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Schweizer schiessen Ungarn mit einem Stängeli ab: Hockey-Antwort auf die «Harlem Globetrotters»

Die Bemerkung ist ein wenig respektlos. Aber trifft halt den Sachverhalt recht gut und ist daher objektiv. Schweiz gegen Ungarn war gestern mehr Zirkus als ein echtes WM-Spiel. Von der ersten Sekunde an sind die Ungaren rettungslos überfordert. Sie kommen auf sechs Torschüsse. Hätte Leonardo Genoni jeden Puck passieren lassen, die Schweizer hätten trotzdem gewonnen.

Die Schweizer finden sich in der Rolle der «Harlem Globetrotters» wieder. Dem berühmten US-Basketballteam, das für eine spektakuläre Mischung aus Sport, Show und Comedy bekannt ist und auf der ganzen Welt Showspiele bestreitet. Zum gestrigen Zirkus-Charakter passt, dass Andres Ambühl (41) in seinem 147 WM-Spiel das 1:0, 7:0 und 9:0 erzielt – seine ersten Treffer bei diesem Turnier. Es sind seine WM-Tore Nummer 29, 30 und 31. Auch Timo Meier, Kevin Fiala sowie die Verteidiger Dominik Egli, Janis Moser und Andrea Glauser trafen erstmals bei dieser WM – Egli und Meier gleich zweimal.

Ein 15:0 wäre möglich gewesen

Das Spektakel in der ersten Begegnung gegen Ungarn seit der WM 1985 (9:1 bei der B-WM in Fribourg) hat sich in Grenzen gehalten. Dies auch weil Patrick Fischer mit Denis Malgin und Sven Andrighetto zwei der besten offensiven Schillerfalter dieses Turniers einen freien Abend gewährt und auch Verteidigungsminister Jonas Siegenthaler sass auf der Tribüne. Diese Nicht-Nomination dürfte Sven Andrighetto (bisher 6 Tore) den Titel eines WM-Torschützenkönigs kosten. Er hätte gestern wohl gut und gerne fünf oder sechs Treffer erzielen können.

Doch für die Schweizer ging es in dieser Partie gegen Ungarn um Sport und nicht um Unterhaltung: Ein Sieg war Pflicht. Um mit dem 1. oder 2. Platz eine gute Ausgangslage im Viertelfinal zu haben und es gilt, die Form, das Tempo und die Dynamik zu bewahren. Damit im Viertelfinal am nächsten Donnerstag alle «zwäg» sind und ihr bestes Hockey abrufen.

50 Jahre ist es her, seit die Schweizer so leichte Tage bei einer Weltmeisterschaft erlebt haben wie nun vom letzten Freitag bis zum nächsten Donnerstag in Herning. Im März 1974 war es. Wir waren in die C-WM abgestiegen. Auch damals war die Frage nicht, ob die Schweiz gewinnt. Sondern nur wie hoch. 12:0 gegen China, 20:0 gegen Australien, 15:0 gegen Nordkorea. Der sofortige Wiederaufstieg in die B-WM gelang.

Der WM-Titel ist das Ziel

Nun ist die Ausgangslage eine andere. Der WM-Titel ist das grosse Ziel dieser leichten, unbeschwerten Tage von Herning. Diese Leichtigkeit ist das Ergebnis der kontinuierlichen Steigerung und dem zeitweise perfekten Eishockey in den ersten vier Partien. Sie ist ein Zeichen, dass die Schweizer auf dem richtigen Weg sind. Sie haben in den letzten vier Partien (USA, Deutschland, Norwegen, Ungarn) nur noch einen Treffer kassiert. Die Offensive entscheidet Spiele, die Defensiv Titelkämpfe.

Es ist nicht einfach, in diesen vermeintlich leichten Tagen die Form zu bewahren oder gar – wie es Patrick Fischer fordert – im Hinblick auf den Viertelfinal vom Donnerstag besser zu werden. Der Spielplan beschert den Schweizern in fünf Tagen drei «Operetten-Spiele: Gegen Norwegen (diese Pflichtübung ist am Freitag mit einem 3:0 erledigt worden), gestern gegen Ungarn und morgen Dienstag gegen Kasachstan.

Und so sorgte eine gesunde Prise Seriosität, Professionalität und Ernsthaftigkeit dafür, dass die ganze Angelegenheit nicht zu einem reinen Show- und Comedy-Spiel geworden ist. Die Schweizer spielten unfreiwillig freiwillig Rolle der «Harlem Globetrotters». Mit der Leichtigkeit, aber nicht ganz mit dem Unterhaltungswert des amerikanischen Originals. Sie sind ja nicht in erster Linie hier, um das Publikum zu unterhalten. Sie wollen Weltmeister werden.