
«Fahrausweis, bitte!»: Militär und Polizei kontrollieren Autofahrer im Aargau – und wollen Einbrecher abschrecken
Ausgerechnet eine Fahrschülerin ist es, die von den Männern und Frauen in Uniform als Erstes auf den gesperrten Fahrstreifen gelotst wird. Man merkt ihr an, dass sie ein wenig nervös ist. Ihr Lehrer auch. «Fahrausweis, bitte», sagt ein Polizist in freundlichem, aber bestimmtem Ton über die heruntergelassene Fensterscheibe.
Auf beiden Seiten des Autos stehen Soldaten. Im Hintergrund rattern Generatoren. Von oben brennt das Scheinwerferlicht. Und als sei es des Trubels nicht genug, wuseln auch noch Journalisten mit Notizblöcken und Fernsehmenschen mit Kameras umher. Man möchte nicht mit der Fahrschülerin tauschen.
Der Grund für diese aussergewöhnliche Aktion trägt den mysteriösen Namen «Holistic 25». Holistisch bedeutet ganzheitlich und der Name ist Programm: Denn im Gegensatz zu üblichen Polizeikontrollen ist auch die Schweizer Armee involviert. Während fünf Tagen üben die Kantonspolizei Aargau (Kapo) und die Infanterie Durchdiener Schule 14 den Krisenfall.
Das Ziel ist es laut eigenen Angaben, sich anhand der aktuellen Kriminalitätslage weiterzuentwickeln. Den Lead hat die Kapo, der Armee biete sich die Möglichkeit, «unter realen Bedingungen zu trainieren und Einblicke in die Polizeiarbeit zu gewinnen.»
Diese Woche werden im ganzen Kanton Check-Points errichtet und Kontrollen durchgeführt. Zwar dienen diese dem Training, geht jedoch ein betrunkener Autofahrer oder ein Krimineller ins Netz, sind die Konsequenzen real.
Die Suche nach Kriminellen, oder der Nadel im Heuhaufen
Am Mittwochabend haben Polizei und Armee einen Check-Point am A1-Anschluss bei Lenzburg errichtet. Einer der Fahrstreifen ist komplett gesperrt. Das führt dazu, dass sich der Feierabendverkehr staut. Wobei gesagt werden muss: Er staut sich dort auch regelmässig ohne Polizeikontrollen.
Im Fokus stehen Personen und Fahrzeuge, welche die Polizei für «kontrollwürdig» hält. So formuliert es Mediensprecher Bernhard Graser, der sich ebenfalls vor Ort befindet. Der Verkehr wird verlangsamt, auserkorene Fahrzeuge – wie etwas jenes der Fahrschülerin – winken die Polizisten mit Leuchtstäben auf den gesperrten Fahrstreifen. Dort werden sie von Dreierteams empfangen: ein Polizist, der kontrolliert, zwei Soldaten, die sichern. Die Aufstellung erinnert an einen Boxenstopp beim Formel-1-Rennen. Nur dass es hier eine Busse gibt, wenn der Reifen durchgefahren ist.
Wer herausgenommen wird, entscheidet jeweils eine Person. Am Check-Point Lenzburg ist das Sabrina Haltinner. Die Gruppenchefin ist eine erfahrene Polizistin mit einem geschulten Auge. Sie steht ganz vorne in der Kolonne, erblickt die Autos vor allen anderen. «Zuerst schaue ich auf das Fahrzeug, dann auf den Lenker», erklärt sie.
Obwohl die Autos langsam vorbeirollen, bleibt ihr wenig Zeit. Innert Sekunden muss die Polizistin entscheiden, ob Fahrzeug oder Lenker verdächtig wirken. «Mit der Zeit bekommt man ein Gefühl dafür», sagt Haltinner, aber man müsse sich schon konzentrieren. Als auffällig gelten ausländische Kennzeichen, heruntergekommen wirkende Fahrzeuge und Lenkende, die sich auffällig verhalten. Mediensprecher Bernhard Graser sagt: «Oft ist auffälliges Verhalten auch auf Nervosität zurückzuführen.» Dann wird man gestoppt, kontrolliert – und wenn alles gut ist, fährt man weiter. So geschehen bei der Fahrschülerin.
Doch findet man mit solchen Check-Points tatsächlich Kriminelle? Laut Mediensprecher Bernhard Graser ist die Chance intakt, dass man während dem Eindunkeln an Autobahnanschlüssen einen Einbrecher erwischt: «Sie folgen meist keinem festen Plan, sondern fahren in die Stadt, brechen ein und verlassen sie möglichst schnell wieder.» Einfach zu finden sind Kriminelle trotzdem nicht. Graser spricht von der «Nadel im Heuhaufen».
Solche Aktionen dienen auch der Abschreckung
Zeitgleich zum Einsatz in Lenzburg betreiben Kapo und Armee in Würenlingen einen zweiten Check-Point. In der zweiten Hälfte des Abends wechseln die Equipen dann nach Etzgen bei Laufenburg sowie an den A1-Anschluss Hunzenschwil. Bis um halb ein Uhr morgens kontrollieren sie.
Insgesamt überprüften die Einsatzkräfte am Mittwoch 200 Personen und 120 Fahrzeuge, wie Mediensprecher Bernhard Graser tags darauf mitteilt. Allein auf der Kontrollstelle in Lenzburg seien 70 Personen und 60 Fahrzeuge eingehend überprüft worden. Drei Rumänen nahm die Polizei vorläufig fest. Sie werden verdächtigt, schwarz auf dem Bau gearbeitet zu haben. Hinzu gingen zwei alkoholisierte Lenker ins Netz. Bei einem weiteren bestand der Verdacht auf Drogeneinfluss.
Angesichts des eindrücklichen Mitteleinsatzes möge das Ergebnis mager wirken, sagt Graser. Aber solche Fahndungskontrollen mit all den Abklärungen und Überprüfungen seien «akribische Geduldsarbeit». Nicht unterschätzen dürfe man zudem die präventive Wirkung solcher Aktionen. Die unübersehbare Präsenz von Polizei und Armee setzte laut Graser «ein starkes Zeichen, das zweifellos abschreckend auf mögliche Straftäter wirkte».
Es ist nicht das erste Mal, dass Polizei und Militär im Aargau solche Aktionen durchführen. Vor zwei Jahren errichteten sie einen Check-Point in Rheinfelden, inklusive zwei Radschützepanzer. 2022 führte die Armee an der Nähe der Grenze zum Kanton Aargau die Aktion «Pilum 22» durch. Dabei handelte es sich um die grösste Militärübung seit über 30 Jahren.