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Nazis wollten bei Leibstadt einmarschieren: Ausstellung zeigt, warum die Schweiz von Hitler verschont wurde

Die Schweiz als sichere Insel oder als geschickter Verhandlungspartner? Eine Sonderausstellung im Militär- und Festungsmuseum Full-Reuenthal gibt Einblicke, wie nah ein Angriff während des Zweiten Weltkriegs war.

Der heutige Wissensstand um deutsche Angriffsvorbereitungen gegen die Schweiz legt dar, dass insbesondere im Herbst 1940 durch die Operation «Tannenbaum» ernsthaft ein Angriff der deutschen Wehrmacht gegen die Schweiz drohte. Die Operation sah einen Überfall mit bis zu 24 Divisionen vor. «Geplant war der Einmarsch vom Rheinkraftwerk Albbruck-Dogern her nach Leibstadt», sagt Thomas Hug, Präsident des Vereins Militär- und Festungsmuseum Full-Reuenthal, das sich aktuell in einer Sonderausstellung diesem Thema sowie «Eugen Bircher und die Befestigung der Nordgrenze» widmet.

«Die Einsatzkräfte standen bereit und die Vorbereitungen waren getroffen», so Hug. «Glücklicherweise veranlassten die Ereignisse an anderen Fronten des Krieges Adolf Hitler dazu, von einem Angriff gegen die Schweiz einstweilen abzusehen.»

Auslöser für die Ausstellung sei die Beschaffung der originalen Uniform von Eugen Bircher als Oberstdivisionär und Kommandant der 5. Division gewesen, welche das Festungsmuseum aus dem Nachlass des Sammlers Herbert Frey in Safenwil erwerben konnte, erklärt Thomas Hug.

Die zwei Gesichter von Eugen Bircher

Die Person Eugen Bircher, Arzt, Offizier, Militärwissenschaftler und Politiker aus dem Aargau ist bis heute höchst umstritten. Mit der Machtergreifung Hitlers 1933 begann er, vor einem Angriff der Deutschen zu warnen. Er machte sich für die Befestigung der Nordgrenze am Rhein und für sofort mobilisierbare Grenzschutztruppen stark. Beide Forderungen wurden erfüllt. So entstand unter anderem der Bau eines Artilleriewerks bei Reuenthal. 1937/1938 wurde das Werk mit zwei 7,5 cm Kanonen und Nahverteidigungswerken errichtet, das von der Truppe am 10. Juli 1939 übernommen wurde.

Umstrittene Persönlichkeit mit zwei Gesichtern: Eugen Bircher auf dem Rütli, 1. August 1940.
Bild: Daniel Heller (Archiv)

Bircher hatte aber auch eine andere Seite: «Seine Sympathien für Deutschland und den Nationalsozialismus und seine Leitung der Ärztemissionen an der deutschen Ostfront 1941 bis 1943 tragen ihm bis heute heftige Kritik ein», sagt Hug, der das Museum in Full seit rund 25 Jahren leitet. Dass er aber unter anderem mit seinen Verteidigungsvorbereitungen an der Nordgrenze der Schweiz seinen Patriotismus unter Beweis gestellt habe, aber auch, dass er als Arzt und Militärwissenschaftler Grosses leistete, sei ebenfalls unbestritten, so Hug.

Grosses Interesse für die Ausstellung

An der Abdankungsfeier für Bircher am 24. Oktober 1956 stellte Pfarrer Robert Müller die Predigt unter das Motto «Licht und Schatten». «Treffender hätte er Leben und Wirken Birchers nicht charakterisieren können», sagt Thomas Hug.

Die Sonderausstellung zeigt einst geheime Dokumente und Karten der deutschen Wehrmacht, die zur Angriffsplanung gegen die Schweiz dienten. Zudem berichten zahlreiche Fotos über Birchers Leben und Wirken, darunter auch die umstrittene Ostfrontmission. Das Thema stösst auf grosses Interesse: «Seit Ausstellungsbeginn haben viele Besucherinnen und Besucher den Weg ins Museum gefunden und das Begleitheft findet reissenden Absatz», sagt Thomas Hug.

Die Ausstellung im Festungsmuseum Reuenthal ist bis Ende Oktober 2024 jeden Samstag von 13 bis 17 Uhr geöffnet. Im Museum ist ein illustriertes Begleitheft zur Ausstellung für Fr. 10.- erhältlich.