
Das Parlament sucht den Strom-Deal – aber in der SVP kursiert ein eigener Masterplan
Beschleunigungserlass heisst das Ding. Gedacht, um den Bau von Kraftwerken mit Erneuerbarer Energie rasch voranzutreiben, indem die Bewilligungsverfahren gestrafft werden. Doch statt Tempo droht Stillstand. Nach der Beratung des Ständerats vom Donnerstag ist die Vorlage akut absturzgefährdet.
Hauptstreitpunkt sind die Beschwerdemöglichkeiten rund um 16 geplante Wasserkraftprojekte. Sie sollen die Versorgungssicherheit der Schweiz im Winter stärken, das Volk hat in der Abstimmung über das Stromgesetz bereits Ja gesagt dazu. Ein bürgerliches Powerhouse aus FDP- und Mitte-Ständeräten will für diese das Verbandsbeschwerderecht der Umweltorganisationen ausser Kraft setzen.
Der Vorschlag geht zurück auf FDP-Präsident Thierry Burkart. «Dieser Ausschluss des Verbandsbeschwerderechts würde jahrelange Prozedere unnötig machen», sagte Mitte-Ständerat und bürgerlicher Wortführer Beat Rieder. Es brauche ein «kräftiges Zeichen», um die Energiewende zu schaffen.
Es ist der Bruch eines Versprechens. Im Abstimmungsbüchlein zum Stromgesetz stand, dass die Beschwerdemöglichkeiten für die 16 Wasserkraftprojekte nicht beschnitten würden. Mit ihrem Angriff versuchen die Bürgerlichen jetzt, Rot-Grün in die Zwickmühle zu drängen. Entweder gibt die Ratslinke der Attacke auf den Naturschutz nach, oder sie lassen contre cœur den raschen Zubau der Erneuerbaren fallen.
«Wenn ich durchs Land ziehe und sage, man könne weiterhin Beschwerde einlegen, dann kann ich jetzt nicht das Gegenteil sagen», sagte Energieminister Albert Rösti an die Ständeräte gerichtet. Der Appell des SVP-Bundesrats zu einem Kompromiss verhallte ungehört gemeinsam mit jenem der grossen Stromkonzerne von vergangener Woche.Am Ende blieb der Ständerat mit 25 zu 18 Stimmen auf Rieders Linie.
Die harte Linie der SVP
Noch bevor der Nationalrat sich einmal über das Geschäft beugt, richten sich die Augen auf die SVP. Diese trifft sich nächsten Dienstagmorgen zur Fraktionssitzung. Wie mehrere Stimmen aus der Partei erzählen, sollen dann die ersten Schritte einer übergeordneten Strategie beschlossen werden.
Dem Vernehmen nach will die Parteileitung den Beschleunigungserlass unabhängig der parlamentarischen Verhandlungen bekämpfen. Danach will sie das nahende Stromabkommen mit der EU bodigen – damit als letzte Alternative nur noch neue Kernkraftwerke infrage kommen. Den wenigen Abweichlern dieser Linie wird es darum gehen, die Partei vor diesem Masterplan Atom zu spalten. Ihre Chancen stehen nicht besonders gut: In der Vergangenheit sperrten sich zwei Drittel der SVP jeweils konsequent gegen die Unterstützung der Erneuerbaren.
Ein schlechtes und ein sehr schlechtes Szenario für Rösti
Eine «unschöne Geschichte» nannte Rösti das drohende Referendum, welches dieses Geschäft seit Beginn weg begleitet. Auch für ihn: In diesem Fall müsste er wohl nach Strom- und Klimaschutzgesetz erneut einen Abstimmungskampf gegen die eigene Partei ausfechten. Und doch ist dieses das bessere von zwei schlechten Szenarien für den SVP-Magistraten.
Doch just die Blockadehaltung der SVP hilft der Ratslinken im Verhandlungspoker. Wer sich in den Parteizentralen der SP und der Grünen umhört, erfährt schnell: Bleibt die Vorlage in der Fassung des Ständerats, kommt es gar nicht erst zu einem Votum des Volks. «Dann sind wir gezwungen, den Beschleunigungserlass in der Schlussabstimmung abzulehnen», sagt stellvertretend SP-Nationalrat Jon Pult. «Eine solche Attacke auf das Verbandsbeschwerderecht können wir schon aus staatspolitischer Verantwortung nicht dulden.»
Die SVP bietet in diesem Fall dazu den Steigbügel: Eine unheilige Allianz von Links und Rechts und der Beschleunigungserlass wäre mattgesetzt. Rösti, aber auch die Bürgerlichen stünden mit leeren Händen da.
Dies wiederum erhöht den Druck auf FDP und Mitte, doch noch in einen Kompromiss einzulenken, um am Ende nicht mit leeren Händen dazustehen. Ein vergleichsweiser Nebenschauplatz zeigte, dass dies durchaus möglich ist. Mit einem Last-minute-Antrag zimmerte die Urner Mitte-Ständerätin Heidi Z’graggen einen Deal bei umstrittenen Ersatz- und Ausgleichsmassnahmen zugunsten der Umwelt bei grossen Kraftwerksbauten. Und bewies: Widerstand erfahren Rieder und Burkart auch aus der bürgerlichen Mitte.