
Ein Mann lässt sich Hunderte Male von Schlangen beissen – so entstand ein breites Antivenom
Der von Schlangen begeisterte US-Amerikaner Tim Friede hat sich selbst immer grössere Dosierungen von Schlangengiften verabreicht, sodass er sich schliesslich von verschiedenen giftigen Schlangen beissen lassen konnte. Damit hat er eine aussergewöhnliche medizinische Entwicklung ermöglicht.
Denn darauf aufbauend haben Wissenschafter und Wissenschafterinnen der Columbia Universität in New York und des Medizinunternehmens Centivax ein Gegengift entwickelt, das ihren Angaben zufolge das am breitesten einsetzbare Mittel sein soll. Das aus drei Stoffen bestehende Präparate soll auch vor den Giften der Königskobra und der Schwarzen Mamba schützen, wie das Team imFachblatt «Cell»berichtet.
Ein grosses Problem bei der Entwicklung von Gegenmitteln gegen Schlangenbisse ist, dass die Gifte oft aus einem Cocktail verschiedener Toxine bestehen. Normalerweise werden Gegengifte dadurch entwickelt, dass man etwa Pferden oder Schafen das Gift einzelner Schlangenarten verabreicht und die gebildeten Antikörper isoliert. Dieses Verfahren ist zwar wirksam, kann aber auch gravierende Nebeneffekte haben, wenn die nicht-menschlichen Antikörper bei Menschen zum Einsatz kommen. Zudem wirken diese sogenannten Antivenome nur gegen die Gifte der jeweiligen Schlangenart. Das ist in diesem Fall anders.
Mittel an Mäusen getestet
Friede hat sich über einen Zeitraum von fast 18 Jahren hundertfach von insgesamt 16 verschiedenen, sehr giftigen Schlangen beissen lassen. Er überlebte – und ist inzwischen bei Centivax angestellt. Aus seinem Blut isolierten die Forscher zwei besonders breit wirkende Antikörper und kombinierten sie mit einem Enzym-Hemmer zu einem Wirkstoff, der vor gleich mehreren Giften verschiedener Giftnattern schützen soll.
In der Studie wurde dieser Cocktail an Mäusen getestet, die zuvor Gifte verschiedener Nattern verabreicht bekommen hatten. Dabei bot das Mittel vollständigen Schutz gegen Gifte von 13 Schlangenarten – darunter waren die Königskobra, die Schwarze Mamba und der Inlandtaipan, der als weltweit giftigste Schlange gilt. Gegen sechs weitere Spezies – darunter die Grüne Mamba – bot der Cocktail einen teilweisen Schutz.
Die Forscher räumen ein, dass diese Erfolge an Mäusen noch nicht ausreichen. In einem nächsten Schritt soll das Gegengift in Tierarztkliniken an Hunden getestet werden, die von Schlangen gebissen wurden.
Mehr Universalmittel sind denkbar
Die Wirkung des Breitband-Antivenoms ist aber auf die Gruppe der Giftnattern begrenzt: Die Gifte der Vipern, welche völlig anders aufgebaut sind, werden nicht adressiert. Doch gerade diese Gruppe von Schlangen verursache einen Grossteil der Schlangenbisse weltweit. Für die Vipern in Europa wie der Aspisviper gibt es aber bereits ein polyvalentes Immunserum.
Jährlich sterben mehr als 100’000 Menschen an Vergiftungen durch Schlangenbisse, 300’000 weitere tragen dauerhafte Behinderungen davon. Dazu zählen etwa Sehverlust oder Amputationen von Gliedmassen.(dpa)