
Falls das Wunder vom Kosovo ausbleibt: Die Schweiz sichert sich zum sechsten Mal in Folge das WM-Ticket!
Am 15. November 2021 hat sich die Schweiz für die WM in Katar qualifiziert. Am 15. November 2023 wurde Granit Xhaka zum Rekordnationalspieler der Schweiz und am 15. November 2009 hat genau dieser Granit Xhaka mit der Schweizer U17 den Weltmeistertitel in Nigeria gewonnen. Der 15. November als nationaler Fussball-Feiertag? Es wäre eine Überlegung wert.
Aber der Reihe nach: Als Fisnik Asllani, der Offensivspieler von Hoffenheim, den Kosovo in Slowenien 1:0 in Führung bringt, ist in Genf niemand wirklich beunruhigt. Warum auch? Die Partie hat eben erst begonnen, die Schweiz dominiert gegen Schweden. Alles im grünen Bereich. Auch wenn der Kosovo durch dieses Tor in der virtuellen Tabelle bis auf einen Punkt an die Schweiz heranrückt. Das würde zwar bedeuten, dass es am Dienstag in Pristina zu einem veritablen Showdown käme. Diesen wollen die Schweizer, so sagten sie es im Vorfeld der Partie jedenfalls, unbedingt vermeiden. Ausserdem: Es ist noch sehr viel Zeit zu spielen.
Um schon in Genf für klare Verhältnisse zu sorgen, braucht die Schweiz einen Sieg. In diesem Fall spielte es keine Rolle, was der Kosovo in Slowenien so anstellt. Und es sieht schon sehr bald sehr gut aus für unsere Nati. Akanji lanciert Ndoye, dieser lässt Dortmunds Svensson stehen, Embolo veredelt die vorzügliche Vorarbeit zum 1:0.
Dass dieses Tor der ersten gelungene Offensivaktion entspringt, spricht für die Effizienz dieser Nati. Aber, und das ist die andere Wahrheit: Schweden beginnt äusserst vorsichtig und diszipliniert, bietet den Schweizern kaum Räume an. Aber wen kümmerts? 1:0. Und natürlich, ist man geneigt zu sagen, trifft Breel Embolo, wie schon dreimal zuvor in dieser Qualifikation und wie schon sechsmal zuvor in diesem Jahr.
Embolo: So wertvoll wie noch nie
So wertvoll wie derzeit war Embolo wohl noch nie. Das liegt nicht allein an seiner Treffsicherheit, sondern auch an seiner Attitüde, die irgendwie anders ist als früher. Positiver auf jeden Fall. Hadern nach einer misslungen Aktion, das sieht man heute nicht mehr von ihm. Dafür viel mehr Drecksarbeit und eben Tore.
«Go West» hallt es nicht durchs Genfer Stadion, auch wenn nach diesem Treffer kaum noch jemand an der erfolgreichen Qualifikation für die WM in den USA, Kanada und Mexiko zweifelt. Die Schweiz, wie erwähnt, hat das Spiel im Griff. Und Schweden, das ohne seine Starstürmer Gyökeres (verletzt) und Isak (angeschlagen) – er wird erst in der 63. Minute eingewechselt – antritt, wirkt wie ein Braunbär der Winterschlaf macht – ziemlich zahm.
Umso unverständlicher ist, dass die Schweiz den Gegner mit statischem, phasenweise unorganisiertem Auftreten aufbauen. Die Schweden jedenfalls gewinnen derart an Sicherheit, dass Schwächen der Schweizer offenbart werden. Widmer hat wiederholt Mühe mit Elanga. Und Rodriguez mit sich selbst. So fahrig und unsicher wie an diesem Abend haben wir den Routinier gefühlt noch nie gesehen im Nati-Dress.
Zweifel kommen auf, als Xhaka und Akanji patzen
Auch wenn sich der Ausgleich nicht abzeichnet, entbehrt er nicht einer gewissen Logik. Elanga setzt sich gegen Widmer durch, Rodriguez klärt ungenügend und Celtic-Stürmer Nygren trifft nicht ganz unhaltbar für Kobel zum 1:1. Ein Treffer, der Wirkung zeigt. Xhaka leistet sich einen fürchterlichen Fehlpass, der den Schweden einen exzellenten Umschaltmoment beschert, den Elvedi aber bereinigt. Danach ist es Akanji, der mit einem unnötigen Foul den Schweden einen Freistoss aus guter Position «schenkt».
Was, wenn nun sogar den Leadern Xhaka und Akanji ungewohnte Fehler unterlaufen? Kann das tatsächlich noch schief gehen? Zweifel machen sich etwas breit. Ein völlig neues Gefühl in diesem Nati-Jahr, in dem die Schweiz kein Spiel verloren hat und mit einer Souveränität durch die WM-Qualifikation gerauscht ist , dass man den Mund vor lauter Staunen nicht mehr zukriegte.
Dass die Zweifel nicht auswuchsen, ist vor allem zwei Menschen zu verdanken. Schwedens Verteidiger Holm, der einen katastrophalen Pass zum Torhüter spielt. Und Embolo, der diesen erläuft und von Keeper Johansson touchiert wird. Den Penalty verwandelt Xhaka wie schon beim 2:0 in Schweden.
Wieder trifft Xhaka vom Elfmeterpunkt
2:1 für die Schweiz, kollektives Aufatmen in Genf. Die Zweifel verfliegen. Obwohl der Kosovo in Slowenien auf 2:0 erhöht. Denn die Schweiz findet nun wieder zu ihrer Stilsicherheit zurück und kommt damit auch zu Chancen. Embolo (61.) vergibt nur zwei Minuten nach Xhakas erfolgreichem Penalty die beste. Was aber seine formidable Leistung nicht schmälert.
Erfolgreich ist hingegen Dan Ndoye. Sein 3:1 nach Vorarbeit von Xhaka und Vargas ist ein verdienter Lohn für einen Auftritt, bei dem er wieder einmal bewies, dass er sich zum aufregendsten Offensivspieler der Schweiz entwickelt hat. Die atemberaubenden Dribblings kannten wir schon, als er noch weit weg vom Nationalteam war. Was bei ihm punkto Spielverständnis, Laufbereitschaft und Effizienz in den letzten zwei Jahren noch dazu gekommen ist – schlicht beeindruckend.
Dass Johan Manzambi, der sich vielleicht schon bald mit Ndoye um den Titel des aufregendsten Nati-Künstlers duellieren wird, in der Nachspielzeit zum 4:1 trifft, passt zu dieser Nati. Ja, diese Nati hat irgendwie alles. Routine, jugendliche Unbekümmertheit, Souveränität, Spielwitz. Auch hat sie eine Mentalität entwickelt, die es ihr ermöglicht, Widerstände wie sie gegen Schweden aufgetreten sind, zu überwinden. Und sie hat ein Selbstverständnis entwickelt, das uns schon jetzt von der WM im nächsten Jahr träumen lässt. Auch wenn die Qualifikation noch nicht ganz sicher ist. Aber die Vorstellung, dass diese Mannschaft am Dienstag in Pristina mit sechs Toren Differenz verliert und damit von Platz 1 verdrängt wird, ist ziemlich absurd.




