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Kaum Verständnis für den «Störfall Schweiz»: Alain Berset stösst bei Olaf Scholz auf Skepsis  

Bei seinem Besuch in Berlin wirbt der Bundespräsident um Verständnis für die Schweizer Neutralität. Eine Annäherung bei Munitionslieferungen und Oligarchengeldern gab es offenbar nicht. 

Das Konzept der Neutralität ist in Deutschland noch nie auf viel Verständnis gestossen. Die aussenpolitische Haltung der Schweiz betrachtet man dort bestenfalls als Schrulle, schlimmstenfalls als Ausdruck von Egoismus. Durch den Krieg in der Ukraine erhält das Thema so viel Aufmerksamkeit wie lange nicht: Eine ganze Seite widmete etwa die «Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung» jüngst dem «Störfall Schweiz». Das Fazit: «Bloss auf keiner Seite stehen, auch nicht auf der richtigen.»

Es muss also einiges zu besprechen gegeben haben, als Bundespräsident Alain Berset am Dienstag in Berlin den deutschen Kanzler Olaf Scholz traf. Die Meinungsverschiedenheiten blieben, auch wenn Scholz diese bei einer gemeinsamen Pressekonferenz eher andeutete als offen ansprach.

Die Schweiz bleibt bei ihren Positionen

Moralisch aufzutrumpfen wäre einem deutschen Kanzler wohl auch schlecht angestanden: Wer den Raum betrat, passierte Jörg Immendorffs goldglänzendes Porträt Gerhard Schröders und wurde somit daran erinnert, dass auch die Osteuropa-Politik von Scholz’ Vorgängern nicht immer über alle Zweifel erhaben war.

Er habe nach dem russischen Überfall von einer Zeitenwende geredet, und das bedeute auch, «Selbstverständliches zu überprüfen», sagte der Kanzler. Das konnte man durchaus als Mahnung an den Gast aus Bern verstehen, auch wenn Scholz seine Kritik umgehend abschwächte: «Jede Unterstützung, ob direkt oder indirekt», sei willkommen.

Berset hob hervor, was die Schweiz bereits für die Ukraine getan habe: humanitäre und finanzielle Hilfe, die Aufnahme von Flüchtlingen und die Ausrichtung der Geber-Konferenz von Lugano im letzten Sommer. «Neutralität bedeutet nicht Gleichgültigkeit», sagte der Bundespräsident.

Keine Annäherung gab es offenbar in den beiden konkreten Streitfragen, welche die anwesenden Journalisten am meisten interessiert haben dürften: die der Oligarchengelder und jene der Munition.

Bern steht weiterhin unter Beobachtung

Die Schweiz sei nun einmal kein Mitglied der Gruppe der sieben führenden Industrienationen (G7) und werde sich folglich auch nicht deren Taskforce «Repo» anschliessen, sagte Berset. Ziel von «Repo» ist die Aufspürung russischer Oligarchengelder;die G7 haben die Schweiz aufgefordert, sich daran zu beteiligen.Bern tue, was machbar sei und habe bereits Guthaben in Milliardenhöhe eingefroren, erklärte der Bundespräsident. Scholz äusserte sich nicht zu dem Thema.

Zur Frage der in der Schweiz produzierten Munition für den Flugabwehrpanzer Gepard, deren Weitergabe an die Ukraine Bern den Deutschen nicht erlauben will, sagte Berset, man könne von der Schweiz nicht verlangen, gegen ihre eigenen Gesetze zu verstossen. Zwar könnten Regeln geändert werden, doch müsse dies ordentlich geschehen.

Scholz’ Kommentar dazu fiel schmallippig aus – und enthielt eine versteckte Mahnung: Man habe die bisherigen Entscheidungen zur Kenntnis genommen und verfolge die lebhafte Debatte in Bern intensiv. Die Schweiz, so die Botschaft, steht weiterhin unter Beobachtung.