
Meerschweinchen mussten während vier Stunden Adeles Musik hören – was das mit ihrem Gehör machte, lässt aufhorchen
Radio, Fernsehen, Streaming: Die meiste Musik, die wir hören, wurde nach dem Aufnehmen bearbeitet. Ein Grossteil davon mit Dynamikkompression. Dabei werden die lauten Töne eines Stücks gedämpft und die leisen Teile verstärkt. Dadurch klingen Songs im Radio, Fernsehen oder beim Streaming gleichmässiger. Auch der Ton bei Onlinekonferenzen wird so bearbeitet. Man will verhindern, dass Töne in einem Moment sehr laut sind und im anderen Moment kaum zu hören.
Doch die Anwendung hat einen Haken: Gerade die leisen Teile sind wichtig für die Entspannung des Hörorgans. Gewisse Musikfans empfinden komprimierte Musik deshalb als anstrengender zum Hören. Wie «The Economist» schreibt, hat eine französische Studie nun gezeigt, dass die konstante Beschallung mit solch bearbeiteter Musik tatsächlich schädlich sein könnte.
Meerschweinchen hörten vier Stunden Adele
Die Forschungsgruppe um die Audiologen Paul Avan und Thamara Suzi Dos Santos und den Neurowissenschaftler Pierrick Bordiga haben die Versuche an Meerschweinchen durchgeführt, weil diese ähnliche Frequenzen hören wie Menschen. Den Tieren wurde der Song «I Miss You» von Adele während vier Stunden auf einer Lautstärke von 102 Dezibel vorgespielt – ein Lärmpegel, wie er bei Konzerten vorkommt. Der Song hat viele leise und laute Teile, aber komprimiert fallen die Hörpausen weg. Die eine Gruppe Meerschweinchen hörte den Song ohne Kompression, die andere mit.
Danach wurde die Hörschnecke untersucht. Das ist ein Teil des Innenohrs, der Schallwellen in elektrische Impulse für das Gehirn umwandelt. Sie ist auch der Hauptgrund für Hörverlust. In der Hörschnecke findet sich der kleinste Skelettmuskel des Körpers, der sogenannte Steigbügelmuskel. Er ist nur einen Millimeter lang.
Sowohl komprimierte wie nicht komprimierte Musik haben die Kontraktionskraft des Muskels auf 40 Prozent gesenkt. Doch während der Muskel sich nach dem Standardtrack innerhalb eines Tages erholte, war er bei der Gruppe mit dem komprimierten Track nach einer Woche erst wieder auf der Hälfte seiner ursprünglichen Kraft.

Symbolbild: Getty Images
Die Studie wurde im Wissenschaftsmagazin «Hearing Research» publiziert. Die Forschungsgruppe vermutete, dass die komprimierte Musik die Nervenzellen im Innenohr überreizte und dadurch der Muskel seine Leistung verlor. Ab welchem Grad Kompression schädlich ist, konnte die Studie nicht zeigen. Ebenfalls nicht untersucht wurde, wie lange die Schäden anhalten, ob sie reversibel sind und ob die Auswirkungen auch für Menschen gelten.