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Ärztemangel im Aargau: Sollen die Zulassungsbestimmungen gelockert werden?

Im Kanton Aargau fehlt es sowohl an Hausärztinnen als auch an bestimmten Fachärzten. Zwei FDP-Grossräte wollen wissen, was die Regierung dagegen unternimmt – und ob die Zulassungsbestimmungen für ausländische Ärzte gelockert werden können.

Es zeichne sich ein Drama ab. So lautet die unmissverständliche Botschaft von Yvonne Gilli, Präsidentin des SchweizerÄrzteverbandes FMH. Im Interview mit dem «Sonntags-Blick» warnte sie vor einem Ärztemangel. Die Schweiz habe zu wenige Ärzte ausgebildet, die Babyboomer kämen ins Pensionsalter, es drohe eine Lücke in der Gesundheitsversorgung. Kurz: Man müsse jetzt handeln.

Die ehemalige Grünen-Nationalrätin schlägt vor, die Anzahl Studienplätze zu erhöhen. Zudem sollen ältere Ärzte länger arbeiten. Laut Gilli sind viele von ihnen hoch motiviert, bis 71 oder 72 weiterzuarbeiten. Allerdings dürften sich die Rahmenbedingungen nicht weiter verschlechtern. Als dritte Massnahme gegen den drohenden Mangel müssten die Arbeitsbedingungen für jüngere Ärztinnen und Ärzte verbessert werden.

Auch im Kanton Aargau fehlt es an Hausärzten. Das ruft die Politik auf den Plan: Die beiden Grossräte Bernhard Scholl und Sabina Freiermuth (beide FDP) möchten von der Regierung wissen, was sie gegen den drohenden Ärztemangel zu tun gedenkt. Am 19. September reichten sie eine entsprechende Interpellation ein.

Sind die Zulassungsbedingungen zu streng?

Im Kanton Aargau gibt es nicht nur zu wenig Hausärztinnen, es fehlt auch an Apothekern und bestimmten Fachärzten. Laut Scholl und Freiermuth haben vor allem Onkologie- und Dermatologiepraxen mit Nachwuchsproblemen zu kämpfen.

Gillis Vorschlag, ältere Ärzte länger arbeiten zu lassen – sofern sie das wollen – dürfte auch bei den beiden FDP-Grossräten auf offene Ohren stossen. Sie sehen vor allem Handlungsbedarf, was die Zulassung von älteren ausländischen Ärztinnen betrifft.

Zwar gibt es laut den Interpellanten viele ausländische Ärzte, die bis anhin in einem Spital tätig waren und nach Erreichen des Pensionierungsalters gerne privat weiterarbeiten würden. Jedoch darf eine Ärztin seit 2022 nur noch eine Praxis eröffnen, wenn sie mindestens drei Jahre lang an einer Schweizer Weiterbildungsstätte im entsprechenden Fachgebiet tätig war. Die neue Regelung führe dazu, dass diese Ärzte nicht in der Schweiz arbeiten könnten, heisst es im Vorstoss.

Kanton will Anschubfinanzierungen prüfen

Die Aargauer Regierung muss nun abklären, ob die Zulassungsregelung allenfalls gelockert werden könnte, ohne gegen Bundesrecht zu verstossen. Ausserdem wollen Scholl und Freiermuth wissen, welche andere konkreten Massnahmen der Regierungsrat plant, um dem Mangel an Leistungserbringern im Gesundheitssystem abzuhelfen.

Während die Verantwortung bisher vor allem bei den Gemeinden lag, möchte sich die Aargauer Regierung in Zukunft aktiver einbringen, um dem drohenden Ärzte-Engpass entgegenwirken. SVP-Regierungsrat Jean-Pierre Gallati sagte im September der AZ: «Wir möchten uns künftig stärker engagieren, damit sich mehr Hausärzte im Aargau niederlassen.» Eine Möglichkeit, welche die Regierung prüfen will, sind Anschubfinanzierungen. Sie sollen Ärztinnen und Ärzte motivieren, in den Kanton Aargau zu kommen.

Der Ärztemangel war vor kurzem auch Thema auf Bundesebene: Im September nahm der Ständerat einen Vorstoss von Charles Juillard (Mitte) an. Juillard fordert, dass der Bundesrat rasch Massnahmen gegen den Mangel an Hausärzten sowie Ärztinnen in bestimmten Fachgebieten ergreift. Ärztinnen und Ärzte, die in den Ruhestand gehen oder ihre Tätigkeit aufgeben, sollen in Zukunft besser ersetzt werden können.