«Kahlschlag»: Mit dem Sparpaket schlägt der Bundesrat einen ersten Pflock ein – und erntet heftige Kritik
Der Bundeshaushalt droht aus dem Gleichgewicht zu geraten. Ohne Korrekturmassnahmen rechnet der Bund im Jahr 2027 mit einem strukturellen Defizit von 2,9 Milliarden Franken, 2030 gar von 3,2 Milliarden Franken. Die ordentlichen Ausgaben wachsen deutlich schneller als die budgetierten Einnahmen. Treiber dafür sind insbesondere die steigenden Ausgaben für die Altersvorsorge und die Armee.
Um die Schuldenbremse einhalten zu können und in Zukunft wieder finanziellen Spielraum zu haben, greift der Bundesrat deshalb zum Rotstift.
Gleich drei seiner Mitglieder präsentierten am Freitag vor den Medien die Eckwerte des Massnahmenpakets zur Entlastung des Bundeshaushalts: Nebst Finanzministerin Karin Keller-Sutter (FDP) traten Umweltminister Albert Rösti (SVP) sowie Sozialministerin Elisabeth Baume-Schneider (SP) auf. In deren beiden Departementen sind die grössten Einsparungen geplant.
Der magistrale Massenaufmarsch sollte durchaus auch eine politische Botschaft aussenden: «Die Entlastung des Bundeshaushalts ist ein zentrales Projekt, das vom ganzen Kollegium getragen wird», sagte Finanzministerin Keller-Sutter. Die Regierung habe ein «ausgewogenes Paket» geschnürt.
Wie viel will der Bundesrat sparen?
Je nach Betrachtungsweise kann man sagen: Eigentlich will der Bundesrat gar nicht sparen. Denn wie die anwesenden Bundesratsmitglieder wiederholt betonten, soll mit dem präsentierten Massnahmenpaket lediglich das Kostenwachstum gebremst werden. Die Ausgaben steigen weiter an, einfach weniger stark.
Das bundesrätliche Massnahmenpaketstützt sich stark auf den vor drei Wochen präsentierten Vorschlag der Expertengruppe unter der Leitung von Serge Gaillard. Diese hatte sämtliche Subventionen und Transferleistungen des Bundes überprüft und 60 Massnahmen mit einem Sparpotenzial von jährlich bis zu 4,9 Milliarden Franken präsentiert.
Nach ersten Gesprächen mit Parteien, Sozialpartnern und Kantonen verzichtet der Bundesrat auf 11 der vorgeschlagenen Sparmassnahmen. Er tut dies insbesondere, wo kürzlich getroffene Volksentscheide oder laufende Geschäfte im Parlament betroffen sind.
Der Vorschlag des Bundesrats würde den Bundeshaushalt im Jahr 2027 dank Sparmassnahmen über 3,6 Milliarden Franken und Mehreinnahmen von 300 Millionen Franken um 3,9 Milliarden Franken entlasten, 2030 wären es gar 4,6 Milliarden Franken. Statt eines strukturellen Defizits würde der Bund 2027 einen Überschuss von 0,7 Milliarden Franken ausweisen, 2030 von 1,4 Milliarden Franken (s. Grafik).
Wo wird gespart?
Der grösste Posten lässt sich am leichtesten einsparen: Der Bundesrat schlägt vor, auf die vom Nationalrat vorgeschlagene Einführung von Bundesbeiträgen fürKitaszu verzichten. Dadurch fallen über 800 Millionen Franken an Ausgaben weg. «Der Bundesrat war immer der Ansicht, dass die Finanzierung der Kitas in die Aufgabe der Kantone fällt», betonte Sozialministerin Baume-Schneider. Eine Finanzierung über Arbeitgeberbeiträge, wie sie derzeit der Ständerat diskutiert, würde man jedoch unterstützen.
Weiter will der Bundesrat die Abgeltungspflicht fürFlüchtlinge und vorläufig aufgenommene Personenauf vier Jahre verkürzen. Das soll 2030 Einsparungen von 500 Millionen Franken bringen.
400 Millionen Franken will der Bundesrat bei den Subventionen für Klimapolitik einsparen. Der Volksentscheid zum Klimaschutzgesetz werde aber berücksichtigt, wie Umweltminister Albert Rösti betonte: «Die beschlossenen Klimaziele gelten weiterhin.» DasHeizungsersatzprogrammsoll nicht angetastet werden: Reduziert werden soll das bestehendeGebäudeprogramm,bei dem laut Rösti grosse Mitnahmeeffekte zu beobachten seien.
