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Verlieren Immobilien wegen Windrädern an Wert? Der Regierungsrat äussert sich zu Entschädigungen

Auf dem Lindenberg an der Grenze zum Kanton Luzern sollen drei Windräder gebaut werden. FDP-Grossrätin Jeanine Glarner erkundigte sich nach der Wertminderung von Immobilien in der Nähe solcher Anlagen. Der Regierungsrat antwortet auch zu den Entschädigungen.

Auf dem Gemeindegebiet von Beinwil im Freiamt will die Windpark Lindenberg AG drei Windräder aufstellen. Diese sollen pro Jahr 25 Gigawattstunden Strom produzieren. Das Unternehmen würde der Standortgemeinde während 20 Jahren eine Abgeltung von insgesamt 1,3 Millionen Franken auszahlen, die in die Gemeindekasse fliesst. Für FDP-Grossrätin Jeanine Glarner, die den Hauseigentümerverband Aargau präsidiert, stellten sich grundsätzliche Fragen zur Entschädigung. Der Regierungsrat hat ihre Fragen inzwischen beantwortet.

Wie steht die Aargauer Regierung zur Windenergie?

Grundsätzlich muss jeder Kanton seinen Beitrag an die vom Bund vorgegebenen Ausbauziele für erneuerbare Energie leisten. Während der Ausbau von Photovoltaik am Gebäude steigende, aber noch nicht ausreichende Zuwachsraten verzeichne, hinke der Aargau – wie auch andere Kantone – den Ausbauzielen bei der Windkraft hinterher, hält der Regierungsrat in seiner Vorbemerkung fest.

Für die Versorgungssicherheit biete die Windkraft einen «grossen Mehrwert». Einerseits fallen – im Gegensatz zur Solarenergie – zwei Drittel der Jahresproduktion im Winter an. Andererseits produzierten insbesondere hohe Windkraftanlagen nachts mehr Strom als tagsüber. Bei Infrastrukturen mit grossen Windturbinen ist laut dem Regierungsrat nicht ausgeschlossen, «dass sich durch den Bau und/oder den Betrieb Nachteile für Einzelne oder Personengruppen ergeben können». Das gelte auch für andere Bereiche wie Strassenbau. Allfällige Entschädigungen würden sich nach privatrechtlichen Vereinbarungen oder nach geltendem Recht richten.

Wie viele Grundeigentümer, die Land für Windenergieanlagen zur Verfügung stellen, werden entschädigt?

Bei den beiden von Glarner erwähnten Windparkprojekten Lindenberg sowie Burg ist die AEW federführend. Die Höhe der Entschädigung für Grundeigentümer hängt unter anderem von der Grösse der permanent und temporär beanspruchten Flächen ab. Details sind in individuellen, nicht öffentlichen, privatwirtschaftlichen Verträgen geregelt.

Für welche Inkonvenienzen werden Gemeinden entschädigt?

Gemeinden, auf deren Gebieten die Windkraftanlagen erstellt werden, sollen eine Entschädigung erhalten. Beim Windpark Burg sind dies die Gemeinden Kienberg SO und Oberhof AG. Beim Windpark Lindenberg die Gemeinde Beinwil (Freiamt). Hier kommt die Anlage allerdings nahe an der Gemeindegrenze von Hitzkirch LU zu stehen. «Deshalb ist die Windpark Lindenberg AG auch mit der Gemeinde Hitzkirch im Gespräch wegen einer allfälligen Entschädigung», schreibt der Regierungsrat. Entschädigungen würden zur Abgeltung der Nutzung der Gemeindeinfrastruktur während der Bau-, Betriebs- und Rückbauphasen der Windparks bezahlt.

Wie wirken sich die Entschädigungen auf den Stromtarif aus?

