zukunft weiterentwickeln. ScreenX sei da etwa zu nennen. Ein Panorama-Filmformat, das Filme auf einer erweiterten, doppelseitigen 270-Grad-Leinwand präsentiert. Oder D-Box-Sitze. Kinosessel, die sich synchron zu Bild und Ton bewegen. Früher oder später würden solche Technologien Einzug halten, auch in Oftringen. In eine ganz andere Richtung hat Schibli in Olten investiert. «Dort haben wir mit dem KinoKoni ein Luxuskino geschaffen, in dem den Gästen Food und Drinks an den Platz gebracht werden», sagt Schibli.