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Die Trockenheit setzt dem Wald zu – am meisten leiden die Buchen

Ein Rundgang mit dem Aarburger Förster Jörg Villiger zeigt, wie Wassermangel, Schädlinge und Krankheiten den Bäumen zu schaffen machen.

Der Lieblingsplatz – hier muss er sein. Eine rund 80-jährige Buche steht auf dem Pausenplatz beim Aarburger Doppelkindergarten Höhe, daneben ein Blockhaus. Man kann sich die Szenerie gut vorstellen. Unter der mächtigen Buchenkrone, die so schön vor den Sonnenstrahlen schützt, müssen die Kinder mit Vorliebe gespielt haben. Doch das ist bald Vergangenheit. «Ich muss den Baum in den Sommerferien fällen», sagt der Aarburger Förster Jörg Villiger. Die Blätter der mächtigen Buche sind braun, im Boden zeigen sich Risse. «Der Baum ist verdurstet», sagt Villiger.

Auf dem Rückweg vom Schulhaus zum Forstwerkhof hält Villiger kurz an und richtet den Blick auf den Säliwald. Erst vor kurzem seien die absterbenden Buchen und Eschen aus dem Wald entfernt worden – doch jetzt zeigten sich bereits wieder lichte Kronen im Wald. «Es sind vor allem Buchen», erklärt er, «sie leiden momentan auch im Wald gewaltig unter der Hitze», erläutert der 60-Jährige, der seit 1989 für die Waldungen der Ortsbürgergemeinde Aarburg verantwortlich ist.

Dass Buchen ebenso wie Fichten und Eschen im Mittelland unter Druck stehen, ist nicht neu. «Doch die Stressfaktoren für die Bäume haben sich dieses Jahr durch die grosse Trockenheit nochmals beträchtlich erhöht», stellt Villiger beim Blick auf eine Buche im Säliwald fest, aus deren Rinde sich ein Pilz gebildet hat.

So grün sieht die 2020 neu bepflanzte Fläche im Säliwald nach drei Jahren aus….
Zum Vergleich: Die gleiche Fläche im April 2020..

Nasser Frühling sorgte für kurze Entspannung

Nach einem warmen Jahresauftakt mit unterdurchschnittlichen Niederschlagsmengen sorgte ein eher nasser und trüber Frühling in den Wäldern für eine kurze Entspannung. «Der Niederschlag und die kühlen Temperaturen im März und April haben zumindest geholfen, dass sich der Borkenkäfer in der Region nicht übermässig entwickeln konnte», sagt Villiger. Doch das Wasser fehlt in den Böden bereits wieder. Die Temperaturen sind gegen Ende Mai merklich angestiegen und den ganzen Juni hoch geblieben. «Die Wärme allein ist nicht problematisch», sagt er. Es habe in diesem Zeitraum wenige Hitzetage – das sind Tage, an denen das Thermometer über 30 Grad Celsius steigt – gegeben. «Es ist die lange anhaltende Bise, welche die Böden stark ausgetrocknet hat», betont er, dazu seien grössere Niederschläge bis Ende Juni allesamt an unserer Region vorbeigegangen.

Besserung ist auch in Zukunft nicht in Sicht, wie die im vergangenen Jahr vom National Centre for Climate Services präsentierten «Klimaszenarien CH2018» zeigen. Die Studie zeigt auf, dass die mittlere Temperatur in der Schweiz seit 1864 bereits um zwei Grad angestiegen ist – und in Zukunft weiter ansteigen soll. Die Szenarien gehen davon aus, dass extrem trockene Sommer wie 2003 und 2018 künftig jedes zweite Jahr anfallen könnten und sich der Sommerniederschlag bis ins Jahr 2060 um bis zu 25 Prozent reduzieren wird.

«Der Wald kann sich an klimatische Schwankungen zwar anpassen», hält der Aarburger Förster fest, doch momentan würden diese Prozesse für den Wald zu schnell ablaufen. Die Folge: Die Mortalität der beiden häufigsten Baumarten in unseren Wäldern ist markant angestiegen. Dies hat das Institut für Angewandte Pflanzenbiologie aus Recherswil nachgewiesen, welches seit 1984 eine interkantonale Wald-Dauerbeobachtung auf insgesamt 190 Flächen in der Schweiz durchführt. Beispiel Buche: Belief sich die durchschnittliche Mortalität im Zeitraum zwischen 1985 und 2018 auf 0,12 Prozent, so zeigt die Sterberate nach 2018 steil nach oben und bewegt sich zwischen 0,3 und 0,45 Prozent.

Die etwa 80-jährige Buche beim Schulhaus und Kindergarten Höhe ist vertrocknet.

In die gleiche Richtung zeigen die Zahlen bei den Fichten. Hier belief sich die durchschnittliche Mortalität zwischen 1985 und 2018 auf 0,41 Prozent, in den Jahren 2019, 2020 und 2022 stieg sie auf Werte um die 5 Prozent. Konkret liest sich dieses Beispiel so: Starben im Durchschnitt auf einer Beobachtungsfläche mit 1000 Fichten zwischen 1985 und 2018 vier ab, so waren es in den heissen Jahren 2019, 2020 und 2022 rund 50 Fichten. Eine Entwicklung, die auch beim einstigen Hoffnungsträger der Waldwirtschaft, der Esche, ähnlich dramatisch verlief. Wobei die unter dem ­Namen Eschentriebsterben bekannte Baumkrankheit durch einen aus Ostasien eingeschleppten Pilz verursacht wurde.

Auch andere Baumarten leiden

Doch angesichts der immer häufiger aufeinander folgenden Hitzeperioden und vermehrt auftretender Schädlinge und Krankheiten zeigen nun auch weitere Baumarten Anzeichen von Schwäche. «Ich habe noch nie gesehen, dass Waldkirschen­bäume schon im Juni ihre Blätter abwerfen», sagt Villiger.

Und auch die Eiche, die in der Forstwirtschaft als Baum der Zukunft angesehen und entsprechend gefördert wurde, schwächelt. Die Symptome zeigen sich am ganzen Baum. Die Baumkronen lichten sich, am Stamm ist vermehrt Schleimfluss festzustellen. Akutes Eichensterben heisst die 2017 erstmals in der Schweiz festgestellte Krankheit, die auf drei verschiedene Arten von Bakterien zurückzuführen ist.

Doch bei all den schlechten Nachrichten aus dem Wald – es gibt auch Lichtblicke. «Der ­Förster wird die Bewirtschaftung seiner Waldflächen in Zukunft laufend anpassen müssen», ist sich Villiger sicher. So, wie es der Aarburger Förster bereits 2020 getan hat, als er auf einer vom Eschentriebsterben befallenen Fläche im Säliwald alle alten, absterbenden Eschen fällen musste. Dort wurden in erster Linie Walnuss- und Kastanienbäume angepflanzt, dazu auch Eiben, Elsbeeren und Speierlinge. «Die neue Fläche kommt momentan gut», sagt Villiger. «Ob es die richtige Entscheidung war, wird sich in 40 bis 50 Jahren weisen.» Hingegen sind die Buchen, welche als Naturverjüngung auf der Fläche stehen gelassen wurden, auch hier am Vertrocknen.