Die erwähnten Windparks verfügen laut dem Regierungsrat über eine Zusage für die kostendeckende Einspeisevergütung (KEV). Die Höhe der KEV-Abgabe wird jährlich vom Bundesrat festgelegt und lag im Jahr 2024 wie im Vorjahr auf dem gesetzlichen Maximum von 2,3 Rappen/kWh. Grundsätzlich könnten Entschädigungen nicht über Stromtarife an die AEW-Kundschaft abgewälzt werden. «Die Stromtarife unterstehen der Überprüfung durch die Eidgenössische Elektrizitätskommission», hält die Aargauer Regierung fest.

Für grössere Energieerzeugungsanlagen bestehe gemäss kantonalem Recht eine Pflicht zur Abgeltung «nachgewiesener kommunaler und regionaler Standortnachteile». Zudem kann die Standortgemeinde mit Betreibern solcher Anlagen eine angemessene Abgeltung vereinbaren.

Ist der Regierungsrat bereit, eine Studie für die Preisentwicklung bei Immobilien in der Nähe von Windparks in Auftrag zu geben?

Bisher gemessene Effekte von Windkraftanlagen auf Immobilienpreise variieren offenbar stark. Spezifische Faktoren, wie beispielsweise die Akzeptanz der Bevölkerung vor Ort und im Umkreis, dürften laut der Regierung einen entscheidenden Einfluss auf den gemessenen Effekt haben. Eine Studie in Auftrag zu geben, sei aufgrund fehlender empirischer Grundlagen im Kanton Aargau nicht zielführend. Deshalb sieht der Regierungsrat davon ab.

Jeanine Glarner ist FDP-Grossrätin und Präsidentin des Hauseigentümerverbands Aargau.
Bild: Peter Weingartner

Verlieren Immobilien wegen Windrädern an Wert?

Laut Jeanine Glarner kommen internationale Studien zum Schluss, dass Liegenschaften in der Nähe von Windenergieanlagen einen Wertverlust von bis zu 20 Prozent erleiden. Diese müssten allerdings mit Vorsicht betrachtet werden, hält der Regierungsrat fest. Eine Wertminderung von Immobilien könne in der Regel nicht auf eine einzige Ursache reduziert werden.

Neben einem geeigneten statistischen Modell müssten auch Annahmen von teilweise grosser Tragweite gemacht werden. Die AEW sehe – gestützt auf die Studienlage – ein sehr geringes Risiko für eine Wertminderung. Zudem sind dem Regierungsrat dazu keine wissenschaftlich belastbaren Studien für die Schweiz bekannt. Er verkennt jedoch nicht, dass tatsächliche oder ideelle Beeinträchtigungen im Nahbereich von Windenergieanlagen nicht ausgeschlossen werden können.

Mit einer Abgeltung, die letztendlich der gesamten lokalen Bevölkerung zugutekommt, habe der Gesetzgeber allfällige Beeinträchtigungen korrekt und fair geregelt. Die Abgeltungspflicht gilt für Windkraftanlagen ab 0,5 Megawatt elektrischer Nettoleistung.

Was können Eigentümer machen, die eine Wertminderung ihrer Liegenschaft aufgrund einer Windkraftanlage befürchten?

Reine Befürchtungen eines Verlusts sind für den Regierungsrat keine tragfähige Basis für eine Entschädigung. Sollten Immobilieneigentümer im Einzelfall beweisbare übermässige Nachteile haben, stehe es ihnen frei, auf dem Zivilrechtsweg zu klagen. Wenn bei einem Projekt eine Nutzungsplanänderung zugrunde liege, könnten sie in einem öffentlich-rechtlichen Verfahren vor Gericht eine Entschädigung wegen materieller Enteignung beantragen.

Das private Eigentumsrecht sei nicht frei von Einschränkungen aus dem öffentlichen und dem privaten Recht. Der Regierungsrat erwähnt die Bereiche Energie, Abfall, Mobilfunk und Verkehr. Die geplanten Windkraftanlagen Burg und Lindenberg seien aufgrund der erwarteten Jahresproduktion von über 20 Gigawattstunden per Bundesgesetz von nationalem Interesse.