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«Er wird einen hohen Preis zahlen»: Biden warnt Putin – und zeigt sich erstaunt über die Schweiz

In seiner Ansprache zur Lage der Nation dankt der amerikanische Präsident Joe Biden der Bevölkerung in der attackierten Ukraine für ihren hartnäckigen Widerstand. Und er betont, dass Russlands Präsident einen hohen Preis für den Angriffskrieg bezahlen werde. Aber mehr will und kann er den Menschen in der Ukraine nicht bieten.

Natürlich war die Inszenierung perfekt. Am Rednerpult stand Joe Biden, der inoffizielle Anführer einer Koalition der Willigen, die im Ukraine-Krieg zwar nicht auf dem Schlachtfeld kämpft, aber der attackierten osteuropäischen Demokratie im Kampf gegen Russland den Rücken stärken will.

Und auf der Tribüne im grossen Versammlungssaales des Repräsentantenhauses sass die ukrainische Botschafterin in Amerika, Oksana Markarowa. Die 45-Jährige ist in Washington zum Gesicht des hartnäckigen Widerstandes gegen die russische Invasion ihres Heimatlandes geworden – obwohl sie politisch mit Wolodimir Selenski, dem Präsidenten der Ukraine, das Heu nicht immer auf der gleichen Bühne hatte.

Markarowa wirkte überwältigt, als Demokraten und Republikaner aufstanden und ihr eine stehende Ovation spendeten. Als Jill Biden, die Gattin des Präsidenten, sie umarmte, schloss sie kurz die Augen und umklammerte mit ihrer rechten Hand die kleine Flagge der Ukraine. «Danke, danke, danke», sagte Präsident Biden, der die ersten elf Minuten seiner Rede zur Lage der Nation dem Krieg im fernen Europa widmete, weil dieser Konflikt letztlich, wie er eloquent sagte, ein weiteres Kapitel in der «Schlacht zwischen Demokratie und Autokratie» sei.

Doch damit hatte es sich dann eigentlich schon. Biden liess zwar kein Zweifel offen, auf welcher Seite Amerika im Ukraine-Krieg steht. «Freiheit wird immer über Tyrannei gewinnen», sagte er. Und: Der russische Präsident Wladimir Putin habe sich verkalkuliert und die Widerstandskraft der Ukrainer und des Westens unterschätzt. «Putin lag falsch. Wir waren bereit.»

Er und seine Unterstützer würden nun einen hohen Preis für den Angriffskrieg bezahlen. So werde Amerika nötigenfalls die «Jachten, Luxus-Wohnungen und Privatjets» von Oligarchen beschlagnahmen. «Selbst die Schweiz» unterstütze die immer längere Sanktionsliste, sagte Biden, und er klang ehrlich erstaunt, obwohl diese Zeile im Redemanuskript stand.

Auch versicherte Biden einmal mehr, dass Amerika und seine Verbündeten «jeden Zoll» des Nato-Territoriums verteidigen werde, falls Russland einen Verbündeten Amerikas angreife. «Jeden einzelnen Zoll», wiederholte Biden, was sicherlich im Osten Europas gerne gehört wurde.

Folgen den Worten auch Taten?

Aber neue Versprechen oder Zusicherungen machte der US-Präsident der bedrohten ukrainischen Regierung nicht. Er sprach weder über ein Hilfspaket, das in Washington derzeit beraten wird. Noch über Waffenlieferungen. Vielleicht war das politisch geschickt, weil die US-Bevölkerung keine militärische Intervention in der Ukraine unterstützt. Auch ist es ist im aktuellen politischen Klima Amerikas unglaublich schwierig, ein Paket zu schnüren, das von Demokraten und Republikanern unterstützt wird. Weil Biden mit seiner Rede das Signal (nach Kiew und Moskau) aussenden wollte, dass Amerika mit einer Stimme spreche, konnte er nicht allzu konkret werden.

Für die Menschen in der Ukraine, die Tag für Tag um ihr Leben zittern, ist ein politischer Wohlfühlmoment aber nicht genug. Fahnenschwingende Abgeordnete in Washington helfen nicht, wenn Russland Raketen auf Wohngebäude feuert.

Keine Kurskorrektur eines politisch angeschlagenen Präsidenten

Die restlichen 50 Minuten seiner Rede widmete Biden dann der Innenpolitik. Er sprach über die Erfolge in seinem ersten Amtsjahr. Er erwähnte die politischen Schwierigkeiten, mit denen sich seine Regierung konfrontiert sieht – die hohe Inflationsrate zum Beispiel oder die zunehmende Kriminalität in den Grossstädten. Und er versprach erneut, wie bereits zu Amtsantritt, einen ganzen Strauss von neuen Gesetzen und Ausgaben.

Unerwähnt blieb dabei, wie unbeliebt der Demokrat ist. Seine Zustimmungsrate in den Meinungsumfragen liegt bei etwas mehr als 40 Prozent, Tendenz sinkend. Und seine Partei hat Angst, bei der kommenden Parlamentswahl im November die Mehrheit in beiden Kongress-Kammern zu verlieren. Normalerweise äussert ein Politiker, der sich in einer ähnlichen Lage befindet, einige Worte der Reue. Oder er deutet zumindest an, dass er den Unmut der Wählerinnen und Wähler zur Kenntnis genommen habe – vor allem dann, wenn die Wähler derart unzufrieden sind. (Das Kapitol war am Dienstag mit einem Zaun abgesperrt, aus Angst vor Demonstrantinnen und Demonstranten.)

Biden verzichtete auf eine solche Geste der Demut. Das war, angesichts des anhaltenden Kampfes zwischen Demokratie und Autokratie, ein Fehler.