313 Millionen Franken sollen durch das Einfrieren der Gelder für dieEntwicklungszusammenarbeitgespart werden. Fast die gleiche Summe soll durch sogenannte Massnahmen im Eigenbereich in Höhe von 305 Millionen Franken eingespart werden: 60 Prozent davon sollen Einsparungen beimBundespersonalbetreffen.
Auch bei derAHVsetzt der Bundesrat an. Statt eines fixen Bundesanteils soll der Beitrag neu in Mehrwertsteuerprozenten definiert werden. Heisst: Steigen die Ausgaben, muss der Bund nicht automatisch mehr bezahlen. Längerfristig soll dies den Haushalt um bis zu 600 Millionen entlasten. An der Höhe der Renten und der Auszahlung der 13. AHV-Rente ändere sich dadurch nichts, betonte Bundesrätin Baume-Schneider. Die Gegenfinanzierung dieser Massnahme soll im Rahmen der geplanten AHV-Reform erfolgen.
Nebst diesen grossen Brocken umfasst das Paket auch zahlreiche kleinere Massnahmen. So möchte der Bundesrat etwa dieindirekte Presseförderungauf 25 Millionen Franken halbieren, sowie den Bundesbeitrag an dasSRG-Auslandsangebot Swissinfo(19 Mio. Franken) und die geplanteFörderung von Nachtzügen(30 Mio. Franken) streichen.
Plant der Bund auch neue Einnahmen?
Ja, allerdings vergleichsweise kleine. Er schlägt zwei Massnahmen vor: Erstens sollen Kapitalbezüge aus der 2. und 3. Säule künftig steuerlich nicht mehr gegenüber der Rente bevorteilt werden. Zweitens sollen neu alle Importkontingente für landwirtschaftliche Güter versteigert werden. Insgesamt soll das zu Mehreinnahmen von 300 Millionen Franken pro Jahr führen.
Warum zieht der Bundesrat nicht mehr Steuern ein?
Wirtschaft und Bevölkerung seien bereits mit deutlichen Steuererhöhungen konfrontiert worden oder würden – durch bereits beschlossene Mehreinnahmen – bald damit konfrontiert, sagte Finanzministerin Keller-Sutter. Sie verwies auf die Erhöhung der Mehrwertsteuer für die AHV oder die OECD-Mindeststeuer für Unternehmen. Zusammengerechnet mit anderen Erhöhungen ergebe dies zwischen Januar 2024 bis ins Jahr 2027 über 7 Milliarden Franken Mehreinnahmen im Jahr.
Wie fallen die Reaktionen aus?
Noch während die Medienkonferenz des Bundesrats lief, verschickten Parteien und Verbände Medienmitteilungen mit teilweise harscher Kritik – vor allem von Links. «Der Bundesrat dreht beim Klimaschutz das Rad der Zeit zurück», schrieben die Grünen. Die SP nannte das Paket einen «Kahlschlag auf Kosten der Menschen.» Die FDP hingegen gratulierte dem Bundesrat zu seinem «Sparmut», kritisierte jedoch die geplanten Mehreinnahmen.
Wie geht es jetzt weiter?
Der Bundesrat will die Massnahmen nun konkretisieren und das Paket Ende Januar 2025 in die Vernehmlassung schicken. Im Anschluss erarbeitet er eine Botschaft, die voraussichtlich im Herbst 2025 zuhanden des Parlaments verabschiedet wird.
Rund vierzig der vorgeschlagenen Massnahmen bedingen Gesetzesänderungen. Diese werden in Form eines Mantelerlasses zu einem Paket geschnürt. Gegen dieses kann ein Referendum ergriffen werden.
In National- und Ständerat dürfte die Spardebatte umso härter ausfallen, als das bundesrätliche Massnahmenpaketdie vom Parlament beschlossenen Mehrausgaben von 4 Milliarden Franken für die Armee für die Jahre 2025 bis 2028 noch gar nicht berücksichtigt.
Beim Ringen um eine seriöse Finanzierung des Armeeausbaus hat das Parlament eine schlechte Falle gemacht. Umso herausfordernder wird nun das Schnüren eines milliardenschweren Sparpakets.
Hier geht es zum Beitrag von Tele M1: